Tag 17 - Unterwegs nach Luang Prabang Wildes Wasser

Mit dem Schlauchboot durch Stromschnellen und vernebelte Schluchten: Der Mekong zeigt uns seine ungezähmte Stärke. Nur wenige finden hier ihr Glück mit Gold.

Schuhe? Hatten sie keine mehr, denn die waren längst in den Stromschnellen des rauschenden Flusses verschwunden. Die Männer der französischen Mekong-Expedition wollten trotzdem eine ihrer Stellung angemessene gute Figur abgeben, als sie zehn Monate nach dem Start der Reise in Saigon im Norden von Laos in Luang Prabang eintrafen und gleich zur Audienz beim König geladen wurden. So kamen sie zwar barfuß, hatten sich sonst aber mit den Resten der Ausrüstung so prächtig ausstaffiert, dass es heute skurril wirkt - sie trugen weiße Hosen und Hemden sowie Strohhüte mit flatternden Bändern, auf denen in goldenen Lettern "Mekong" geschrieben stand. Wahrscheinlich wirken wir bei unserer Expedition im Jahr 2005 ähnlich lächerlich auf die laotischen Fischer auf dem Fluss, die selbstverständlich mit nacktem Oberkörper ihre Einbäume steuern, während wir Bleichgesichter unsere Körper in Segeljacken verpacken, um uns gegen Wind und Kälte zu schützen.Mühsam schleppten sich die französischen Erkunder des Mekong im 19. Jahrhundert voran, zogen die Boote von Hand gegen die Strömung, weil sie mit Rudern nicht mehr vorankamen. Auch wir haben in unseren Schlauchbooten gegen den Fluss zu kämpfen. Zwischen Paklai und Luang Prabang ragen ständig Felsen aus dem Wasser, das Schlauchboot schlingert auf den Stromschnellen. "Das hier ist zehn Mal stärker als alles, was ich auf 12000 Kilometern Fluss in Südamerika erlebt habe", sagt Expeditionsleiter Andy Leemann. Dank des Piloten Saman fühlen wir uns aber sicher - er kennt und weist den Weg. Und so bleibt Zeit, die wilde Szenerie zu genießen. In Nebel gehüllte Berge, schroffe Felsen, karge Vegetation am Fluss und wilder Tropenwald an den steilen Hängen.

Goldsucher im Niemandsland

Dörfer sehen wir nur noch wenige, und wenn es denn welche gibt, dann haben sie hier kein Wellblech mehr für die Dächer, sondern nur noch Stroh. Kein Plastik vermüllt mehr das Ufer. Kinder winken nicht mehr wie noch im Süden von Laos, sondern starren verwundert auf dieses seltsam weiße Gefährt auf dem sonst so leeren Fluss. Ein Niemandsland, in dem jeder auf sich gestellt zu sein scheint und dem Fluss eher fern bleibt - Häuser sieht man nie direkt am Ufer, sondern immer in respektvollem Abstand vom Fluss, dessen Wasserstand hier in seinem engen Bett zwischen Trocken- und Regenzeit um fast 20 Meter schwankt. Einmal aber sehen wir kleine Hütten, in Windeseile zusammengezimmert aus Bambusrohren. Hier leben Frauen, die Gold schürfen – aber nicht den Glitter, den wir vor vielen Tagen für Gold gehalten haben. Sie haben runde Pfannen aus Holz, in denen sie den Mekong-Sand waschen. Ihre Ausbeute sind kleine Partikel, so winzig wie die anderen Sandkörner, nur blitzen sie zwischen all dem Braun hervor. Mit viel Glück bekommt ein Team von einem Dutzend Goldsuchern am Ende des Monats 15 Gramm zusammen - wenig, doch genug, um in einem Land wie Laos zu überleben. Sie hantieren mit Quecksilber und wer die Geschichten von Goldsuchern in anderen Ländern kennt weiß, dass sie damit nicht nur den Fluss vergiften, sondern am Ende auch sich selbst. Doch noch ist der Mekong auf diesem Teilstück so unerschlossen, dass es kaum Menschen gibt, die hier Gold und Glück suchen.

Nächtlicher Straßenmarkt

Am Abend kommen wir in Luang Prabang an - hier geht es erst übermorgen weiter, so dass wir Zeit haben werden, die wie in einem Amphitheater von Bergen und dem Mekong eingerahmte Stadt zu entdecken. Entspannt schlendern wir über den Nachtmarkt, einem Sammelsurium an Ständen und vielen auf dem Boden ausgebreiteten Waren unter freiem Himmel. Trotz vieler Touristen ist die Stimmung angenehm entspannt, hier wird nur freundlich angeboten und nicht aufgedrängt. Miniatur-Elefanten aus Bronze oder Messing stehen in Reih und Glied auf dem Boden - alte oder von den Handwerkern sehr geschickt auf alt gemachte Gewichte, mit denen man früher das Opium abmaß. Frauen vom Stamm der Hmong oder noch häufiger ihre vielleicht gerade einmal zehn Jahre alten Kinder verkaufen in traditioneller schwarzblaue Tracht Webarbeiten und Stickereien - Tischdecken und Untersetzer, Blusen und Schultertaschen. Seidenkrawatten ohne Makel gibt es ein paar Stände weiter neben den Holzschnitzarbeiten für weniger als zehn Dollar. Wenn gerade keine nackte Glühbirne die mitten auf der Straße aufgebauten Stände erleuchtet, dann sorgt häufig ein Lampion für gedämpftes Licht, dessen leichtes und trotzdem festes Papier aus sa, aus der Rinde eines Maulbeerbaums hergestellt worden ist. Die schweren Halsringe der Hmong blinken verlockend im Halbdunkel, daneben ein paar Silberbarren in Form kleiner Boote. Noch bis vor ein paar Jahrzehnten war Silber hier ein gerne gesehenes, weil anders als das Papiergeld namens Kip recht verlässliches, Zahlungsmittel.

Das Geheimnis der hellen Haut

Auf einen Markt mit ähnlichem Angebot traf auch die französische Mekong-Expedition, zehn Monate nachdem sie in Saigon gestartet war und neun Monate nach der Audienz am Hof des kambodschanischen Königs in dessen Hauptstadt Pnom Penh. Die Männer waren froh, mitten im unbekannten Norden von Laos mit Luang Prabang endlich auf eine Handelsstadt gestoßen zu sein. "Seit wir Pnom Penh verlassen haben war es das erste Mal, dass wir einen Markt fanden, der den Namen auch wirklich verdiente", notierte Francis Garnier in seinem Logbuch. Das gefiel den Abenteurern auf der Suche nach den Reichtümern aus den China-Berichten Marco Polos noch viel mehr als die idyllische Lage des Ortes am Mekong. Sie fühlten sich hier auch willkommen, durften die Stadt vermessen und sich frei bewegen. Für die jungen Frauen der Stadt war die Seife der Franzosen das beliebteste Geschenk: Sie glaubten, sie sei das Geheimnis ihrer hellen Haut.Die Männer der Mekong-Expedition durften sich allerdings nicht als die Entdecker der Stadt rühmen, in der sie fast vier Wochen verbrachten. Sechs Jahre vor ihnen hatte ihr Landsmann Henri Mouhot als erster westlicher Besucher Luang Prabang betreten. Die Erinnerung an den Pflanzen und Tiere sammelnden Naturforscher war noch so stark, dass die Laoten auch den nun eingetroffenen Franzosen Insekten brachten und hofften, dafür entlohnt zu werden. Als "entzückende kleine Stadt" hatte Mouhot die Siedlung am Mekong gerühmt, die ihm am Ende allerdings kein Glück brachte - er starb hier an Malaria. Die Männer der Mekong-Expedition errichteten einen Gedenkstein über seinem Grab, den man noch heute sehen kann.

Reisen im Elefantenland

Naturforscher Henri Mouhot war bei seinen Reisen durch Siam und Indochina allerdings nicht auf dem Mekong unterwegs gewesen, sondern meist auf dem Rücken eines Elefanten. Das werden wir morgen nachholen - schließlich hatte Laos früher einmal einen anderen Namen und hieß "Land der eine Million Elefanten".

Von Helge Bendl

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