Dort, wo sonst tausende Urlauber Ski und Snowboard fahren, sind in diesem Jahr eher Wanderer und Mountainbiker unterwegs. In zahlreichen Skigebieten in der Schweiz fehlt es aufgrund der milden Temperaturen an Schnee. Selbst für Kunstschnee ist es vielerorts zu warm. Die Stimmung in den meisten Skigebieten ist aktuell noch optimistisch, zeigen die Berichte Schweizer Medien. Doch langfristig stellen die immer wärmeren Temperaturen die vom Wintertourismus abhängigen Regionen vor Herausforderungen.
Die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr zählen im Wintertourismus zur umsatzstärksten Zeit im ganzen Jahr, doch vor allem in den niedriger gelegenen Skigebieten sind die Bedingungen für den Wintersport momentan schlecht. Pisten unterhalb von 1500 Metern seien nur bedingt verfügbar und nur, wenn sie technisch beschneit werden können, teilt Markus Berger, Sprecher von Schweiz Tourismus, auf Anfrage von "20 Minuten" mit. Nach Angaben des Schweizer Nachrichtenportal seien in Adelboden-Lenk lediglich 32 von 75 Pisten, in Gstaad 22 von 70 und in Davos Klosters 31 von 83 Pisten über die Feiertage geöffnet gewesen.
Viele Skigebiete setzen auf Kunstschnee
Etwas mehr Ski-Betrieb gibt es in den höher gelegenen Regionen. Im laut Eigenwerbung höchst gelegenen Skigebiet Europas bei Zermatt mit Blick auf das Matterhorn gibt es Lifte auf mehr als 3000 Meter. Rund 100 der gut 200 Kilometer Skipisten sind geöffnet, die Hälfte der Anlagen in Betrieb. Im Ort selbst liegt gerade mal zehn Zentimeter Schnee. Dennoch seien alle Skigebiete gleichermaßen gut gebucht, berichtet Markus Berger, Sprecher von Schweiz Tourismus.
Das liegt einerseits daran, dass man in vielen Wintersportdestinationen trotzdem Ski fahren könne. Andererseits gebe es viele Zusatzangebote wie Wellness, Eisbahnen oder Indoorsport. In den Skigebieten gilt es, optimistisch zu bleiben. In der Skiregion Adelboden-Lenk könne man dank "unseren effizienten Beschneiungsanlagen eine super Pisten-Grundlage sicherstellen", so die Kommunikationsverantwortliche Stefanie Inniger im Gespräch mit "Nau.ch". Auf den künstlichen Schnee setzt auch das Skigebiet Sörenberg. Man habe das Bestmögliche getan, um bei den bisherigen Minustemperaturen so viel Kunstschnee wie möglich zu erzeugen.

Anderenorts ist das keine Option. Im Zentralschweizer Feriengebiet Sattel-Hochstuckli zwischen Vierwaldstätter- und Zürichsee habe man in diesem Jahr erst zwei Tage Ski fahren können – dank Kunstschnee. Doch um Neuen herzustellen, sei es zu warm, erklärt Simon Bissig, Geschäftsführer der Sattel-Hochstuckli, der "Tagesschau". "Weil das Jahr sehr mild war, hatten wir eine hohe Wassertemperatur in den Bächen, von denen wir das Wasser nehmen", sagt Bissig. Manchmal müssen die Temperaturen erst auf minus fünf oder sechs Grad fallen, damit die Pisten beschneit werden könnten. Ähnliche Sorgen hat man im Graubündener Skigebiet Hochwang. Die Lifte hätte nur dank Spenden öffnen können, erzählt Patrick Angehrn, Geschäftsführer der Sportbahnen, dem ZDF.
Der Tourismus versucht, sich anzupassen
"Im Gegensatz zu den großen Skigebieten können wir unsere Fixkosten nur auf eine beschränkte Anzahl von Kunden verteilen", sagt er. Diese kritische Masse zu erreichen, sei aktuell eine Herausforderung. Der Klimawandel und die steigenden Kosten setzen den kleineren Skigebieten besonders hart zu. Da helfen auch die hohen Gästeanzahlen und die vielen Wandertouristen nicht, denn diese bringen deutlich weniger Einnahmen als Skifahrer und Snowboarder. In San Bernardino ist das Skigebiet bereits seit zehn Jahren geschlossen. Dort hat die Tourismus-Branche Alternativen für den Winter gefunden, die den Ort weiterhin zu einem beliebten Urlaubsziel machen. Etwa Schlittenbahnen, Langlauf und Ski-Touren.
Andere Regionen versuchen, sich kurzfristig der momentanen Wetterlage anzupassen – sie setzten verstärkt auf Sommer-Tourismus. "Wir haben seit Heiligabend wieder auf Sommerbetrieb umgestellt", sagt eine Mitarbeiterin im Skigebiet Sattel-Hochstuckli der Deutschen Presse-Agentur. Mitarbeiter, die sonst für die Beschneiung der Pisten zuständig sind, wienern jetzt die 600 Meter lange Sommerrodelbahn. Im höher gelegenen Wintersportort Flumserberg in der Ostschweiz ist nur ein gutes Drittel der 65 Pistenkilometer geöffnet. Dafür bietet die Region Yoga und Pilates auf mehr als 2000 Metern Höhe, eine Hüpfburg im Skigebiet und Wanderungen in Begleitung von Alpakas und Ziegen an.
Solche Anpassungen könnten in Zukunft eher die Regel statt der Ausnahme sein. Langfristig gehe es darum, den Wintertourismus anders zu strukturieren. Die Wintermonate 2022 "dürften erst ein Vorgeschmack darauf sein, was wohl in den kommenden Jahren zu erwarten ist", schreibt der Schweizer Rundfunk. Ein Forschungsteam der Universität Basel rund um Erika Hiltbrunner ging der Frage nach, ob sich längerfristige Investitionen im Skigebiet Andermatt-Sedrun-Disentis überhaupt noch lohnen. Die Region hat aufgrund ihrer hohen Lage und der frühzeitigen Anschaffung von Beschneiungsanlagen eine gute Ausgangssituation, sodass die Region laut den Wissenschaftlern mindestens bis ins Jahr 2100 noch als Skigebiet dienen könne. Allerdings bräuchte es dazu kostspielige technische Anlagen, um genügend Kunstschnee zu produzieren.
Die schönsten Skigebiete des Engadins

Das Skigebiet im Engadin, das Abenteurer-Herzen höher schlagen lässt. Das hochalpine Wintersportgebiet gilt dank der steilen Abfahrten und abenteuerlichen Berge als echtes Paradies für Freerider. Von der Bergstation Diavolezza aus können passionierte Skifahrer außerdem die zehn Kilometer lange Gletscherabfahrt hinuntersausen – die längste ihrer Art in der ganzen Schweiz.
"Wir haben gemerkt, dass der Wasserbedarf im Skigebiet Andermatt-Sedrun-Disentis bis Ende dieses Jahrhunderts um 80 Prozent ansteigen wird", erläutert die Biologin Hiltbrunner. Die Kosten würden auf den einzelnen Skifahrer abgewälzt. "Irgendwann können sich Personen mit durchschnittlichem Einkommen solche Ferien schlicht nicht mehr leisten", prognostiziert sie. Ganz zu schweigen von der Frage, ob dann überhaupt genug Wasser vorhanden wäre und den Konflikten, die aus dem Kampf um die Ressource erwachsen könnten. Kunstschnee als dauerhafte Lösung scheint unrealistisch. Wenn Winter immer wärmer werden, gilt es, sich neu zu orientieren, findet Florian Möhl von der Bergsportschule Grischa. "Die Natur ist immer stärker", sagt er dem ZDF. "Wir sind die, die flexibel sein müssen."
Quellen: Deutsche Presse-Agentur, "20 Minuten", "Nau.ch", SWR, "Tagesschau", ZDF