Jens Lehmann hat sich für die persönlichen Angriffe gegen seinen Torwart-Kollegen Oliver Kahn entschuldigt, zugleich aber seinen Anspruch auf die Nummer eins in der Fußball-Nationalmannschaft bekräftigt. "Ich muss zugeben, dass man hinein interpretieren kann, ich wolle mich moralisch über Kahn erheben. Insofern war es sicherlich leichtfertig. Dafür muss ich mich entschuldigen", sagte der Schlussmann von Arsenal London im Interview mit der "Bild"-Zeitung (Samstag-Ausgabe).
Nach dem Länderspiel in Kroatien hatte Lehmann seinem Unmut über die Reservistenrolle im DFB-Team Luft gemacht und Kahn dabei auch persönlich mit den Worten attackiert: "Ich habe keine 24-jährige Freundin, ich habe ein anderes Leben." Im Gespräch mit "Bild" räumte Lehmann ein: "Ich wollte mich absolut nicht in Kahns Privatleben einmischen... Ehe kaputt, davor ist letztlich keiner sicher." Es sei aber nach wie vor gerechtfertigt, "dass ich Ansprüche gestellt habe", machte der 34-Jährige noch einmal deutlich.
Völler will Dialog suchen
Der DFB-Teamchef hatte angesichts des gewaltigen Echos, das die neuen Lehmann-Attacken gegen Stammtorhüter Oliver Kahn ausgelöst haben, auf eine Versachlichung der Debatten gedrängt. Zugleich bekräftigte er, vor einer Entscheidung über eine eventuelle Verbannung von Lehmann aus dem EM-Kader den Dialog mit dem Torhüter des FC Arsenal suchen zu wollen. "Ich werde in Kürze in London sein, dann wird das klärende Gespräch stattfinden", sagte Völler am Freitag. Mehr wollte er dazu nicht sagen. Torwart-Trainer Sepp Maier machte gegenüber dem Nachrichtensender n-tv allerdings deutlich: "Wenn er (Lehmann) nicht akzeptiert, dass er die Nummer zwei ist, dann wird Rudi Völler sich wohl von ihm trennen."
"Ich fürchte, es wird keine Ruhe mehr geben. Und diese Spannungen können schnell auf die Mannschaft übergreifen", ergänzte der Bayern-Präsident mit dem Hinweis auf die WM 1986 in Mexiko. Damals hatte er als DFB-Teamchef den meuternden Uli Stein nach Hause geschickt, als der sich nicht mit seiner Ersatzrolle hinter Toni Schumacher anfreunden konnte und gegen den Konkurrenten sowie Beckenbauer ("Suppenkasper") gestänkert hatte.
DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder wurde bei einer FIFA-Tagung in Zürich vom verschärften Ton im Torwart-Streit unterrichtet, wollte sich aber nicht in den Entscheidungsprozess um Lehmanns Zukunft einmischen. Diese Entscheidung bleibt allein Völler vorbehalten, der vor allem die Einhaltung des Ehrenkodex im Nationalteam eingefordert hatte: "Privates hat in der Öffentlichkeit nichts verloren." Genau dies aber hatte Lehmann mit dem Hinweis auf Kahns neue Freundin Verena (22) getan. "Wir können keine Unruhe gebrauchen", stellte Bundestrainer Michael Skibbe mit Blick auf die EM-Endrunde vom 12. Juni bis 4. Juli in Portugal nochmals in der "Welt" heraus.
Rost erster Anwärter auf die Nummer zwei
Sollte Lehmann, der sein erstes Länderspiel im Februar 1998 in Maskat gegen Oman (2:0) absolvierte, nach sechs Jahren seine Aufgabe als Kahn-Ersatz nicht mehr akzeptieren, müsste Völler die Torwart- Hierarchie neu ordnen. Der Schalker Frank Rost, in der Bundesliga zuletzt mit den besten Leistungen und 2003 bereits in drei von elf Länderspielen eingesetzt, wäre erster Anwärter auf die Nummer zwei. Timo Hildebrand (VfB Stuttgart) oder Jörg Butt (Bayer Leverkusen) kämen als Nummer 3 in Frage.