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Den Laptop hochklappen, Aufgaben zuhause bearbeiten und in die nächste Videokonferenz mit der Klasse starten – so sähe der Optimalfall im Homeschooling aus. Doch das hat in den vergangenen Monaten bei vielen Schülern so gar nicht geklappt und Spuren hinterlassen. Weil die Wissenslücken, wie Studien zeigen, durch den coronabedingten Schulausfall mittlerweile so groß sind, werden dringend Lösungen gefordert. Gefragt sind jetzt die Lehrer, Mehrarbeit zu leisten –das fordern einige Stimmen aus der Politik.
Ferien-Akademien und Samstags-Unterricht – das könnten demnach Lösungen sein. Kritisch sieht das die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Mehrarbeit der Lehrer könne keine Lösung sein. Da stimmt auch der Lehrer-Verband zu.
Familienpolitischer Sprecher der CDU: So könnten Bildungslücken bei Schülern aufgeholt werden
Wie soll es jetzt weitergehen? Nach dem Lockdown so weiter unterrichten wie bisher? Darin sehen einige Politiker für Lehrer und Schüler keine Lösung. Es muss zusätzliche Programme geben, damit die Wissenslücken der Schüler wieder aufgeholt werden. Der familienpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Marcus Weinberg, forderte, die Kultusminister müssten unverzüglich einen coronabedingten Sonderbildungsrat einrichten. Dort sollten Aktionspläne entwickelt werden, wie die in der Coronazeit entstandenen Lern- und Bildungsdefizite ausgeglichen werden könnten. "Auch durch Ferienakademien oder Wochenendseminare könnten dann im Frühjahr und Frühsommer Lernrückstände durch zusätzliche Angebote aufgeholt werden", sagte er der "Bild"-Zeitung.
Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Katja Suding sagte der Zeitung, sie halte es für notwendig, "ein ganzes Sortiment" an Angeboten zu entwickeln, aus denen Schüler freiwillig Hilfe auswählen könnten. "Das beginnt mit Zusatzstunden am Nachmittag oder am Samstag. Aber es gehören auch von Lehramtsstudierenden erteilte Nachhilfe-Runden und Ferienunterricht dazu."
Statt die Mehrarbeit der Lehrer in die Ferien zu verlegen, sieht der ehemalige Chef des Lehrerverbandes, Josef Kraus, eine Möglichkeit im Samstagsunterricht. "Die Kultusminister sollten für das Sommerhalbjahr Samstagsunterricht festlegen", fordert Kraus in der "Bild"-Zeitung. Es seien pro Schüler mittlerweile mindestens 500 Stunden Präsenzunterricht ausgefallen, deshalb sollte Unterricht auf Samstage ausgeweitet werden.
Prüfungen am Ende des Schuljahres
Auch was die Prüfungen angeht, erklärte er, brauche es Verschiebungen. Seine Idee: Die Prüfungen 2021 ganz an das Ende des Schuljahres oder in die ersten Tage der Sommerferien zu verschieben. Anderenfalls müssten die Abiturienten mit schlechten Noten für mutlose Schulpolitik einen hohen Preis zahlen.
Von den Vorschlägen der Politiker, den Unterricht auch auf Samstage und in die Ferien zu erweitern, hält der Präsident des Lehrerverbandes Heinz-Peter Meidinger wenig. Man habe aktuell eine sehr stressige Zeit an den Schulen für Lehrer, Schüler und Eltern. "Der Distanzunterricht ist nichts, was man einfach so aus dem Ärmel schüttelt, sondern erfordert viel Engagement", erklärt Meidinger. Jetzt den Lehrer auch noch zu sagen, dass sie nicht nur während der Woche, sondern auch noch samstags gefordert seien, sei der falsche Weg – vor allem, da es in einigen Bundesländern bereits Ferienkürzungen oder wie in Bayern ganze Ferienstreichungen gab.

Klar sei auch: "Es gibt viele Schüler, die auch gut mit dem Distanzunterricht zurecht kommen. Es gibt keinen Grund, diese Schüler dann auch noch am Samstag zu traktieren. Diejenigen, die wir über Distanzunterricht nicht oder schlecht erreichen, die erreichen wir auch nicht über Distanzunterricht am Samstag", erklärt der Präsident des Lehrerverbandes weiter. Vielmehr setze man auf ein differenziertes Konzept, um die Wissenslücken der Schüler aufzuholen. Eine Möglichkeit sei ein Zusatzjahr, in dem Schüler das Jahr individuell wiederholten oder auch Unterstützung in einer eigenen Lerngruppe erhielten. Der Vorschlag der Politiker sei deshalb ein Vorschlag, der nicht aus der Schulpraxis komme.
GEW gegen zusätzliche Mehrarbeit der Lehrer
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft lehnt den Vorstoß aus der Politik vehement ab. "Die Lehrkräfte leisten bereits Mehrarbeit, da sie die SchülerInnen sowohl im Präsenz- als auch im Distanzunterricht betreuen, Prüfungen und Klassenarbeiten organisieren und gleichzeitig die Notbetreuung sicherstellen müssen. Auch die Administration digitaler Hard- und Software wird meist on top von Lehrkräften geleistet", sagt Ilka Hoffmann, GEW-Vorständin im RTL-Interview
Dazu käme die Durchführung von umfassenden Hygienekonzepten ohne Unterstützung durch bauliche Maßnahmen oder Gesundheitsämtern. Es gebe in vielen Bundesländern kein tragfähiges, verlässlichen Konzept zum Umgang mit der Pandemie, so Hoffmann. "Empfehlungen von Virologen und Empfehlungen des Arbeitsschutzes wie sie für alle Branchen gelten, wurden in Bezug auf Lehrkräfte und ErzieherInnen ausgesetzt. Die Angst vor Infektionen ist in dieser Berufsgruppe zu Recht sehr groß und stellt eine hohe psychische Belastung da. Hinzu kommt der politisch verschuldete Lehrkräftemangel, der kompensiert werden muss", erklärt die GEW-Vorständin.

Der Vorschlag der betroffenen Politiker zeuge von totaler Inkompetenz in Bezug auf die Arbeit an den Schulen und von politischer Verantwortungslosigkeit gegenüber den Lehrkräften. "Wir erwarten mehr Rückendeckung und Unterstützung für die pädagogische Arbeit von der Politik und nicht das Gegenteil davon!", so Hoffmann im RTL-Interview.
Zur Mehrarbeit der Lehrer ergänzte die GEW-Vorständin: "Abgesehen davon, dass schon jetzt Mehrarbeit geleistet wird, muss sie durch die Rückgabe der Überstunden oder durch Vergütung kompensiert werden. Die Politik versäumt es seit Jahren, für genügend Fachkräfte zu sorgen. Hier braucht es einen Masterplan."
Das Streichen der Karnevalsferien in Bayern kommt gar nicht gut an
Um die Karnevalszeit zu nutzen und Wissensrückstände der Schüler aufzuholen, sind die sogenannten Faschingsferien in Bayern ausgefallen. Das kam gar nicht gut an. Kritik gab es von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft: "Lehrkräfte unterrichten jetzt gemäß Dienstanweisung eine Woche mehr als ursprünglich geplant", sagte die GEW-Landesvorsitzende Martina Borgendale. Das Kultusministerium teilte auf Anfrage mit, dass es selbstverständlich klar sei, "dass eine Unterrichtswoche anstelle der Frühjahrsferien für die Lehrkräfte eine zusätzliche Belastung darstellt". Rechtlich handle es sich jedoch nicht um Mehrarbeit. Um die Ferien beizubehalten, die nach Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Kultusminister Michael Piazolo (FW) ausfallen sollen, sammelte die GEW über "Open Petition" 36.000 Unterschriften – allerdings vergeblich. Der Unterricht läuft weiter. Die Woche soll genutzt werden, sagte Piazolo im "Merkur".
Quelle: "Bild"