Bahnreisende in Deutschland kennen das: Der Zug ist total überfüllt, alle Sitzplätze sind besetzt – bleibt nur, sich auf den Boden zu hocken. Dort fand sich am Samstag auch Klimaaktivistin Greta Thunberg wieder. Eigentlich keine große Geschichte.
Hätte die junge Schwedin nicht ein Foto dazu auf Twitter veröffentlicht.
Es folgen: Ein Aufschrei bei Twitter, Spott für die Deutsche Bahn, die später säuerlich reagieren wird, Schlagzeilen und eine Art Stellungnahme von Thunberg. Was ist passiert? Der Fahrplan einer Aufregungsspirale.
Samstag, 22.53 Uhr: Greta Thunberg postet ein Bild
Nach monatelangem Reisen und zwei Atlantik- Überquerungen auf Segeljachten ist die Klimaaktivistin Greta Thunberg nach eigenen Angaben auf dem Heimweg – "in überfüllten Zügen durch Deutschland", wie sie auf Twitter dazu schreibt. Dazu stellt die 16-jährige Schwedin ein Foto, das sie mit viel Gepäck auf dem Boden eines ICE zeigt. "Und ich bin endlich auf dem Heimweg!".
Auf Twitter reagieren viele Nutzer amüsiert. Spott über die Bahn, Zugverspätungen und überfüllte Züge gibt es dort viel. "Stell dich auf Verzögerungen ein", warnt jemand. Die ersten Berichte werden veröffentlicht, auch der stern greift das Posting von Thunberg und die Diskussionen darüber auf.
Sonntag, 8.13 Uhr: die erste Reaktion der Bahn
Kurz angebunden, aber Verbesserung lobend reagiert die Deutsche Bahn auf das Thunbergs Posting und den Spott vieler Twitter-Nutzer. Man wünsche der 16-Jährigen "eine gute Heimfahrt", schreibt der Konzern auf Twitter, "und arbeiten weiter hart an mehr Zügen, Verbindungen und Sitzplätzen."
Sonntag, 13.02 Uhr: die zweite Reaktion der Bahn
Der Spott für die Deutsche Bahn reißt in sozialen Netzwerken nicht ab. Der Konzern legt mit einer säuerlichen Reaktion nach und setzt zwei weitere Kurzbotschaften auf Twitter ab. Darin dankt die Deutsche Bahn der Klimaaktivisten, "dass Du uns Eisenbahner im Kampf gegen den Klimawandel unterstützt!"
Der Konzern macht publik, in welchem Zug die 16-Jährige gereist ist (ICE 74, dieser fährt von Zürich nach Kiel) und dass Thunberg in in der Ersten Klasse gereist sei. Sie sei "freundlich und kompetent (...) an Deinem Sitzplatz in der Ersten Klasse betreut worden".
Auch der stern berichtet über die Reaktion des Konzerns. Auf Nachfrage des stern und auch anderer Medien wollte die Bahn zunächst keine näheren Angaben machen. Etwa, woher die Informationen stammen, warum diese veröffentlicht wurden oder ob Thunberg eine eigene Sitzplatzreservierung gehabt habe – oder ob diese erst nachträglich von der Bahn ausgestellt wurde. Womöglich werde man zu einem späteren Zeitpunkt noch eine ausführlichere Pressemitteilung veröffentlichen, sagt ein Sprecher zum stern. Derweil folgen in sozialen Medien Kommentare, Thunberg habe die Öffentlichkeit getäuscht.
Sonntag, 14.25 Uhr: Greta Thunberg reagiert
Thunberg meldet sich zu den Diskussionen um das Bild im Allgemeinen und ihrer Bahnfahrt im Besonderen zu Wort. Via Twitter teilt sie in einer Kurzbotschaft mit, die an eine Art Stellungnahme erinnert: Ihr Zug von Basel aus sei ausgefallen, weshalb sie im Anschluss in zwei verschiedenen Zügen auf dem Boden gesessen habe. Hinter Göttingen habe sie schließlich einen Sitzplatz erhalten. "Das ist natürlich kein Problem und ich habe niemals gesagt, dass es eines wäre."
Sie konnte der Situation auch etwas Positives abgewinnen: "Überfüllte Züge sind ein großartiges Zeichen, weil das bedeutet, dass die Nachfrage nach Bahnreisen groß ist."
Sonntag, 14.34 Uhr: die dritte Reaktion der Bahn
Die Deutsche Bahn veröffentlicht eine Pressemitteilung. Der Titel:
Darin erklärt der Konzern, dass man "nach Recherchen zum Reiseverlauf" die Tweets veröffentlicht habe. Außerdem wird die Deutsche Bahn noch konkreter: Demnach sei Thunberg zwischen Kassel und Hamburg in der Ersten Klasse gereist. "Dort saßen nach Angaben unseres Bordpersonals bereits ab Frankfurt die Mitreisenden von Greta Thunberg", heißt es weiter. "Die Deutsche Bahn bedankt sich herzlich für die Unterstützung im Kampf gegen den Klimawandel."
Ein versöhnliches Ende?
Für Thunberg gehen jedenfalls viereinhalb Monate fernab der schwedischen Heimat zu Ende.
Anfang August war sie zunächst per Zug nach Lausanne in die Schweiz zu einer internationalen Konferenz der Klimabewegung "Fridays für Future" gereist. Von dort aus ging es weiter nach Plymouth, wo sie an Bord der Hochsee-Rennjacht "Malizia" in 14 Tagen über den Atlantik nach New York gebracht wurde. Auf der anderen Seite des Ozeans nahm die 16-Jährige unter anderem am UN-Klimagipfel in New York teil, ehe sie für Klimaproteste und andere Termine erst ins kanadische Montreal und dann quer durch die USA bis nach Los Angeles reiste. Von dort sollte es zur Weltklimakonferenz in Santiago de Chile weitergehen – daraus wurde aber nichts, weil Chile die Zusammenkunft wegen der Unruhen nicht ausrichten konnte. Stattdessen sprang Madrid ein – und Thunberg machte sich auf den Rückweg nach Europa. Per Katamaran gelangte sie von Virginia nach Lissabon und von dort rechtzeitig zu einem großen Klimaprotest am 6. Dezember nach Madrid. Auf dem Weg zurück nach Schweden legte sie am Freitag einen kurzen Zwischenstopp in Turin in Italien ein. Von ihrer Familie war auf der großen Reise nur Vater Svante dabei, zu Hause erwartet sie nun das Wiedersehen mit ihrer Mutter Malena Ernman sowie ihrer Schwester und den beiden Familienhunden.
Und sicherlich zunächst keine größere Zugreise mehr.
Quellen: Twitter (Deutsche Bahn / Greta Thunberg), Pressemitteilung der Deutschen Bahn, Zuglink.de, mit Material der Nachrichtenagentur DPA