"Jumbo Kingdom" war eine Sehenswürdigkeit im Hafen des Hongkonger Stadtteils Aberdeen: Mehrere Stockwerke hoch, 80 Meter lang und in Anlehnung an das kaiserliche China gestaltet, ragte das Restaurantschiff über die vielen anderen Schiffe im Hafen. 2300 Plätze machten es dazu zum größten Restaurantschiff der Welt und ließen das Schwesterschiff, die benachbarte "Tai Pak", alt aussehen. Doch nach 46 Jahren liegt das Schiff nun auf dem Meeresgrund im Südchinesischen Meer, bei einer Schleppfahrt kenterte es kurz vor den Parcel-Inseln und sank. Seit 2013 hatte das Schiff zunehmend Schulden angehäuft, seit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 war es geschlossen.
Warum das Schiff gesunken ist, ist bislang unklar. Hongkongs Marineamt forderte die Betreiber des Schiffs zu einem ausführlichen Bericht auf. Nach Angaben der Betreiber war das Restaurantschiff bei einem schweren Sturm im Meer gesunken. Wasser sei in das Schiff eingedrungen und hätten dazu geführt, dass es sich geneigt habe. Die beiden Schlepper hätten versucht, den Kurs zu korrigieren, das jedoch ohne Erfolg – das Schiff liegt nun in 1000 Meter Tiefe. Laut der "South China Morning Post" (SCMP) habe es jedoch nur mäßigen Wind mit einigen Böen gegeben. Dazu hätte es kleinere Gewitter und Wellen von bis zu drei Metern gegeben. Die Böen könnten jedoch erheblich Einfluss auf das Schiff gehabt haben. Die große Struktur eines solchen Schiffes könne schnell vom Wind beeinflusst werden, erklärte Stephen Liy Yiu-Kwong, Professor für Meeresstudien an der Polytechnischen Universität, gegenüber der Zeitung.
"Jumbo Kingdom": Schlepper schon in anderen Zwischenfall verwickelt
Für einen der Schlepper, die "Jaewon 9", ist es bereits das zweite Unglück in sechs Monaten. Laut der "Hongkong Free Press" riss im Dezember vergangenen Jahres beim Abschleppen einer Offshore-Plattform die Verbindung zwischen den beiden Gefährten. Die Plattform wurde einen Tag später auf einer kleinen Insel vor Taiwan an Land gespült und aufgegeben.
Für Ärger bei der Marineamt sorgte laut der "South China Morning Post" der Fakt, dass sie erst durch die Mitteilung der Betreiber vom Untergang erfahren habe. Timothy Chui Ting-Pong, Vorsitzender der Hongkonger Tourismusbehörde, forderte laut "The Standard" eine Untersuchung, ob die Marineamt vom Ziel und der Route des Schiffs gewusst habe. Es müsse geklärt werden, ob vorab das Risiko eines Untergangs bekannt gewesen sein. Laut Marineamt wurden vor dem Transport aus dem Hafen am 14. Juni jedoch umfangreiche Arbeiten am Schiff für die Überfahrt durchgeführt. Erst dann sei die Genehmigung für die Überfahrt ausgestellt worden. Ziel der Reise sei Kambodscha gewesen.
Wie hoch der Schaden durch den Untergang der "Jumbo Kingdom" ist, bleibt ebenso unklar wie die Unglücksursache. Aberdeen Restaurant Enterprises, die Betreibergesellschaft des Schiffs, machte keine Angaben über die Höhe – auch eine Nachfrage des stern blieb unbeantwortet. Unter Berufung auf Versicherungsexperten berichtete die "SCMP" am Mittwoch, dass die Betreiber des Schiffs wohl Versicherungsansprüche geltend machen können – wenn das Schiff versichert war. Die Meldung über einen möglichen Versicherungsfall befeuerten die Gerüchte in Hongkong, dass das seit Jahren verlustreiche Schiff absichtlich versenkt wurde. Laut des Abgeordneten Chang Pui-Leung könnte die Kompensation entweder den Marktwert oder die Kosten der Bergung betragen. Gerade der Marktwert des Schiffs sei jedoch sehr schwer zu bestimmen. Stephen Li-Yiu-Kwong betonte gegenüber der SCMP, dass eine Bergung zwar möglich sei, diese jedoch mehr als 1,2 Millionen Euro kosten werde. Da das Schiff in internationalen Gewässern liege, müsse die "Jumbo Kingdom" auch nicht geborgen werden.
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Ob das Schiff jedoch für den Transport versichert war, ist fraglich. "Das Schiff ist sehr alt und durch seine komplexe Struktur bietet es viele Angriffsflächen für den Wind. Bei einer langen Reise ist das Risiko, dass etwas passiert, sehr hoch", betonte Chang Pui-Leung. Er bezweifle, dass das Schiff versichert wurde. Es sei wahrscheinlicher, dass die "Jumbo Kingdom" im Anbetracht der Kosten einer Bergung einfach aufgegeben werde.
Versicherungen wollen Untergang gründlich prüfen
Aber auch im Falle einer Versicherung werde diese nicht sofort ausgezahlt. Die Vorsitzende der Versicherungsvereinigung in Hongkong, Selina Lau Pui-Ling, erklärte gegenüber der SCMP, dass Experten erst den Fall untersuchen werden, ehe eine Entscheidung getroffen werde. "Die Untersuchung wird auch betrachten, ob menschliches Versagen zu dem Unglück geführt hat. Sollte die 'Jumbo Kingdom' absichtlich zum Sinken gebracht worden sein, wäre das strafbar."
Kritik gibt es aber auch an Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam. Diese hatte in einer Regierungsrede im Herbst 2020 angekündigt, dass der Hafendistrikt in Aberdeen aufgewertet werden solle. Das Projekt "Belebung der Südlichen Insel" umfasste mehrere Schlüsselobjekt, darunter auch die "Jumbo Kingdom". Es sei Ziel, das Schiff wiederzubeleben, da es ein historisches Wahrzeichen der Stadt sei. Grundlage sei die Zusammenarbeit zwischen den Betreibern sowie Ocean Park, einem Vergnügungspark im Süden Hongkongs. Die "Jumbo Kingdom"-Betreiber hatten zu dem Zeitpunkt einer Vereinbarung zugestimmt, das Schiff dem Vergnügungspark kostenlos zu überlassen. Plan war demnach, die "Jumbo Kingdom" auf einen Non-Profit-Basis zu einer Touristenattraktion im südlichen Distrikt werden zu lassen. Für das gesamte Projekt stellte die Regierung laut "Hongkong Free Press" über 100 Millionen Euro als Fördergelder zur Verfügung.

Carrie Lam versprach Unterstützung für Jumbo Kingdom
Erste Ende Mai, als Aberdeen Restaurant Enterprises ankündigte, die "Jumbo Kingdom" in eine Werft zu bringen, wurde laut des Berichts bekannt, dass der Ocean Park das Schiffsprojekt abgelehnt hatte. Carrie Lam erklärte am Dienstag dann, dass man nie den Plan gehabt hätte, Geld in das Schiff zu investieren, da "die Regierung keine Erfahrungen hat, wie man so ein Lokal betreibt". Es sei nicht praktikabel, das Schiff zu fördern. "Für viele Einwohner ist das ein großer Verlust, weil ein Teil der kollektiven Erinnerung gelöscht wird", kritisierte der Aktivist Oscar Lai die mangelnde Unterstützung der Regierung in der "Financial Times".
Laut "Financial Times" war es nicht das erste Mal, dass die Regierung ein Projekt fallen ließ. 2008 wurde der Queen’s Pier abgerissen, trotz großer öffentlicher Proteste. Der Pier war nicht nur öffentlich zugänglich, sondern auch wichtig für Zeremonien: Sämtliche Regierungschefs Hongkongs landeten seit 1925 an dem Pier, auch Königin Elizabeth II und Prinz Charles gingen bei ihren Besuchen im damaligen britischen Protektorat an dem Pier an Land. Die Regierung versprach, den Pier an anderer Stelle wieder aufzubauen, doch 14 Jahre später ist dies noch immer nicht passiert. Das Versprechen des Wiederaufbaus gab damals die Entwicklungsministerin: Carrie Lam.
Quellen: South China Morning Post (Bezahlinhalt), Financial Times, Hongkong Free Press, The Standard