Formel-1-Endspurt "Alonso ist ein Terrier"

Im stern.de-Interview beleuchtet Premiere-Experte Marc Surer drei Rennen vor Schluss das Psycho-Duell zwischen Alonso und Schumi. Der ehemalige F-1-Pilot nennt darüber hinaus einen weiteren pikanten Grund für Schumis Rücktritt.

Herr Surer, Michael Schumacher kann in China zum ersten Mal überhaupt in dieser Saison die Spitze der Fahrerwertung übernehmen. Wie groß sind seine Chancen, vor Alonso ins Ziel zu kommen?

So ein bisschen durchwachsen, wenn man ehrlich ist. Die Strecke liegt ihm nicht. In China sehe ich Alonso deshalb auch vorne. Zweimal wurde hier bis jetzt gefahren. Zweimal kam Schumacher nicht in die Punkte. Andererseits gilt auch: Michael ist auf jeder Strecke schnell.

Danach folgen noch Suzuka und Sao Paulo. Wer hat da die besseren Karten?

In Suzuka wird es spannend. Dort kommt es wieder mal sehr auf die Reifen an. In Interlagos hat Michael mit seinem Auto Vorteile gegenüber Renault. Dort gibt es eine lange Gerade. Auf der müsste der Ferrari schneller sein.

Nach dem Monza Grand Prix kamen vor allem aus dem Renault-Lager (Briatore, Alonso) kritische Stimmen auf. Die Fia würde alles tun, um Schumacher zum Weltmeister zu machen, hieß es da. Haben sie die Aufregung von Renault verstanden?

Es ist schon aufgefallen, dass wenn Renault irgendetwas macht, ganz genau hingeschaut wird. Es hat angefangen mit dem Massedämpfer, den man schnell mal verboten hat. Die Zurückstufung von Alonso in Monza war dann wirklich ein bisschen zu viel des Guten. Und das haben bis auf die beiden Ferrari-Piloten auch alle anderen Fahrer so kritisch gesehen. Die Fia hat da falsch reagiert. Man war in Italien, im Land der Ferrari… den Rest kann sich jeder denken. Die Renn-Kommissare sind manchmal eben nicht davor gefeit, parteiisch zu sein. Dennoch: Ich glaube nicht, dass die Fia Michael Schumacher zum Weltmeister machen will. Was haben sie denn davon? Im Gegenteil, es ist doch viel besser, wenn ein jüngerer Nachfolger an seine Stelle tritt, damit die Formel 1 nicht an Wert verliert.

Michael Schumacher zieht sich aus der Formel 1 zurück. Was bedeutet das für die Königklasse des Rennsports, wenn der dominierende Fahrer der letzten zehn Jahre einfach so abtritt?

In Deutschland wird das Interesse an der Formel 1 sicherlich abnehmen. In den anderen Ländern wird das nicht passieren. Da wird die Formel 1 dann plötzlich ohne einen Michael Schumacher aufgewertet, weil eigene Stars in die Lücke fahren. In Spanien ist das mit Alonso schon passiert. Gewinnt Jenson Button auch noch ein paar Mal, dann ist auch in England ein Boom abzusehen. Und wenn Kimi Räikkönen irgendwann Weltmeister werden sollte, steht ganz Finnland Kopf. Es wird also eine Verschiebung geben. Fest steht: Die Formel 1 wird auch ohne Michael Schumacher weitergehen.

Willi Weber sagt, dass Schumacher Ferrari vertraglich weiter verbunden bleibt. Was muss man sich darunter eigentlich vorstellen? Der kann doch nicht einfach mal so den Job von Teamchef Jean Todt übernehmen.

Wer einen so großen Ferrari-Stempel wie Michael auf der Stirn hat, der wird in erster Linie natürlich als Repräsentant vor den Wagen gespannt. Er wird also für die Scuderia auf Veranstaltungen auftreten. Ich würde allerdings auch nicht ausschließen, dass er eines Tages ein Amt im Team übernehmen wird. Spätestens dann, wenn ihm zuhause langweilig wird.

Lassen sie uns über die Gründe seines Rücktritts sprechen. Kann es sein, dass Schumacher auch deswegen aufhört, weil er in der neuen Saison mit Kimi Raikkönen erstmals einen echten Konkurrenten im Team gehabt hätte?

Da ist etwas dran. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass Kimi Räikkönen bei Ferrari - auch wenn Schumacher weitergemacht hätte - den Nummer-1-Status bekommen hätte. Bisher war das immer anders. Jeder Fahrer, der bei Ferrari in der Vergangenheit unterschrieben hat, wusste, dass er hinter Michael nur die Nummer 2 ist. Kimi hat das logischerweise nicht akzeptiert. Man hat Schumacher dann mitgeteilt, dass Räikkönen so einen Vertrag niemals unterschreiben würde. Ferrari wäre erstmals nach langer Zeit also wieder mit zwei gleichberechtigten Piloten in die Saison gegangen. Das wollte Schumacher einfach nicht auf sich nehmen.

Die Fia hat gerade eine Liste mit den beliebtesten Formel-1-Fahrern veröffentlicht. Michael Schumacher liegt mit großem Abstand auf Platz 1? Ist das schon der Rücktritts-Bonus?

Das denke ich schon. Wenn man diese Umfrage nach Monte Carlo gemacht hätte, hätte ein anderer diese Liste angeführt, ganz sicher. Das hat jetzt alles viel mit Emotionen zu tun nach dem Motto: Eigentlich ist unser Schumi doch der Größte.

Letzte Frage, Herr Surer: Wie geht die WM aus? Wer steht am Ende ganz oben, Schumacher oder doch Alonso?

Mein Bauch sagt mir, dass Alonso Weltmeister wird. Er ist ein Terrier, der lässt nie locker. Bis zum Schluss kann der beißen.

Das Interview führte Klaus Bellstedt

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