Fußball ist nicht all zu kompliziert. Manchmal reichen kleine Änderungen, um eine Mannschaft aus dem Rhythmus zu bringen. So wie den VfB Stuttgart, der eine Halbzeit lang nicht wusste, ob er 4-4-2 oder 4-2-3-1 spielen sollte. Dann aber genügten den Schwaben zwei gute Szenen, um verdient mit 2:0 in Kaiserslautern zu gewinnen.
Khalid Boulahrouz, vor der Pause nach einem bösen Foul an Itay Shechter noch ungeschoren davongekommen, war an beiden VfB-Treffern beteiligt. In der 52. Minute flankte er in die Mitte für Cacaus Führungstor, und mit einem von Leon Jessen abgefälschten Schuss markierte der Rechtsverteidiger den Endstand 17 Minuten später selbst.
Die schwache Vorstellung des FCK, der zunächst noch im Rahmen seiner Möglichkeiten ordentlich aufgetreten war, manifestierte sich in der Schlussphase in einer grotesken, von Shechter und Konstantinos Fortounis in Tateinheit vergebenen Riesenchance.
Stuttgart erstmals mit Raute - auf dem Papier zumindest
Marco Kurz änderte die Startelf, die in Wolfsburg trotz Überzahl mit 0:1 verloren hatte, auf nur einer Position und brachte Richard Sukuta-Pasu im rechten Mittelfeld für den zuletzt enttäuschenden Clemens Walch. Da wollte Bruno Labbadia schon mehr verändern nach der Heimniederlage gegen den HSV. Der Trainer stellte an einer seiner früheren Stationen (bei insgesamt zehn verschiedenen Arbeitgebern im Profibereich ist die Trefferquote allerdings hoch) das System von 4-2-3-1 auf ein 4-4-2 mit Raute um.
Es mochte an der kurzfristigen Verletzung von Zdravko Kuzmanovic gelegen haben, die Labbadia zu dieser Maßnahme bewog, schließlich hatte der VfB bisher immer mit der sehr stabilen Doppelsechs William Kvist - Kuzmanovic gespielt. Arthur Boka erhielt auf der linken Verteidigerposition den Vorzug vor Cristian Molinaro, Tamas Hajnal kam für Christian Gentner und sollte den Spielmacher geben, und an Stelle von Kuzmanovic brachte Labbadia mit Pavel Pogrebnyak eine zweite Spitze, die sich allerdings im Wechsel mit Cacau immer wieder ins Mittelfeld zurückfallen ließ, während die beiden Außenspieler Martin Harnik und Shinj Okazaki sehr weit aufrückten und eher als Außenstürmer auftraten.
So näherte sich Stuttgarts System faktisch dem 4-2-3-1 an, wenngleich ohne die richtigen Spieler auf allen Positionen dafür zu haben. Zu ungenau war oft der Spielaufbau, zu unklar schienen sich die Spieler der ihnen zugedachten Laufwege zu sein, was oft Situationen ergab, in denen vier Stuttgarter vorne auf Anspiele warteten, die der überforderte und allein gelassene Hajnal aber nicht an den Mann brachte.
Der FCK mit der einzig nennenswerten Torraumszene vor der Pause
Ergebnis: In der ganzen ersten Halbzeit brachten die Gäste keinen Schuss aufs Lauterer Tor. Anders die zwar insgesamt auch nicht besseren Pfälzer, die aber wenigstens das limitierte System verinnerlicht hatten, das sie spielen wollten. Was dann in den nennenswertesten Abschluss vor der Pause mündete. Einmal kam Sven Ulreich stark gegen Christian Tiffert aus dem Tor, nachdem der FCK durch eine clevere Spielverlagerung durch den in dieser Szene nach links ausgewichenen Sukuta-Pasu eine Eins-gegen-Eins-Situation herausgespielt hatte.
Der VfB krankte, obgleich defensiv sonst solide, im Aufbauspiel daran, dass Martin Harnik zu schnell nach innen zog und Khalid Boulahrouzs Vorstöße so nicht zu Überzahlsituationen auf dem rechten Flügel gegen Leon Jessen führten. Boulahrouz lieferte darüber hinaus noch ein weiteres negatives Beispiel für die mangelnde Stuttgarter Abstimmung, als er einen eigentlich von Kvist schon gut abgelaufenen Konter des FCK noch mit einem bösen Einsteigen gegen den schon gestellten Itay Shechter adelte, dem Boulahrouz mit der Stolle voran auf den Knöchel stieg. Eigentlich zwingend mindestens Gelb, aber Schiedsrichter Günter Perl hatte nicht einmal das Foul bemerkt.
Bei aller Kritik an den Stuttgarter Problemen - angesichts der Harmlosigkeit des Gegners war dennoch abzusehen, dass nur wenig fehlte, um nach diesem Auswärtsspiel wie vor zwei Wochen in Freiburg als Sieger nach Hause zu fahren. Wie etwa eine Standardsituation (nach einem Eckball kurz nach Wiederanpfiff sprang Kevin Trapp unter dem Ball hindurch, auch Shechter verfehlte, und Cacau war am langen Pfosten zu überrascht, um aus kurzer Distanz zu vollstrecken).
Hajnal mit mehr Platz und dem einen, entscheidenden Pass
Oder eine einfache Balleroberung im gegnerischen Angriffsdrittel. Eine solche gelang Hajnal in der 52. Minute gegen Oliver Kirch, der Stuttgarter passte schnell durch die Schnittstellte zwischen Rodnei und Jessen, Boulahrouz war in Jessens Rücen gestartet, flankte präzise vors Tor, wo Cacau schon getroffen hatte, ehe manche Lauterer bemerkt hatten, nicht mehr im Ballbesitz zu sein.
Oder der Umstand, dass Konstantinos Fortounis für Thanos Petsos eingewechselt wurde. Denn der nun in die Zentrale rückende Tiffert machte in der Defensive nicht den konzentriertesten Job, und nun konnte Hajnal im Verbund mit dem nach innen ziehenden Harnik und Kvist Überzahlsituationen kreieren. So auch vor dem 0:2, als Harniks Lauf in die Mitte ihm ein Anspiel Hajnals einbrachte und nebenbei die FCK-Abwehr nach rechts lockte. So hatte Boulahrouz wieder viel Platz, wurde von Harnik angespielt und schoss diesmal selbst.
Von Jessen abgefälscht, von Trapp nur berührt, landete auch dieser Ball im Netz, und die Vorentscheidung war in der 69. Minute gefallen. Als Schechter, der vor dem zweiten Gegentreffer noch dank eines starken Ulreich-Reflexes die Ausgleichschance vergeben hatte, dann wenige Minuten später frei vor Ulreich auftauchte, aber nicht abschloss, sondern querlegte auf Fortounis, der dann ebenfalls weniger Entschlusskraft zeigte als Hamlet persönlich und wieder zurück zu Schechter spielte, der nun vor lauter Panik auf den Ball trat, wussten auch die optmistischsten Pfälzer, dass Mainz einstweilen die einzige Gastmannschaft bleiben würde, die in dieser Saison auf dem Betzenberg verloren hat.
Daniel Raecke