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Klimaspende für Flugreisen Schmerzpille gegen das schlechte Gewissen

Unsere Reiselust wirkt sich negativ auf das Klima aus. Vor allem Flugreisen verursachen viel klimaschädliches CO₂. Die Klimaspende ist ein freiwilliges Instrument für den Umweltschutz - doch was bewirkt eine solche Zahlung?
Von Mirco Lomoth

Die Wahrheit kann schmerzhaft sein, gerade wenn es um den Urlaub geht. Die Umweltschutzorganisation WWF hat kürzlich vorgerechnet, wie klimaschädlich Fernreisen sind. Wer seinen Jahresurlaub in Mexiko verbringt, verursacht allein durch den Flug mehr CO₂, als er mit einem durchschnittlichen Mittelklassewagen in drei Jahren verfahren würde - gut sechs Tonnen. Anders sieht die Rechnung aus, wenn man seinen Urlaub innerhalb Deutschlands verbringt und mit der Bahn anreist. Ein zweiwöchiger Urlaub an der Ostsee verursacht im Durchschnitt nur 250 Kilogramm Kohlenstoffdioxid.

Doch immer mehr Urlauber nutzen das Flugzeug, vor allem seit man per Billigflieger für ein paar Euro nach London oder ins Allgäu fliegen kann. Waren im letzten Jahr weltweit 2,27 Milliarden Fluggäste unterwegs, werden es 2015 wohl bereits drei Milliarden sein. Zwar werden die Flug-Emissionen dieses Jahr durch die aktuelle Wirtschaftskrise um rund acht Prozent sinken, aber schon für 2010 erwartet die Branche wieder einen leichten Anstieg der Passagierzahlen - und damit auch der klimaschädlichen Emissionen. Und die sind erheblich. "Nach aktuellen Forschungsergebnissen beträgt der Anteil des Flugverkehrs an der Erderwärmung bis zu 14 Prozent", sagt Dietrich Brockhagen, Geschäftsführer der Klimaschutzagentur Atmosfair.

Lieber mit Bus und Bahn

Wer klimafreundlich reisen möchte, sollte sich daher vor allem über die An- und Abreise Gedanken machen. Umweltverbände empfehlen, nahe Ziele zu bevorzugen, mit Bus und Bahn anzureisen oder bei weiter entfernten Urlaubsorten länger zu bleiben. In dieser Argumentation wird der Wochenendtrip nach London per Billigflieger zur unverzeihlichen Klima-Sünde. Wer sich dennoch fürs Fliegen entscheidet, für den ist die freiwillige Klimaspende ein gutes Instrument, um die verursachten Treibhausgase andernorts wieder einzusparen, etwa bei einem Biomasseprojekt in Indien.

Laut der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisenkompensieren nur 3,1 Prozent der Deutschen ihre Flüge. Weitere 13,6 Prozent gaben an, die freiwillige Abgabe künftig zahlen zu wollen. Auch die Flugindustrie reagiert zögerlich: weltweit haben erst 30 Fluggesellschaften die Klimaspende in ihren Buchungsprozess integriert.

Freikaufen zu unterschiedlichen Preisen

Doch Klimaspende ist nicht gleich Klimaspende. Das stellt man fest, wenn man die verschiedenen Anbieter miteinander vergleicht. Während bei der Klimaschutzagentur Atmosfair das gute Gewissen beispielsweise für einen Flug von Berlin nach Lissabon in der Economy Class 12 Euro kostet, werden auf der Lufthansa-Website fünf Euro berechnet und bei Easyjet 2,53 Euro. Und auch die Klimawirkung wird unterschiedlich angegeben: Atmosfair berechnet 470 Kilogramm CO₂-Emissionen, Lufthansa 253 Kilogramm und Easyjet 164 Kilogramm - auf der gleichen Strecke. "Dadurch werden Konsumenten verunsichert und spenden am Ende gar nicht", sagt Wolfgang Strasdas, Professor für nachhaltigen Tourismus an der Fachhochschule Eberswalde.

Ein Grund für den Unterschied: Anders als Easyjet und Lufthansa, berechnet Atmosfair auch die nachweislich klimaschädliche Wirkung anderer Schadstoffe, zum Beispiel Stickoxide und Russpartikel, die in Flughöhen oberhalb von rund 9000 Metern den Erwärmungseffekt verstärken. Wie stark genau, ist nicht eindeutig geklärt, als plausibelster Wert wird der Faktor 2,7 gehandelt - ein Mittelwert des vom Weltklimarat bereits 1999 angegebenen radiative-forcing-Faktors (RFI-Faktors) von zwei bis vier. Bei der Klimaschutzagentur Atmosfair, die viele Wissenschaftler als seriösesten Kompensationsanbieter nennen, hat man sich auf einen Faktor drei geeinigt. Neuere Schätzungen liegen allerdings noch höher, das Umweltbundesamt hält sogar einen RFI-Faktor von fünf für plausibel.

Das Geld fließt in Ausgleichsprojekte

Die Frage ist allerdings nicht nur, ob die Emissionen korrekt berechnet werden, sondern auch, wie das gespendete Geld eingesetzt wird und ob damit tatsächlich Treibhausgase eingespart werden. Grundvoraussetzung dafür ist, dass ein Ausgleichsprojekt in Asien oder Südamerika nur aufgrund von Kompensationsgeldern gebaut worden ist. Das ist bei Ausgleichsprojekten, die nach dem Gold Standard zertifiziert sind, der Fall. Sie werden von den Vereinten Nationen besonders strikt geprüft und müssen auf die lokale Bevölkerung und Umwelt stärker Rücksicht nehmen. Und sind dadurch etwas teurer.

Weitere Infos

Ein guter Einstieg in das Thema ist die WWF-Broschüre "Der touristische Klima-Fußabdruck". Eine Klimaspende ist auch nachträglich bei der Klimaschutzagentur Atmosfair möglich, die nur Projekte mit Gold Standard unterstützt.

Damit es bei Urlaubern zu einem Umdenken kommt, ist auch die Tourismusindustrie gefragt. Manche Reiseveranstalter geben in ihren Katalogen bereits klimarelevante Emissionen an, die mit einer Reise verursacht werden. "Die CO₂-Emissionen von An- und Abreise und Unterkunft pro Gast und Tag sollten angegeben werden, damit Reiseangebote vergleichbar werden", sagt Martina Kohl, Tourismus-Expertin des WWF. "Beim Autokauf ist diese Transparenz ja auch schon selbstverständlich."

So fließt die Klimaspende für einen Flug von Berlin nach Lissabon bei Atmosfair ausschließlich in Gold-Standard-Projekte. Auch die fünf Euro bei der Lufthansa gehen an ein Gold-Standard-Projekt . Bei Easyjet unterstützt man mit 2,53 Euro ein Wasserkraftprojekt in Ecuador, das nicht nach dem Gold-Standard zertifiziert wurde.

"Die Klimaspende ist ein Instrument, das ein viel größeres Potenzial hätte, aber leider sehr in Verruf geraten ist", sagt Strasdas. Kritiker bemängeln, man könne sich von seinen Klimasünden frei kaufen und am Ende noch mehr fliegen als vorher. "Natürlich sollte man nur das kompensieren, was nicht mehr reduzierbar ist oder worauf man nicht verzichten möchte", sagt Strasdas. Genauso, wie man besser ein effizientes Autos fahren und Fahrgemeinschaften bilden sollte, bevor man über eine Klimaspende nachdenkt. "In den meisten Fällen gibt es klimafreundliche Alternativen, die vielleicht nicht ganz so bequem sind", sagt Brockhagen. "Wenn wir als Kompensationsanbieter einfach nur Schmerzpille sind, erzielen wir nicht die Bewusstseinsänderung, die wir brauchen, um das Klima dauerhaft zu entlasten."

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