Die Ausstiegsforderung des Mercedes-Betriebsrats hat die Formel 1 erschüttert. "Es ist schockierend, so etwas zu hören. Wenn so jemand darüber nachdenkt, ist er sicher nicht der Einzige. Aber Mercedes gehört zur Formel 1", sagt Williams-Pilot Nico Rosberg vor dem Großen Preis von Bahrain am Sonntag (ab 14 Uhr im Liveticker von stern.de) Der 23-Jährige hatte im Winter selbst noch mit McLaren-Mercedes über einen Wechsel verhandelt. China-Sieger Sebastian Vettel wollte zu dem Thema nicht viel sagen, allerdings sei die Situation für seinen Rennstall Red Bull sicher eine andere als bei den großen Automarken: "Wir verkaufen Dosen."
BMW-Pilot Nick Heidfeld meint, dass die Wirtschaftskrise jeden weltweit betreffe, also auch die Formel 1. In Zeiten der wachsenden Arbeitslosigkeit und der Gehaltskürzungen seien diese Diskussionen verständlich: "Aber die Formel 1 wird ja nicht betrieben, um Geld zu verbrennen. Es ist finanziell sinnvoll und ein Vorteil für die Marke durch die weltweite Werbung."
Verständnis für Kritik
Das gelte für BMW und Mercedes, das als Motorenlieferant für WM-Spitzenreiter Brawn "derzeit alles in Grund und Boden fährt" (Rosberg). Mercedes ist gemeinsam mit McLaren in der Formel 1 vertreten und beliefert zudem Brawn und Force India mit Triebwerken. Bei Mercedes wird laut Sportchef Norbert Haug "mindestens einmal pro Jahr" vom Vorstand über die Zukunft der Formel 1 entschieden. Der Gesamtetat von McLaren-Mercedes liegt bei geschätzten 270 Millionen Euro, beide Partner kommen dabei Schätzungen zufolge für etwa die Hälfte der Gesamtsumme auf. Mit der Motorenproduktion für die zwei Formel-1-Teams wird laut Haug Geld verdient.
"Wenn ein Arbeiter 2000 Euro verdient und das geht auf 1800 runter verstehe ich, dass jemand fragt", sagt Haug und verweist auf die geringeren Ausgaben für das Formel-1-Projekt als vor fünf Jahren: "Die Formel 1 ist die beste Werbekampagne, die es für Mercedes geben kann." Allerdings hatten trotz des WM-Titels für Silberpfeil-Pilot Lewis Hamilton die Spionage-Affäre und zuletzt die Lügen-Affäre für Negativschlagzeilen gesorgt.
Bei BMW ist die Lage ruhig
Bei BMW hatte es vor Jahren einmal vom Betriebsrat Zweifel am Formel-1-Projekt gegeben, jetzt ist die Lage ruhig. "Die Formel 1 ist wertvoll. Bei uns wird regelmäßig vor dem Saisonbeginn das Projekt neu bewertet, dabei war die finanzielle Situation ein eingehender Teil der Anlayse", sagte BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen. Seit dem Referenzjahr 2005 seien die Kosten um 40 Prozent gesenkt worden, dazu kämen auf der Habenseite die Erfolge und der Technologietransfer. Es sei sicher nicht gut, wenn die Großwetterlage in der Formel 1 durch Ereignisse abseits der Strecke bestimmt werde, aber ein Domino-Effekt sei durch die Mercedes-Ereignisse nicht zu befürchten.
Für den Daimler-Betriebsratsvorsitzenden Helmut Lense und die meisten Arbeitnehmer im Konzern ist der Formel-1-Auftritt von Mercedes mit Blick auf geplante Einsparungen von zwei Milliarden Euro in diesem Jahr nicht mehr vermittelbar. "Die Formel 1 hat keine Akzeptanz in der Belegschaft. Das muss man zur Kenntnis nehmen", hatte er der Stuttgarter Zeitung gesagt. Die Reaktion der Beschäftigten auf den Betriebsversammlungen in allen Daimler-Werken im April hätte dies gezeigt - deshalb sei ein Ausstieg angeraten.
Zukunft ohne Autokonzerne
Automobil-Weltverbandschef Max Mosley indes plant offenbar längst ohne die großen Autokonzerne. Mit seinem Vorstoß für eine Budget- Obergrenze brüskierte der Brite die Hersteller und öffnete die Tür für weitere Privat-Rennställe. "Ich finde das eigentlich ein bisschen schade, wir haben gerade so eine interessante Formel-1-Situation. Man muss die Grenzen kennen, wie weit man gehen kann und wo man aufpassen muss", sagte Rekord-Weltmeister Michael Schumacher.
Doch Mosleys Idee hat anscheinend Erfolg. Am Mittwoch enthüllte der britische Traditions-Rennstall Lola Pläne für eine Rückkehr in die Formel 1. Einen Tag später meldete auch das englische Prodrive- Team Interesse an. Die Vorschläge des Weltverbands könnten dazu führen, "dass die Formel 1 zu ihrem fundamentalen Ethos zurückkehrt und die mit dem größtem Erfindungsreichtum und der besten Organisation Erfolg haben und nicht die mit dem größten Budget", sagte Prodrive-Chef David Richards.