Überall auf der Welt sind Häuser in sonnenverwöhnten Gebieten weiß gestrichen - so sollen sie die Hitze besser reflektieren. Anders in Willemstad, der Hauptstadt der Tropeninsel Curaçao. Hier schimmern sämtliche Fassaden in bonbonzarten Pastelltönen. Das war nicht immer so. Bis ins frühe 19. Jahrhundert waren auch in Willemstad die Häuser weiß. Doch 1817 machte ein exzentrischer Gouverneur das blendende Weiß für seine chronischen Kopfschmerzen verantwortlich. In einem Anfall befahl er, alle Gebäude in unterschiedlichen Farben zu streichen. Ob es geholfen hat, ist nicht überliefert. 1997 erklärte die Unesco das farbenfrohe Stadtbild zum Weltkulturerbe. So werden vermutlich auch in naher Zukunft keine riesigen, weißen Hotelbetonburgen die Postkartenidylle verschandeln.
Eine Besonderheit der kleinen Städtchens ist der schwimmende Markt. Vor der schlichten Königin Wilhelmina Brücke schaukeln venezolanische Küstenboote. Weil in dem trockenen Klima Obst und Gemüse nur mit großer Mühe gedeihen, wird der Großteil importiert. Unter bunten Sonnensegeln verkaufen Händler exotische Früchte und fangfrischen Fisch. Lautstark preisen sie ihre Produkte an und bieten kleine Stücke zuckersüßer Bananen zum Probieren an.
Mit karibischen Gerichten für wenig Geld kann man sich im Marshé, der alten Markthalle, stärken. In großen Pfannen brutzeln verschiedene, deftige Eintöpfe. Kreolischer Reis mit Bohnen, gebackene Bananen, Ziegenfleisch und verschiedene Fischvariationen sind ein typisches Mittagessen der Einheimischen. Mutige wagen sich an Leguangulasch (Iguana-Stew), das nach Hühnchen schmecken soll.
Kräuter kurieren jedes Wehwehchen
"Ist er die Liebe meines Lebens?" Diese Frage kann Dinah Veeris zwar nicht beantworten. Aber sie weiß, wie man es herausfindet. Sie zupft ein unscheinbares, grünes Blatt von einem Busch. "Schreib den Namen des Angebeteten drauf, steck es zwischen die Seiten deines Lieblingsbuches und warte". Sie lächelt geheimnisvoll. Treibt es aus, erwidert er die Liebe, ansonsten sollte man sich einen Neuen suchen. "Aber wenn er der Richtige ist, dann habe ich noch etwas, was das Feuer richtig lodern lässt."
In ihrem Kräutergarten finden nicht nur Verliebte Hilfe. Dinah Veeris ist eine Koriphähe in Sachen Kräutern. Jahrelang reiste sie um die Welt, um das jahrtausendealte, oft vergessene Wissen über die Heilkräfte der Natur zu lernen. In "Den Paradera" - dem Ort, wo man sich wohl fühlt - wachsen jetzt Pflanzen gegen fast alle Beschwerden und Wehwehchen und in ihrem kleinen Laden kann man die Pillen und Pülverchen kaufen. So soll "Papa John's" gegen Vergesslichkeit helfen und eine braune Paste gegen graue Haare. Dabei ist Dinah keine komische Kräuterhexe oder esoterisch angehauchte Lifestyle-Heilerin. "Die richtigen Doktoren respektieren mich mittlerweile und schicken Patienten zu mir", sagt sie stolz. Ihren klugen Augen und ihrer überlegenen Ruhe würde man sich sofort bedenkenlos anvertrauen.
Die Insel der Herzen
Viele haben schon ihr Herz an die kleine Karibikinsel verloren. Zum Beispiel die Holländerin Ellemieke van Beek. Mit 30 hatte sie alles erreicht, was gemeinhin als erstrebenswert gilt: Karriere, Haus, Auto. Als sie eine Nichte auf Curaçao besuchte, entschied sie spontan: Hier bleibe ich. Jetzt führt sie Gäste auf Mountain-Bikes über die Insel. Über rasante Abhänge zu verschwiegenen Buchten, vorbei an alten Sklavenhäusern und adretten, ockerfarbenen Landhäusern mit den typisch holländischen Giebeln. Mit etwas Glück sieht man seltene Flamingos an der Salinja St. Marie oder die noch selteneren Meeresschildkröten, die nachts zum Eierlegen an den Strand kommen.
Oder Han, der seinen gutbezahlten Job bei HP aufgegeben hat, um sich dem Christoffel-Nationalpark zu widmen. Mit seinem Jeep holt er Touristen aus ihren Hotels ab, um ihnen die schroffe Schönheit des Hinterlandes zu zeigen. In der trockenen Steppenlandschaft wachsen Riesenkakteen und bizarr gezeichnete Pockennarbenbäume, deren Holz so schwer und dicht ist, dass es im Wasser untergeht. Winzige Kolibris und die typisch grünen Inselpapageien sind ständige Begleiter auf dem kurzen, aber anstrengendem Weg zum Gipfel des Mount Christoffel, der mit seinen 375 Metern Höhe die Insel überragt. Die Mühe lohnt sich, den der Blick von oben auf die leuchtenden Buchten und das schimmernde, türkisblaue Wasser ist atemberaubend. Vielleicht liegt es wirklich am Namen: Curaçao soll vom spanischen Wort für Herz "corazón" kommen.
Sklaven - Curaçaos dunkle Seite
Curaçao wurde vom Sklavenhandel geprägt. Von Afrika kommend, machten die großen Handelsschiffe auf der Karibikinsel Station, um die Sklaven, die die oftmals mehrmonatige Überfahrt überlebt hatten, für den amerikanischen Markt herzurichten. Um die abgemergelten Körper möglichst schnell wieder stark und gesund aussehen zu lassen, bekamen die Geschundenen "Fungie" - einen kalorienhaltigen Hirsebrei. Das ehemalige Sklavenessen wird heute als beliebte Beilage in vielen Restaurants serviert.
Auf der ganzen Insel erinnern steinerne Zeugnisse an diese Zeit. Unschuldig steht ein Türmchen aus hellen Steinen in der sengenden Sonne. Seine grausame Funktion als Marterpfahl für entlaufene Sklaven ist ihm nicht anzusehen. "Sklaverei ist ein Teil meiner Geschichte", sagt Eliza Thodé, die junge, farbige Führerin im Kura Hulanda Museum, deren Ur- Urgroßeltern noch Sklaven waren. Das Museum bietet einen umfassenden Überblick über die Kultur der verschleppten Völker und die Geschichte des Sklavenhandels. Im nachgebauten Rumpf eines Sklavenschiffes können Besucher sich einmal selbst an die Ketten legen und sich die grausame Tortur des wochenlangen Transports ausmalen.
Faszinierende Unterwasserwelt
Es heisst, dass viele Einheimische die nasse Seite ihrer Insel besser kennen als die trockene. Wer einmal zwischen riesigen, blau leuchtenden Papageienfischen und ihren quietschbunten Artgenossen geschwommen ist, kann das nachvollziehen. Filigrane Korallenriffe, grün phosphoreszierende Schwämme und bizarr geformte Algen ziehen den Unterwasserbesucher in ihren Bann. Manchmal sorgen Haie für gruselige Sekunden. "Keine Angst, die haben keinen Appetit auf Sonnenbrand", scherzt Tauchlehrer Kevin. "Die haben genug Nahrung und sind satt." Er muss es wissen, schließlich ist er auf Curaçao aufgewachsen, schwamm wie ein Fisch längst bevor er laufen konnte. Er kennt das marine Leben wie kaum ein anderer.
Reisetipps
Sprache
Niederländisch ist zwar die offizielle Amtssprache, die Einheimischen verständigen sich aber auf Papamiento. Englisch oder Spanisch werden auch verstanden.
Geld
Währung ist der Netherlands Antilles Guilder (Nafl oder Afl). US-Dollar werden in der Regel akzeptiert. Euro werden nur in bestimmten Geschäften genommen. Das Zahlen mit Kredit- oder EC-Karten ist fast überall möglich.
Anreise
Von und nach Amsterdam fliegt täglich eine KLM-Maschine. Ansonsten landen Flieger aus den USA, Venezuela und Kolumbien.
Klima
Curaçao 12° nördlich vom Äquator und außerhalb des Hurrikangürtels. Das ganze Jahr scheint die Sonne. Der beständig wehende Passatwind macht die Hitze erträglich. Die durchschnittliche Jahrestemperatur beträgt 27,5°. Im Sommer ist es nur 2° heißer als im Winter. Der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht beträgt 5,6°. Das Meerwasser ist mit 26,8° angenehm warm.
Hotels
Neben den großen Hotelketten gibt es zahlreiche, sehr hübsche Hotels, die in Einzelregie geführt werden. Das Kura Hulanda Hotel liegt direkt in Willemstad, sehr liebevoll und mit viel Geschmack gestaltet. Das Kura Hulanda Beach Ressort ist das Schwesterhotel, das im Westen der Insel liegt. Das Lions Dive & Beach Ressort ist drei Kilometer von der Stadt entfernt direkt am Strand. Das Avila Beach Hotel liegt in Willemstad und hat seinen eigenen Strand.
Aktivitäten
Kura Hulanda Museum
Viele Hotels verleihen Tauch- und Schnorchelausrüstung. Tauchschulen bieten Tauchgänge an Ocean Encounters, Dive City. Mit Delfinen schwimmen kann man bei der Dolphin Academy. Curacao-Aktief bietet sportlichen und abenteuerlustigen Besuchern ein breites Programm.
Weitere Informationen
Aber man muss nicht gleich auf den Meeresgrund, um die Faszination zu spüren. Durch das glasklare Wasser kann man auch mit Taucherbrille und Schnorchel das verborgene Treiben der Meeresbewohner beobachten. In der Caracas Bay lädt ein knapp unter der Wasseroberfläche liegendes Wrack zur visuellen Schatzsuche ein. Und ein paar Brotkrümel locken ganze Schwärme gieriger Fische aus der Tiefe. Die fütternde Hand sollte immer in Bewegung bleiben, denn auch unter Wasser gilt: Vorsicht bissig!
Blauer Bitterorangen-Likör
Exotisch und farbenfroh wie die Insel selbst ist auch der Likör Curaçao, der aus Bitterorangen auf der Insel hergestellt wird. In den Farben rot, orange, grün oder eben dem typischen Blau peppt er viele Cocktails auf. Ein "Purple Rain", ein federleichter Cocktail aus blauem Curaçao, ein Schuss Vodka, Cranberry- und Zitronensaft, ist der perfekte Auftakt für eine karibische Nacht.
Denn auch abends vibriert das Leben: Livebands spielen an verschiedenen Strandabschnitten - wie dem Mambo Beach - und beweisen, dass der Reggae in der Karibik geboren wurde. Ein paar Meter weiter locken heiße Latin-Rhytmen. Und nach einem süffigen Inselbier, wagen sogar kühle Nordeuropäer einen kessen Hüftschwung.