Hätte man nicht gewusst, dass an diesem Abend im St. James' Park eine vom saudi-arabischen Staatsfond finanzierte Mannschaft gegen Borussia Dortmund angetreten ist, man hätte sich in die 1990er-Jahre zurückversetzt gefühlt. Strömender Regen, tiefer Rasen, ausverkauftes Haus und eine Stimmung als hätten die Stehtribünen ihr Comeback auf der Insel gefeiert. Dazu noch zwei Mannschaften, die wirklich alles in dieses Spiel warfen, was sie hatten. Ein Abend für Fußballromantiker – und ein ganz wichtiger für den BVB.
"Wir wissen um die Bedeutung", hatte Trainer Edin Terzic vor dem dritten Gruppenspiel gesagt. Was er damit meinte, war relativ eindeutig: Verliert Borussia Dortmund, wird das Champions League-Achtelfinale ziemlich sicher ohne die Schwarz-Gelben stattfinden. Ein Endspiel also – und das bereits im dritten Spiel.
Borussia Dortmund feiert Sieg gegen Newcastle United – und wirbelt die "Todesgruppe" durcheinander
Die Pessimisten, die im Dortmunder Anhang bekanntlich nicht gerade in der Unterzahl sind, haben genau dieses Szenario vorhergesagt: In einer Gruppe mit Paris St. Germain, Newcastle United und AC Mailand – "Todesgruppe" hieß es schon früh und die Dortmunder taten in den ersten Spielen viel dafür, dass der Namen für sie Programm werden sollte. Niederlage gegen Paris, Unentschieden gegen Milan, sollte man jetzt im St. James' Park verlieren – man bräuchte vermutlich nicht einmal für Platz 3 und die Europa League planen.
Der Druck war also da – und die Mannschaft lieferte. Im wahrscheinlich besten Spiel dieser Saison strafte das Team und insbesondere Trainer Terzic all jene Lügen, die die Leistungen und die Aufstellungen in den vergangenen Monaten wieder und wieder kritisierten.
Die extrem aggressive Spielweise von Newcastle hatte schon Paris niedergemäht. Pressing, Pressing, Gegenpressing ist das Konzept der Engländer und Trainer Eddie Howe. So viel und so lang laufen, stressen und in Zweikämpfe gehen, bis der Gegner buchstäblich auf dem Boden liegt – vor Erschöpfung. Dann Ballgewinn, direkt in die Spitze, Abschluss. Viele Fans werden bei der Spielweise unweigerlich an die BVB-Jahre unter Jürgen Klopp erinnert.
Nmecha und Sabitzer werden die Schlüssel – taktische Meisterleistung von Terzic
Trotzdem stellte Terzic mutig auf. Im 4-3-3 mit Emre Can als zentraler Abräumer und Felix Nmecha und Marcel Sabitzer als kreative Achter. Marco Reus und Donyell Malen sollten das Spiel bei Ballgewinn breit machen und in der Mittel Niclas Füllkrug mit Bällen versorgen. Und der Plan ging auf. Nmecha und Sabitzer waren die Schlüssel, um Newcastle zu knacken. Sie ließen sich immer wieder als Unterstützung für die Außenverteidiger auf die Flügel fallen, verhinderten so das Flügelspiel der Engländer und schickten sie so in die "Sackgasse" im Zentrum.
Bei Ballgewinn schalteten sie dann am schnellsten um, besetzten die Halbräumen im Mittelfeld und leiteten so direkt den Gegenangriff ein. Eine taktische Meisterleistung von Terzic. Denn der BVB schaffte es insbesondere in der ersten Halbzeit so, das aggressive Anrennen der "Magpies" mit einem Schnittstellen-Pass zu überspielen. Das Pressing von Newcastle verpuffte nach wenigen Sekunden.
Bereits in den ersten zehn Minuten konnten sich die Westfalen so drei hochkarätige Chancen erspielen, nach dem immer gleichen Muster. Einzig die Chancenverwertung, besonders von Malen trübte das ansonsten stabile Bild in der Anfangsphase.
Auch die Verletzung von Can kurz vor der Pause brachte das BVB-Abwehrbollwerk nicht ins Wanken. Salih Özcan ersetzte den Routinier ansatzlos. Das 1:0 durch Nmecha nach überragender Vorarbeit von Nico Schlotterbeck mit dem Pausenpfiff war die Belohnung für eine starke erste Hälfte.
Plötzlich gute Chancen aufs Achtelfinale
Nach dem Pausentee wurde deutlich, wie intensiv das Spiel für Dortmund war. Newcastle schaffte es immer mehr, den Ballbesitz an sich zu reißen, die Westfalen ließen sich zurückfallen und konnten auch kaum noch Entlastungsangriffe setzen. Bei den seltenen Kontern vertändelte insbesondere der eingewechselte Karim Adeyemi den Ball auf der linken Außenbahn dann zu oft.
Unkonzentriertheiten, die sich beinahe gerächt hätten. So kamen die Magpies kurz vor Schluss noch zu zwei Lattentreffern. Ein Treffer wäre zu diesem Zeitpunkt alles andere als unverdient gewesen.
Doch wie es im Ruhrgebiet gerne heißt: "Glück is' mit die Doofen, und wenn die Doofen unsere Doofen sind, ist es kein Glück mehr, sondern die bessere Spielanlage."
Schon nach der Niederlage im ersten Spiel gegen PSG hatten einige Experten den BVB in der Gruppe abgeschrieben. Nun teilt sich das Team den zweiten Platz mit Newcastle. Wenn Borussia Dortmund die Leistung gegen die Magpies in die Rückspiele der Gruppenphase retten kann, stehen die Chancen gut, auf ein Überwintern in der Champions League. Mit dem ersten Sieg heißt es aber vorerst: "Hurra, wir leben noch!"