Malibu Mit Stars auf einer Wellenlänge

Von Katharina Seeweg
Zwischen dem Pazifik und den Bergen Santa Monicas lässt sich weitaus mehr entdecken als Prominente im Supermarkt: eine kalifornische Strandstadt mit exzentrischen Bewohnern. Ein Blick in den Alltag Malibus - mit Normalos und Stars.

Als Jefferson Wagner aufhörte, der Marlboro Man zu sein, und nur noch gelegentlich Clint Eastwood doubelte, war die Zeit für ihn reif, das Bürgermeisteramt von Malibu zu übernehmen. Dass Wagner zu seiner Film- noch eine Surfkarriere vorweisen konnte, dürfte seine Wahl durchaus befördert haben. In seinem Surfshop, dem ältesten Malibus, lassen sich Sportler von Weltrang ihre Bretter von Hand fräsen. "Zuma Jay" nennen viele Malibuiten ihren Bürgermeister, nach einem der Strände vor der Stadt. Auf seinem Surfboard macht der 57-jährige Kalifornier mit dem kurzen grauen Haar eine überaus elegante Figur. Stolz streckt Wagner seinen vernarbten Daumen in die Höhe, zum Beweis, wie ernst es ihm mit dem Surfen ist. "Der Haizahn ging auf der Vorderseite rein und kam oben wieder raus!" Und seit er vor etlichen Jahren den "Clint Eastwood Lookalike-Contest" gewann, vollführt er alle Eastwood-Stunts – bis heute.

Nun ist Malibu nicht nur dafür bekannt, dass es in den Dreißigern zum Spielplatz der Surf-Pioniere wurde, sondern auch dafür, dass hier, 45 Kilometer westlich von Hollywood, jede Menge Stars wohnen – und zwar in der sogenannten "Movie Colony", einer Reihe von Holzhäusern direkt am Strand (dahinter rauscht statt des Meeres der Verkehr auf dem Pacific Coast Highway). Jennifer Aniston, Robert Redford, Danny de Vito, Dustin Hoffman, Mel Gibson, Miley Cyrus, Whoopie Goldberg, Bob Dylan, Janet Jackson oder Pamela Anderson besitzen Häuser am Ozean. Matthew McConaughey blickt von seiner Villa auf die Klippen von Point Dume, Thomas Gottschalk lebt mit seiner Familie in einer restaurierten Mühle in den Hügeln mit Meerblick. Und wenn in der Movie Colony Halloween gefeiert wird, kann es schon passieren, dass sich Familie Jolie-Pitt mit grau gefärbten Haaren, blutverschmierten Augen und im grell orangefarbenen Outfit der Yo-Gabba-Gabba-Kinderfernsehshow unter die Partygäste mischt.

Von der Terrasse aus die Delfine beobachten

Seit ich nach Malibu zu meinem Freund gezogen bin, denken meine deutschen Bekannten und Kollegen, dass ich den ganzen Tag nur Champagner trinke. Es stimmt schon, dass ich das Leben am Meer genieße, zum Beispiel im Restaurant "Geoffrey’s". Abends essen hier tatsächlich viele Prominente, aber ich komme sonntags mittags zum Brunch, wegen der leckeren Salate und der Terrasse am Wasser. Viel spannender als den Auftrieb der VIPs finde ich die Delfine – wo sonst kann man sie von seinem Esstisch aus springen oder Finnwal-Kälber Saltos üben sehen? Wenn das Wetter es zulässt, paddle ich mit meinem Kajak zur Landzunge Point Dume. Erst kürzlich schwammen Delfine so nah an mein Boot heran, dass ich sie fast berühren konnte.

Freitags abends kurve ich gern die Santa-Monica-Berge hinauf, die, nur durch die Küstenstraße getrennt, bis ans Meer reichen. Auf der Saddlerock Ranch der Familie Semler, die seit 27 Jahren Wein anbaut, parke ich meinen Audi neben der Sammlung der hellblauen und schwarzen historischen Pickups der Winzer und den Bugattis, Maseratis, Hybrid- und Elektroautos der anderen Malibuiten, kaufe mir für 18 Dollar eine Flasche des hauseigenen Cabernet Sauvignon, breite meine Picknickdecke auf der Wiese aus und lausche zusammen mit kuschelnden Paaren und Familien zwei Gitarristen, die bis weit nach Sonnenuntergang Musik machen.

Malibu als Hollywood-Kulisse

Es ist durchaus so, dass das Leben mit den vielleicht 100 Stars auch das Leben der restlichen 13 500 Malibuiten beeinflusst. Wenn ich morgens im "Ralphs"-Supermarkt meine Milch kaufe und sich eine Gestalt mit tief ins Gesicht gezogenem Kapuzenshirt und dunkler Sonnenbrille sehen lässt, kann ich fast sicher sein, dass es sich um einen furchtbar berühmten Menschen handelt. Wenn die Verkäuferin an der Käsetheke ehrfurchtsvoll "Kirk Douglas" murmelt, weil der neben mir steht, gucke ich auch nach rechts. Britney Spears hätte mich auf der Flucht vor den Paparazzi mit ihrem weißen Mercedes einmal fast umgemäht.

Aber sonst? Es sind so viele Prominente und wichtige Menschen in Malibu, dass man sich daran gewöhnt hat, mit ihnen zu leben. Pamela Anderson gehört in "Coogie’s Beach Café" fast zum Inventar, weil sie meist morgens um zehn Uhr unfrisiert und ungeschminkt hier ihren Kaffee trinkt. Aber es wäre gelogen, zu behaupten, dass es mich nicht beeindruckt, mit einem gebrochenen Finger in der Notaufnahme eines Krankenhauses zu sitzen, in der man sich zur Not auch Botox spritzen lassen kann.

Fast jeder Flecken Natur in der Nähe Malibus hat seine Unschuld verloren, war schon Drehort, Hollywood-Kulisse. Der Malibu Creek State Park tauchte in "Planet der Affen" auf, in "Butch Cassidy und Sundance Kid", "In den Fesseln von Shangri-La" und "MASH". Jeffersons Zuma-Strand war auf dem LP-Cover der Beach Boys, der Strand der Malibu Colony spielte Hintergrund für Robert Redfords und Barbra Streisands Filmkuss in "So wie wir waren". Einen Küstenvorsprung nennen die Bewohner Malibus "Produzenten-Felsen", weil Steven Spielberg und seine Kollegen dort angeblich mehrere Verträge besiegelt haben. Selbst religiöse Erscheinungen sind protokolliert: Der Sänger Cat Stevens wäre 1976 vor Malibu beinah ertrunken. Es ist also nicht falsch, Stevens’ Konvertierung als Yusuf Islam zum Islam der rettenden Welle zuzuschreiben.

Eigentlich ist Malibu eine normale Küstenstadt

Wobei Malibu von außen betrachtet eigentlich gar nichts Besonderes ist. Der erste Eindruck: ein verfallenes Motel am Ortseingang, danach folgt ein knapp 40 Kilometer langes Straßendorf am Pacific Coast Highway, auf der einen Seite der rauschende Ozean mit seinen Stränden, auf der anderen die Santa Monica Mountains, in der Mitte der Malibu Creek mit Lagune und Country Mart. Bis 1991 war Malibu eigentlich nur ein Vorort des nahen Los Angeles. Und ein bisschen wirkt es außerhalb der Strandabschnitte heute noch so. Es gibt Kirchen, Schulen, ein Museum, eine Universität, öffentliche Picknickplätze, Geschäfte, Strände, wo ganz normale Menschen baden: Kinder, Touristen, Studenten, am Wochenende auch viele Bewohner von L. A.

Gefunden in ...

... Geo Saison "Italiens Trauminseln", Heft 3/2011, für 5 Euro am Kiosk

Die meisten der 13.500 Menschen wohnen in Apartmentkomplexen oder in Häusern direkt am Highway, in den kleinen Siedlungen rund um die Lagune oder in Canyons im Hinterland, wobei die genaugenommen gar nicht mehr richtig in Malibu liegen. Nur wenige Einwohner haben Mietverträge aus der Zeit vor dem großen Hype und wohnen, wie mein Freund und ich, zwischen den Stars am Meer. Dafür müssen wir aber schon mal in Kauf nehmen, dass die Dixi-Klos der Security Guards auch vor unserer Haustür stehen und im Sommer manchmal Partys die Nachtruhe stören.

PRODUKTE & TIPPS