Nach Berichten des Internationalen Recherche-Projekts "Bellingcat" mehren sich Indizien für mögliche Kriegsverbrechen Russlands im Ukraine-Krieg. Demnach habe das russische Militär Angriffe auf die Zivilbevölkerung unter anderem mit Streumunition verübt.
Ukraine-Krieg: Russland soll Streubomben in zivilen Gebieten eingesetzt haben
Wie "The Guardian" berichtet, betonte Eliot Higgins, der Gründer der investigativen Journalismus-Website, es gebe Beweise dafür, dass Russland "zivilen Schaden" verursacht habe, unter anderem durch den Einsatz von "Streubomben in zivilen Gebieten", und zwar durch glaubwürdige Video- und Fotoaufnahmen von dem Konflikt.
Bereits am Montag verbreiteten sich über soziale Netzwerke Videos und Fotos von Angriffen in der Ukraine. Ein Mitglied von Bellingcat teilte den Clip eines mutmaßlichen Bombenangriffs auf einen Parkplatz in einem mutmaßlichen Wohngebiet und beschrieb diesen als Streubombenangriff. Auf dem Video ist deutlich zu erkennen, dass Passanten durch einen nahe gelegenen Park in Charkiw gehen, während mehrere Granaten einschlagen.
In einem weiteren Video vom vergangenen Freitag, das während der Fahrt aus einem Auto aufgezeichnet wurde, sind ebenfalls mehrere kleinere Explosion auf einer Kreuzung zu sehen. Laut der investigativen Plattform "Conflict Intelligence Team" (CIT) stammen die Aufnahmen vermutlich ebenfalls aus Charkiw. Da auf dem Video keine Anzeichen von Flugzeuggeräusche zu hören sind, wurde die Bombe nach Einschätzung des CIT von einem russischen Raketensystem abgefeuert.
Streumunition, bei der kleine Bomben wahllos über ein großes Gebiet verstreut werden, ist wegen ihrer mangelnden Präzision in mehr als 100 Staaten verboten. In einem Vertrag von 2008 verpflichteten sich die unterzeichnenden Staaten, keine Streumunition zu verwenden. Russland, die Ukraine und zum Beispiel auch die USA unterschrieben den Vertrag nicht.
Weitere Indizien für den Einsatz von Streubomben seien Bellingcat zufolge Überreste eines Raketenmotors einer russischen BMP-30-Streumunition, der am vergangenen Freitag auf einer Straße in der Nähe von Charkiw gefunden wurde, sowie ein Video, das die Landung eines ähnlichen Bombenteils in Bucha, nordwestlich von Kiew, zeigen soll.
Amnesty: "Es gibt keine Rechtfertigung für Abwurf von Streumunition"
Auch mehrere Nichtregierungsorganisationen (NGO) prangern den angeblichen Abwurf von Streumunition an. Dabei beziehen sich die Organisation, wie beispielsweise Amnesty International, insbesondere auf einen Bombenangriff auf einen Kindergarten am vergangenen Freitag. Drohnenaufnahmen zeigten mehrere schwarze Explosionsstellen rund um das Gebäude. Drei Menschen, darunter ein Kind, kamen bei dem Angriff ums Leben, wie Amnesty International berichtet.
"Es gibt keine Rechtfertigung für den Abwurf von Streumunition in bewohnten Gebieten, schon gar nicht in der Nähe einer Schule", sagte Agnès Callamard, die Generalsekretärin von Amnesty International.
Das absichtliche Angreifen von Zivilisten oder zivilen Gebäuden gilt nach internationalem Völkerrecht als Kriegsverbrechen, ebenso wie Angriffe auf militärische Ziele, die übermäßig viele zivile Opfer fordern, so die Vereinten Nationen. Russland bestreitet routinemäßig, dass es illegale Angriffe verübt.
Videos vom Angriff auf ein Regierungsgebäude im Osten von Charkiw, der zweitgrößten Stadt der Ukraine, am Dienstag widersprechen dieser Behauptung. Dabei schlug augenscheinlich ein Marschflugkörper in dem Gebäude der Bezirksverwaltung im Herzen der Stadt ein. Berichten zufolge seien bei dem Angriff mindestens zehn Zivilisten gestorben. Wenige Stunden später kündigte die russische Regierung an, sie werde "hochpräzise" Angriffe auf Regierungsgebäude in Kiew durchführen.
Das Besondere an dem Ukraine-Krieg sei, das es vom ersten Tag mehrere Projekte gab, um Fotos und Videos zu sammeln und zu verifizieren, ander als zum Beispiel im Syrien-Konflikt, so Higgins. Mehrere nationale und internationale Medien haben sich bereits aufgestellt, um Material aus dem Kriegsgebiet zu sichten.
Dank der Bereitschaft der Ukrainerinnen und Ukrainer und anderen, den Konflikt auf ihren Handys zu dokumentieren, konnten unabhängige Rechercheure wie die von Bellingcat schnell Beweise lokalisieren und dokumentieren, die in Zukunft nützlich sein könnten.
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"Der Tag wird kommen, an dem all das hier vor dem international Strafgerichtshof landen wird", so Higgins.

Das Recherche-Netzwerk Bellingcat ist international renommiert. Insbesondere für die Berichterstattung in Syrien, Recherchen zum Absturz des Fluges MH-17 in der Ostukraine, des Krieges auf der ukrainischen Halbinsel Krim, sowie der Aufklärung des Falls Skripal.
Quellen: The Guardian, Bellingcat, Amnesty International