Die Crews kennen das Problem, das im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel stinkt. Aber in den Medien spielt vergiftete Atemluft in Kabine und Cockpit kaum eine Rolle. Dabei melden Webseiten wie der "Aviation Herald" fast täglich weltweit Zwischenfälle von Linienjets, die wegen sogenannter "fume events" ihre Reise abbrechen und außerplanmäßig landen müssen.
"Es hat genügend Vorfälle gegeben, bei denen die Cockpit-Besatzung nur noch unter der Sauerstoffmaske eine Notlandung durchführen konnte", sagt Markus Wahl, Pressesprecher der Vereinigung Cockpit. Der Pilot kommt in der ZDF-Dokumentation "Dicke Luft im Flieger - Kranke Crews und ahnungslose Passagiere" zu Wort.
Zunächst lässt der Redakteur Axel Kreutz anhand eines ausrangierten Jumbojets Professor Dieter Schulz von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg erklären, woher bei den meisten Flugzeugen die Atemluft kommt: Sie wird über den Kompressor der Triebwerke angesaugt. Bei zweistrahligen Flugzeugen ist dieses auch "Zapfluft" genannte System so ausgelegt, dass ein Triebwerk für die Versorgung der Passagierkabine zuständig ist, das andere für die des Cockpits. Das Problem: Sollte es im Falle eines Öllecks zu Verunreinigungen kommen, gelangen diese auch ins Innere des Flugzeuges.

Bei seinen Recherchen für die Sendung hat Kreutz auch Boeing und Airbus kontaktiert. Doch eine Antwort erhielt er nicht. "Bei dem Thema verunreinigte Kabinenluft stoße ich bei den Airlines und Herstellern auf eine Mauer des Schweigens", so der Redakteur.
Offener gibt sich Dr. Astrid Heutelbeck von der Universität Göttingen. Sie hat im Zusammenhang mit fume events Hunderte von Patienten untersucht und folgende Krankheitsbilder diagnostiziert: Konzentrationsstörungen, Artikulations- und Koordinationsprobleme und Störungen der Lungenfunktion. Es liegt nahe, dass kontaminierte Kabinenluft krank machten kann, sagt die Medizinerin. Auch eine Flugbegleiterin kommt zu Wort, die unerkannt bleiben möchte. In ihrem Blut wurden Toloul, N-Hexan und N-Heptan nachgewiesen - allesamt toxische Stoffe, die das Nervensystem schädigen.
Verharmlosung der Industrie
Zu einem ganz anderen Schluss kommt die jüngste Studie der EASA. Für Europas oberste Behörde für Flugsicherheit ist die Kabinenluft nach Messungen auf mehr als 60 Flügen "so sauber wie die Luft in einem Kindergarten", es bestehe kein Handlungsbedarf. Auch Airbus-Manager Yannick Malinge äußert sich in diese Richtung: "Die Herausforderung liegt bei fume events zwischen Wahrnehmung und Fakten. Da gibt es eine Lücke. Wir sind besorgt über den Grad der Subjektivität, wie mit dem Thema verfahren wird."
Die Dokumentation deckt auch auf, dass nicht jeder Vorfall mit verunreinigter Kabinen- oder Cockpitluft als Störung bei der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) gemeldet wird. Aus dem Redakteur zugespielten Dokumenten geht hervor, dass es angeblich von Januar bis Mitte Februar 2017 allein bei der Lufthansa 47 fume events gegeben hat. Aber nur acht wurden der BFU angezeigt.
Gestiegene Meldezahlen von fume events
Allein 2016 wurden der BFU in Braunschweig trotz der hohen Dunkelziffer 228 Vorfälle gemeldet - im Jahr zuvor waren es noch 162 Fälle. Das Thema, das die Industrie so gerne verdrängen möchte, wird immer brisanter, so das Fazit des "Zoom"-Beitrags. Unklarheiten im Meldesystem, so lautet die Forderung, müssen geschlossen werden.
Ein Geschädigter, der ehemalige Pilot Markus Fenzel, der seit einem fume event fluguntauglich ist, kämpft seit fünf Jahren vor Gericht um die Anerkennung seiner Beschwerden als Arbeitsunfall und Berufskrankheit. Er klagt auf Entschädigung - bisher vergeblich.
Was die Sendung nicht sagt: Die Industrie arbeitet bereits an Lösungen für das Problem. Der Flugzeughersteller Boeing verzichtet bei seiner neuesten Langstreckenmaschine, der Boeing 787, auf Zapfluft aus den Triebwerken: Die Kabinenluft wird an speziellen Stellen der Tragflächen angesaugt.
Sehen Sie den vollständigen TV-Beitrag "Dicke Luft im Flieger - Kranke Crews und ahnungslose Passagiere" hier in der ZDF-Mediathek an.