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Schwarzwald Einfach mal rübermachen

Mehr als nur ein gemütliches Mittelgebirge: Wer den Schwarzwald neu erfahren möchte, setze sich auf ein Mountainbike und überquere ihn von Nord nach Süd.
Von Johannes Schweikle

Es hat geregnet über Nacht. Die Wurzeln auf dem schmalen Pfad sind noch glitschiger als die Steine. "Heute wird es megafies", sagt Kalle und klickt sich in die Pedale. Zehn Kilometer Abfahrt liegen vor uns, hinunter ins Glottertal, zur Schwarzwaldklinik.

Kalle Weiss, 23, studiert Maschinenbau in Stuttgart, die Stabilität von Aluminiumrahmen aber testet er am liebsten in der Praxis. Der Singletrail vor ihm - ein Pfad mit Platz für nur einen Biker - ist nicht breiter als der Lenker. In Zeitlupe balanciert Kalle durch Serpentinen. Plötzlich beschleunigt er, springt über einen Holzabfuhrweg, fliegt sieben Meter und landet weich auf Moos.

Doch dann fädelt er ein. Das Wasser hat eine Rinne in den Waldboden gespült, Kalle ist zu schnell, um sein Vorderrad noch herauszubekommen. Statt eine Rechtskurve zu fahren, landet er links an einer Fichte. Zweige bremsen den Sturz. Kalle rappelt sich auf, beäugt sein Rad und tastet die Beine ab. Der Lenker hat sich bei der Landung in seinen Schenkel gebohrt. "Das spüre ich erst morgen", sagt er.

Willkommen im Schwarzwald, dem unterschätzten Mittelgebirge, das wir von Nord nach Süd durchqueren wollen. Mit mehr als 8000 ausgeschilderten Kilometern für Mountainbiker, die Singletrails nicht mitgezählt.

Ein Vorteil: Fast alle Wege sind befahrbar

Der Schwarzwald lässt sich in verschiedenen Härtegraden überqueren. Das Rennen "Trans Schwarzwald" führt in sieben Etappen von Pforzheim nach Murg-Niederhof am Rhein. Da fahren Cracks mit wie Sabine Spitz, Olympiasiegerin im Mountainbiken. Wir haben für den Anfang die Route "Bike Crossing Schwarzwald" gewählt. Gut ausgeschildert führt sie von Pforzheim nach Bad Säckingen an der Schweizer Grenze: 450 Kilometer und 16.000 Höhenmeter in vier Tagen.

Wer sich mit dem Rad auf den Schwarzwald einlässt, macht jede Menge Entdeckungen. Er merkt bald, dass dieses romantische Waldgebirge mehr zu bieten hat als Kirschtorte und Kuckucksuhr. Bei der Abfahrt ins Murgtal führt der Weg an Felsnadeln vorbei, die schroff aus dem dunklen Wald ragen. Einer Tanne ist es gelungen, auf den bemoosten Steinen Wurzeln zu schlagen. Daneben ragt ein morscher Aussichtspavillon aus dem geheimnisvollen Nebel.

Oder Wildbad: Dort war im 19. Jahrhundert der Opernkomponist Gioachino Rossini zur Kur, und der König von Württemberg ließ ein Thermalbad im maurischen Stil erbauen. Lange bevor es das Wort Wellness gab, reiste der europäische Hochadel zur Erholung in dieses enge Tal. Später kamen dann deutsche Kassenpatienten. Die alte Pracht des Badepalastes wurde vor einigen Jahren liebevoll restauriert. Nach einer Etappe auf dem Rad erholen sich die malträtierten Knochen im heißen Wasser der Fürstenbäder, das Auge erfreut sich an verspielten Nischen mit Säulen und Arabesken.

Der Schwarzwald hat eine lange touristische Tradition. In den Etappenorten ist das ein Vorteil: Das Angebot an Unterkünften reicht von urigen Hütten bis zu Ferienhotels der Extraklasse. Im "Bareiss" in Baiersbronn spritzt ein Portier die schlammverkrusteten Räder ab, nach dem Zwiebelrostbraten mit Spätzle in der rustikalen Stube und einem Single Malt an der Bar liegen Trikots und Hosen frisch gewaschen und getrocknet auf dem Zimmer. Am nächsten Morgen sagt Manuel beim Frühstück: "Ich brauch eine Landkarte. Sonst verlaufe ich mich am Büfett."

Vorteil für Mountainbiker

Der nördliche Teil des Mittelgebirges ist von rauer Schönheit, die Lebensart geprägt von protestantischen Schwaben. Die Menschen lebten traditionell vom Holz. In den dunklen Wäldern bauten Köhler ihre Meiler, auf Bächen schafften Flößer die gefällten Tannen mühevoll ins Tal. Im Südschwarzwald kommen die Biker auf badisches Gebiet. Hier sind die Leute katholisch, die Landschaft wird lieblicher. Im Markgräfler Land führen die Abfahrten hinunter in die Weinberge.

Spektakuläre Grate und dramatische Felsgipfel hat der Schwarzwald nicht zu bieten. Seine höchsten Berge sind rundlich, baumlos und grasbewachsen. Für Mountainbiker hat dies einen großen Vorteil: Fast alle Wege sind befahrbar. Man muss hier nicht wie auf den harten Transalp-Routen das Rad stundenlang schieben oder den Berg hochtragen.

Beim Schwarzwald-Cross schaffen wir es bis auf die höchsten Berge, ohne aus dem Sattel zu steigen. Auf dem 1414 Meter hohen Belchen bietet sich das schönste Panorama der ganzen Tour. Links der Feldberg, in der Mitte die Schwarzwaldgipfel bis zum Schweizer Jura, weichgezeichnet vom Hochnebel in den dunkel bewaldeten Mulden. Und rechts die tiefen Täler, hinab zur breiten Rheinebene. Auf der anderen Seite ragen die Vogesen in den Horizont.

"Das Problem im Schwarzwald ist es, die richtigen Wege zu finden", sagt Florian Kern, "es gibt so viele." Kern ist ausgebildeter Bergführer und lebt in Schonach. Im Winter schwingt er mit Skifahrern durch den Tiefschnee zwischen Chamonix und Kamtschatka, im Sommer führt er Mountainbiker. "GPS funktioniert im Wald nicht verlässlich", weiß er aus Erfahrung. Auch eine detaillierte Karte hilft nicht immer. Es gibt so viele Holzabfuhrwege, die im Nirgendwo enden. "Und wenn du dich an der falschen Stelle vertust, musst du 800 Höhenmeter wieder hochkurbeln."

Bis an die Grenzen

Im Schwarzwald ist also stets mit einem Anstieg zu rechnen. Da kann auch ein Mountainbike-Guide nicht immer helfen. Aber er kennt die Wege zu mehr Fahrspaß. Unser ausgeschilderter Schwarzwald-Cross verläuft meist auf technisch nicht übermäßig schwierigen Schotterwegen. Auf der dritten Etappe verlassen wir die Route und lassen uns von Florian Kern führen. Der kennt all die Singletrails, von den garstigen, die mit großen Steinen verblockt sind, bis zu den angenehmen, die sich kilometerlang über eine Talschulter schlängeln.

Aber wer hier zu früh an die Vesperstube denkt, die bald kommen soll, hat verloren, denn das nächste Wurzelbrett kommt bestimmt. Stephan musste sich schon nach der ersten Etappe einen neuen Sattel besorgen, bei einem Sturz hatte sich das Gestell verbogen. Manuel kämpft mit Schmerzen am Knie, und Kalle ist hinter Freiburg so platt, dass er kaum noch die asphaltierte Straße schafft, obwohl die so gut wie eben verläuft.

"Morgen beginnt der Anstieg gleich nach dem Frühstück", warnt Florian Kern im Simonswälder Tal. "Da geht's an einem Stück 20 Kilometer bergauf." Er grinst. Und dann setzt er zufrieden hinzu: "Der Schwarzwald reicht, um an seine Grenzen zu kommen."

Weitere Infos
Die Route Bike Crossing Schwarzwald geht los in Pforzheim und führt von dort in sieben bis acht Tagesetappen bis nach Bad Säckingen an der Schweizer Grenze - über 450 Kilometer und 16.000 Höhenmeter. Beide Orte sind mit der Bahn zu erreichen. Die Strecke ist gut ausgeschildert, einen Führer (88 Seiten, detaillierte Karten) gibt es für 12,80 Euro bei: Frank Ruppenthal GmbH, Rintheimer Hauptstr. 81 b in 76131 Karlsruhe, Tel.: 0721/96119-0, Fax: 0721/96119-55, www.outdoor-direkt.com. Weitere Infos auf www.bike-crossing-schwarzwald.info
Eine geführte Tour über fünf Etappen (350 Kilometer und 8000 Höhenmeter) bietet der Veranstalter BiTou; ab 629 Euro (inklusive Gepäcktransport und Bustransfer zurück zum Ausgangspunkt Pforzheim): BiTou GmbH, Ballrechterstr. 4 in 79219 Staufen, Tel.: 07633/808866, Fax: 07633/808865, www.bitou.eu
Das Mountainbikerennen "Trans Schwarzwald" führt vom 9. bis zum 15. August 2009 in sieben Etappen von Pforzheim nach Murg-Niederhof am Rhein. Die Teilnahmegebühr beträgt 449 Euro; Informationen und Anmeldung bei: Sauser Sport & Event Management, Schulstr. 4 in 78166 Donaueschingen, Tel.: 0771/896780, Fax: 0771/8986789, www.trans-schwarzwald.com
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