Der Christopher Street Day hat in Berlin nach Veranstalterangaben 450.000 Menschen angelockt. Trotz tropischer Hitze hatten sich viele Drag- Queens wieder in aufwendige Abendkleider geworfen. Andere Besucher passten ihre Kleidung den hochsommerlichen Temperaturen an und tanzten ausschließlich mit hautengen Leder-Shorts und einer Federboa bekleidet über den Kurfürstendamm. "Verschiedenheit und Recht und Freiheit" lautete das diesjährige Motto bei der traditionelle CSD- Parade, mit der Lesben und Schwule für mehr Gleichberechtigung und größere Toleranz werben. Die Berliner Polizei wollte sich zu den Besucherzahlen nicht äußern.
Jährliche Demonstration
Mit dem CSD erinnern Schwule und Lesben jedes Jahr an die Polizeieinsätze gegen die Homosexuellen-Szene in New York im Juni 1969. Daher hat die Parade auch einen starken politischen Charakter - erstrecht, seit in einigen osteuropäischen Staaten zunehmend Repressalien und tätliche Übergriffe gegen Homosexuelle zu verzeichnen waren. So mischten sich auch zahlreiche Lesben und Schwule aus Polen unter die Teilnehmer, denn für sie ist Berlin eine Art liberale Zufluchtsstätte.
In der lettischen Hauptstadt Riga hatten erst am Samstag radikale Homosexuellen-Gegner Pfarrer und Politiker mit Fäkalien überschüttet. Die Rigaer Stadtverwaltung hatte im Gegensatz zu einer Entscheidung vom letzten Jahr diesmal eine Homosexuellen-Parade verboten. Als die Veranstalter stattdessen eine Pressekonferenz und einen Gottesdienst organisierten, kam es zu den tumultartigen Kampfszenen. Der deutsche Grünen-Politiker Volker Beck hatte wie andere internationale Politiker das Verbot der Parade kritisiert und von einer "Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention" gesprochen.
Zivilcouragepreis für Beck
Beck, der im Mai bei einer Schwulen-Demonstration in Moskau verletzt worden war und dafür in Berlin den Zivilcouragepreis des CSD erhält, sieht nicht nur die Situation in Osteuropa mit Sorge, sondern auch die Politik der Bundesregierung. "Gegenwärtig passiert im Bereich Schwulen- und Lesbenpolitik gar nichts", meinte er in Berlin.
Auch die bevorstehende Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus prägte die Parade. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt, zeigte ebenso Präsenz wie sein CDU-Gegenkandidat Friedbert Pflüger. Man solle Wowereit nicht wählen, bloß weil dieser schwul ist, sagte Pflüger.
Riesige Feier
Trotz der politischen Botschaft zeigte sich der CSD vor allem als große Party. Wummernde Discobeats und leicht bekleidete Tänzer erinnerten viele Beobachter an die Love Parade, die eine Woche zuvor durch den Tiergarten gezogen war. Von vielen Wagen wurde auch Kondome geworfen - ähnlich den "Kamelle" beim jährlichen Karnevalsumzug. Und auch die Fußball-Weltmeisterschaft zeigte ihre Nachwirkungen: Eine Drag-Queen präsentierte sich im Kunstrasen-Kleid mit Fußbällen als Brüsten, und der Wagen der Berliner Verkehrsbetriebe war mit Luftballons geschmückt - in den Farben schwarz, rot und gold.