"Unsere Loks gewöhnen sich das Rauchen ab" - dieser Werbeslogan der Deutschen Bundesbahn von 1968 begründete das schöne Image der umweltfreundlichen Bahn, das sie bis heute aufwändig pflegt: "Bahnfahren ist Umweltschutz". Das ist in den Köpfen der Bundesbürger drin. Man glaubt es gern, auch das vielleicht noch: "Wir wollen Umweltvorreiter werden und setzen dafür Maßstäbe in allen Bereichen. So fahren heute bereits rund 140 Millionen Reisende im Fernverkehr mit 100 Prozent Ökostrom."
Mit dem Bahnfahren, das suggerieren die Imagekampagnen des Konzerns, rettet man das Klima. Die Bahn schafft, woran die Politik so kläglich versagt: die Energie- und Verkehrswende. Der Eisbär auf seiner schmelzenden Eisscholle muss diesem Klimaretter dankbar sein. Tatsächlich?
Deutschlands größter Stromverbraucher
Sie benötigt im Jahr mehr Strom als die Metropole Berlin. Um die Züge ins Rollen zu bringen und zu halten, verbraucht der Konzern um die 18 Milliarden Kilowattstunden.
Ihr Fernverkehr, sagt die Bahn stolz, fährt mit Ökostrom. Allerdings: Der Fernverkehr ist die fast kleinste Sparte im Konzern. Und der dort konkret verbrauchte Ökostrom kann sehr wohl Strom aus Atomkraftwerken sein. Ökostrom für die Fernzüge heißt lediglich: Die Bahn kauft genau so viel elektrische Energie aus erneuerbaren Quellen ein, wie sie im angeblich so sauberen Fernverkehr verbraucht.

Außerdem ist die Bahn, worüber sie nicht so gern spricht, Mitbesitzerin eines Atomkraftwerks, des AKWs Neckarwestheim, das zu den größten Kraftwerken Deutschlands gehört, uralt und einer der gefährlichsten Atommeiler in Deutschland ist – Risse in Rohren und Störfälle (über 500 seit der Inbetriebnahme 1976) sorgen immer wieder für Angst bei Anwohnern. Vor ein paar Jahren kommentierte Tobias Riedl, Atomexperte bei Greenpeace, dieses Greenwashing des DB-Konzerns so: "Die Bahn inszeniert sich gern als umweltfreundliches Unternehmen, doch in Wahrheit ist sie eine Atombahn."
Und vielleicht muss man auch daran erinnern: Im August 2010, wenige Monate bevor es in Fukushima zum atomaren GAU kam, war Bahnchef Rüdiger Grube einer der 40 Erstunterzeichner des "Energiepolitischen Appells" deutscher Manager, die sich öffentlich für eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken stark machten.

Keine 60 Prozent des Schienennetzes sind elektrifiziert
Da war er sehr fix. Aber bei der Bahn fehlt das für das 21. Jahrhundert Selbstverständlichste: Nicht mal 60 Prozent des Schienennetzes sind elektrifiziert, und es fehlt auch der Wille, dies zu ändern: Von 2005 bis 2010 stieg der Anteil der elektrifizierten Strecken um gerade mal 0,4 Prozent pro Jahr.

Und auch der Eigentümer, der Staat, forciert das Selbstverständliche nicht. Er unterstützt vielmehr Fragwürdiges: Die Autobahnen sind total überlastet, aber die Bundesregierung steckt ziemlich viel Geld in Zug-Imitationen – LKWs mit Stromoberleitungen. Was nicht nur unästhetisch aussieht, sondern auch ökologisch fragwürdig ist und garantiert keinen Stau verhindert. Und überdies die Autobahnen demoliert: Ein LKW belastet die Straße so sehr wie 100.000 PKWs. Aber egal, auf Teufel komm raus muss man im Autoland offenbar am LKW festhalten. Und: DB Schenker macht mit bei diesen Versuchen, die garantiert nicht mehr Fracht auf die Schiene bringen:
Im schwarzgrünen Hessen rollen seit Mai 2019 auf der A5 bei Langenfeld/Mörfelden die ersten elektrisch betriebenen Lastwagen. Diese E-Laster docken – ähnlich wie Züge auf Gleisen – an die Oberleitungen an. Ärgerlich: Seit Jahren soll parallel zu dieser LKW-Testbahn eine Zugstrecke ausgebaut werden – was bisher an Geldmangel gescheitert ist. Aber für diese Güterzugimitationen auf Gummirädern gibt es Geld aus der Staatskasse – 14,6 Millionen Euro.
Und auch im schwarzgrüngelben Schleswig-Holstein gibt es nun eine Teststrecke für E-Lastwagen. Sie ist fünf Kilometer lang, alle paar Meter stehen klobige Masten, in einer Höhe von ein paar Metern hängen die Stromdrähte über der Autobahn. 19 Millionen Euro lässt sich der Bund diesen Unfug kosten, für den eine Fahrspur geopfert wird.
Im grünschwarzen Baden-Württemberg geschieht etwas besonders Verrücktes: Dort soll auf einer Bundesstraße die Tauglichkeit für Ortsdurchfahrten geprobt werden. Insgesamt 50 Millionen Euro steckt das Bundesumweltministerium in diese LKW-Tests mit Stromoberleitungen.
Kein Geld für die Elektrifizierung
Der Bund der Steuerzahler ist in der Vergangenheit eher selten durch kluge ökologische Gedanken aufgefallen. Aber diese Tests findet auch dieser Verein mehr als sonderbar, auf jeden Fall sei es rausgeworfenes Geld. "Es wäre besser, das Geld in den Ausbau des Schienennetzes zu stecken", sagt Rainer Kersten, der Landesgeschäftsführer von Schleswig-Holstein: "Ein leistungsfähigerer Schienengüterverkehr auf elektrifizierten Strecken würde den Ausstoß von Kohlendioxid stärker reduzieren und die Straßen nachhaltiger entlasten."

Aber das Geld für die Elektrifizierung von richtigen und wichtigen Bahnstrecken, etwa für den Ausbau der Strecke Chemnitz – Leipzig oder für die international wichtige Verbindung Nürnberg – Prag: Dieses Geld fehlt. Oder es wird irgendwo anders verplempert.
Übrigens: Auf der tschechischen Seite gibt es bis zur Grenze Strom für die Züge, schon seit Jahren.
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