Grüne Palme für Futouris Wie ein Verein die Reisebranche aufmischt

Von Michael Friedrich
Nur intakte Länder sind gute Reiseziele. Deshalb muss der Tourismus mehr Verantwortung für die Umwelt übernehmen. Futouris unterstützt weltweit Projekte. Dafür erhält der Verein die Grüne Palme 2014.

Der Vorstandsvorsitzende fährt mit dem Fahrrad vor. Dicke Handschuhe trägt er gegen die feuchte Kälte, über Jeans und kariertem Hemd ein schmal geschnittener Mantel, an den Füßen Sneakers mit leuchtend grünen Schnürsenkeln. Eher sportlich als repräsentativ, der Mann. "Ein Auto habe ich nie besessen", sagt Andreas Koch. Dazu liege ihm seine persönliche Klimabilanz zu sehr am Herzen. Und nicht nur die: Die deutsche Tourismusindustrie Schritt für Schritt auf Nachhaltigkeit zu trimmen - so lautet das ehrgeizige Ziel des 44-Jährigen.

Eine Herkules-Aufgabe bei tausenden Veranstaltern und Reisebüros und einem Markt von mehr als 25 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2013 allein in Deutschland. Der studierte Biologe und ehrenamtliche Vorstand von Futouris strahlt dennoch gut geerdeten Optimismus aus. Koch, damals Umweltbeauftragter von Tui Deutschland, rief den Verein 2009 mit ins Leben. Inzwischen ist er zu einer weithin anerkannten Nachhaltigkeitsinitiative der deutschen Tourismusbranche herangewachsen.

"Nachhaltigkeit zum Anfassen"

"Futouristen" nennen sich die zahlenden Mitglieder, darunter diverse Tui-Töchter und weitere Schwergewichte von Thomas Cook über Aida bis zu Reisebüros. Zusammen haben sie weltweit Projekte unter anderem für Umweltschutz und Bildung an den Start gebracht. "Nachhaltigkeit zum Anfassen", erklärt Andreas Koch das Prinzip. Reisende können diese Projekte deshalb im Urlaub besuchen.

Vor allem aber sollen die Menschen vor Ort davon profitieren: ob vom Korallenschutz in Curaçao oder der Rettung von Tempeln in Kambodscha. Ob durch Schulung von Bike-Guides in den Townships von Kapstadt oder die Ausbildung von Waisenkindern in Thailand. Für all diese Projekte übernehmen Futouris-Partner eine Patenschaft, damit ihre Mitarbeiter die Kunden am Schalter besser für nachhaltige Reisen begeistern können. "Es muss für alle eine Herzenssache werden. Nur so können wir die Welt verändern", sagt Koch.

Ausgezeichnet von "Geo Saison"

Für dieses Engagement aus der Mitte der Tourismusbranche zeichnet die Reisezeitschrift "Geo Saison" Futouris mit der Grünen Palme aus - auch als Ermutigung für die gesamte Reiseindustrie, Nachhaltigkeit zu einem zentralen Aspekt ihres Geschäfts zu machen.

Damit die Futouris-Projekte nicht nur durch die Branchenbrille betrachtet werden, lässt der Verein alles von hochkarätigen Wissenschaftlern begutachten. Stefan Gössling zum Beispiel. Der Experte für Klimawandel und nachhaltigen Tourismus ist Professor an der Universität Lund in Schweden und liegt als kritischer Kopf oft im Clinch mit der Branche.

"Bei Futouris", so hofft er, "lässt sich was bewegen, dort kommen Wirtschaft und Wissenschaft zusammen." Als man ihn in den wissenschaftlichen Beirat bat, habe er sich zwar zuerst gefragt, ob er nur als grünes Feigenblatt für Branchenriesen wie Tui dienen solle. Doch letztlich ist er überzeugt: "Die Großen müssen mit ins Boot. Sie haben bei ihren Kunden und Partnern die nötige Hebelwirkung, um etwas für Umwelt- und Klimaschutz zu bewegen. Nur durch Kooperation finden wir richtige Lösungen."

Juist will klimaneutral werden

Wirklicher Fortschritt sei allerdings auch dringend nötig, findet er. Wenn die Branche sich nicht wandle, werde sie ihre eigenen Grundlagen zerstören - nicht zuletzt eine intakte Natur, die auch infolge der steigenden Treibhausgasemissionen durch Flugreisen vom Klimawandel bedroht ist.

Übernommen aus:

Geo Saison, Heft April 2014, ab sofort für 6 Euro am Kiosk. Hier finden Sie auch die Preisträger der Golden Palme, den besten Veranstaltreisen 2014.

"Gerade bei einem Thema wie Reisen, auf die sich die Menschen schon lange vorher freuen, müssen wir positive Beispiele kommunizieren", sagt Stefan Gössling. Die "Klimainsel Juist" etwa: Bis 2030 will die Nordseeinsel "klimaneutral" werden, sich allein mit erneuerbaren Energien versorgen und sogar die Klimagasemissionen der Gäste bei An- und Abreise kompensieren können. Ein Vorhaben, das die Futouris-Wissenschaftler bis Ende 2013 zwei Jahre begleitet haben. Nächste Stufe ist ein "Masterplan" für Juist, den dann auch viele andere Inseln als Kopiervorlage nutzen können. "Juist jedenfalls ist auf einem guten Weg", sagt Gössling.

Grenzüberschreitender Naturschutz

Als großes Branchenprojekt für 2014 und 2015 begleiten die Futouris-Mitglieder "die Entwicklung des grenzüberschreitenden Naturschutzgebiets Kavango-Zambesi im südlichen Afrika", erzählt Andreas Koch. Die Touristiker mit ihrer Expertise wollen Safari-Lodges in der Schutzzone dabei helfen, nachhaltig zu werden - als Blaupause für Lodges weltweit.

Bis die Tourismusindustrie zur nachhaltigen Branche umgebaut ist, bleibt noch ein weiter Weg. "Wir müssen alle auf diese Reise mitnehmen", sagt Koch, "kleine Spezialveranstalter und die ganz Großen." Wenn die Branche erst in Bewegung geraten sei, werde dieser Schwung unaufhaltsam, glaubt der Biologe. Denn auch hier wirkten schließlich Prinzipien aus der Naturwissenschaft: Masse ≈ Beschleunigung = Energie.

Er selbst hat kurz vor der "Internationalen Tourismus-Börse" in Berlin den Vereinsvorsitz nach fünf Jahren abgegeben. Nun macht er sich wieder per Rad auf den Weg zur Arbeit - Koch berät inzwischen mit seiner eigenen Firma Hotels beim umweltfreundlichen Umbau. Bezahlt wird er mit einem Teil der eingesparten Energie- und Wasserkosten. Das lohnt sich. Langfristig, so sehen es Andreas Koch und Stefan Gössling von Futouris, rechnet sich Nachhaltigkeit für alle. Für einzelne Hotels. Und für die ganze Branche.

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