Herr Surer, die neue Formel-1-Saison steht vor der Tür. Statt mit V10-Aggregaten werden die Autos von V8-Motoren angetrieben. Welches Team hat Ihrer Meinung nach diese Herausforderung bisher am besten gemeistert?
Wir können ja nur von den Testfahrten und der Vorbereitungsphase sprechen. Nach dem, was man da gesehen hat, ist klar: Honda und Renault liegen eindeutig vorne.
Die Autos bringen durch den Wechsel des Motorenkonzepts rund 200 PS weniger Leistung auf den Asphalt. Werden die Fahrer am Wochenende in Bahrain um den Kurs schleichen?
Es gilt folgende Faustregel: Zehn Prozent Leistung machen auf die Rundenzeit etwa eine Sekunde aus. Wenn wir jetzt von einem Ausgangswert von 900 PS ausgehen, müssen die Autos also über zwei Sekunden langsamer sein. Allerdings fällt die Kühlung für einen kleineren Motor ebenfalls kleiner aus. Ein Auto mit einem V8-Motor hat somit weniger Luftwiderstand. Das gleicht einen Teil des Leistungsverlustes wieder aus. Viel langsamer sind die Boliden also nicht.
Genug der Technik, kommen wir zum Sportlichen. Glauben Sie, dass Michael Schumacher und Ferrari nach dem enttäuschenden Abschneiden in der vergangenen Saison dieses Jahr wieder ganz vorne mitmischen können?
Ferrari hat den Anschluss wieder gefunden, sie sind dran an den Spitzenteams. Überlegen sind sie allerdings schon lange nicht mehr. Die Zeiten der Dominanz sind definitiv vorbei, die Konkurrenz ist stark. Michael Schumacher wirkt trotzdem sehr motiviert. Er hat im Winter noch nie soviel getestet wie in diesem Jahr. Man hat gemerkt, dass er das Ferrari-Paket nach vorne bringen wollte. Insgesamt sind die Roten gut aufgestellt.
In Ralf Schumacher, Nick Heidfeld sowie Nico Rosberg sind in dieser Saison drei weitere Deutsche in der Formel 1 am Start. Zudem kommen gleich mehrere Testfahrer aus Deutschland. Was erwarten Sie von den deutschen Piloten?
Fangen wir mit Ralf an. Toyota hat die Reifen gewechselt, sie sind von Michelin auf Bridgestone umgestiegen - das wirft ein Team zunächst einmal zurück. Die Reifen sind fast das Wichtigste am Auto, sie müssen perfekt mit dem Rest des Pakets harmonieren. Da ist das Team einfach noch nicht soweit. Am Anfang der Saison kann man deshalb noch nicht mit Ralf rechnen. Nick Heidfeld und BMW haben auf mich bis jetzt einen glänzenden Eindruck hinterlassen. Sie stapeln zwar tief, aber die Tests sprechen eine andere Sprache. Nick kann auf Anhieb in die Punkte fahren - trotz eines komplett neuen Autos. Nico Rosberg hat mich überrascht. Er ist ja ein Formel-1-Neuling, der offenbar bestens bei Williams aufgehoben ist. Sein erfahrener Teamkollege Mark Webber hat ihn jedenfalls in den Tests nie abhängen können. Ich rechne übrigens stark mit Williams. Sie haben ja den BMW-Motor verloren und sind jetzt hoch motiviert, weil sie beweisen wollen, dass es nicht an ihnen lag. Ich traue Nico in einem guten Williams gerade zu Beginn der Saison die eine oder andere Überraschung zu.
Lassen Sie uns kurz über McLaren-Mercedes sprechen. Kann "Silber" in dieser Saison ernsthaft ein Wörtchen im Titelrennen mitsprechen? Wie stehen die Chancen von Kimi Räikkönen?
Im vergangenen Jahr hat Mercedes den Titel eigentlich schon zu Beginn verloren, weil sie nicht optimal vorbereitet waren und viele Defekte hatten. Leider habe ich den Eindruck, dass sie dieses Mal wieder nicht gut vorbereitet sind. Der Motor ist eigentlich erst in der vergangenen Woche richtig zum Laufen gebracht worden, davor hat er viele Probleme gemacht. Ich bezweifele, dass das Aggregat richtig ausgetestet ist und man auf Anhieb voll angreifen kann. Dennoch: Kimi Räikkönen ist aufgrund seines Talents immer ein Kandidat für den WM-Titel.
Wer ist Ihrer Meinung nach der stärkste Fahrer und Ihr persönlicher Titelfavorit?
Man kommt definitiv nicht um Fernando Alonso herum. Was er und das Renault-Team 2005 Jahr geschafft haben, war eine kleine Überraschung. Jetzt sind sie wieder genauso gut vorbereitet. Ein Alonso weiß wie es geht. Der geht völlig relaxt an sie Sache ran. So gesehen muss man ihn einfach ganz oben auf der Liste haben.
18 Rennen stehen in dieser Saison auf dem Programm, eines weniger als im letzten Jahr. Welche Strecke ist aus Ihrer Sicht die Anspruchsvollste?
In Suzuka fahren die Piloten mit am liebsten. Das ist wirklich ein schwieriger Kurs. Ich persönlich favorisiere vom Umfeld und vom Ambiente die drei "M's": Montreal, Melbourne und Monaco. Sie merken schon, das sind alles keine permanenten Strecken. Ich mag es einfach, wenn die Verbundenheit zur normalen Straße geblieben ist.
Die Hersteller drohen ja schon seit Jahren mit einer Konkurrenzserie zur Formel 1. Wo sehen Sie die "Königsklasse" des Rennsports in einigen Jahren?
Wir haben derzeit zwei Extreme. Der Präsident der FIA (des Automobilweltverbands, Anm. der Red.) Max Mosley will die Formel 1 zur Einheitsformel machen. Das kann keiner begrüßen, der die Formel 1 wirklich liebt. Den Reiz der Formel 1 macht auch der Kampf der Ingeneure untereinander aus. Ein Hersteller hat natürlich nur Interesse mitzumachen, wenn er auch Kompetenz beweisen kann. Da haben wir also schon einen richtigen Graben, und Mosley provoziert das fröhlich weiter. Die Hersteller haben jetzt auf stur geschaltet, aber ihnen läuft die Zeit davon - und die Teilnehmer. Zu viele Teams haben bereits bei Mosley unterschrieben und sich an die "alte" Formel 1 gebunden. Die Hersteller stehen praktisch alleine dar. Letztlich bleibt ihnen wohl auch nichts anderes übrig, als zu unterschreiben.
Dann bleibt also alles beim Alten?
Ich hoffe es doch, zwei Serien wären der Tod der Formel 1.
Das Interview führte Klaus Bellstedt