Die überraschende Absage von Wunschkandidat Ottmar Hitzfeld hat den Deutschen Fußball-Bund und seinen Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder in höchste Not und große Ratlosigkeit gestürzt. Eine schnelle Lösung der Nachfolge von Rudi Völler scheint jetzt ausgeschlossen, bei der Bundestrainer-Suche muss der DFB-Chef wieder völlig von vorn anfangen. "Ich habe keinen Plan B. Das Präsidium wird am Montag die Möglichkeit haben, seine Gedanken über Namen und Trainer vorzutragen", erklärte Mayer-Vorfelder am Donnerstag in Lissabon. Nur eine Anforderung nannte er bereits: Der Trainer sollte "fließend Deutsch sprechen".
Eine Woche nach dem Rücktritt von Völler als Teamchef der Nationalmannschaft lehnte Hitzfeld das Angebot auf die Nachfolge ab. Als Hauptgrund für das Nein nannte er sein persönliches Befinden. "Ich fühle mich noch etwas leer, der Akku ist noch lange nicht aufgeladen", meinte der bei Bayern München beurlaubte Trainer. Die Entscheidung sei ihm sehr schwer gefallen, "ich habe lange mit mir gerungen", unterstrich Hitzfeld. "Er hat gesagt, er brauche dringend eine Auszeit, um wieder die körperliche Verfassung zu erreichen, die er für solch eine Aufgabe benötigt", berichtete Mayer-Vorfelder vom "längeren Telefonat" mit Hitzfeld.
"MV" muss um Wiederwahl bangen
Auch für den Präsidenten kam die Absage völlig überraschend. "Wir hatten sehr intensive Gespräche geführt und waren uns in allen Punkten einig", berichtete Mayer-Vorfelder. Der durch seinen eigenmächtigen Führungsstil stark in die Kritik geratene Verbandschef muss nun ein doppeltes Dilemma lösen. Er soll einen Bundestrainer aus dem Ärmel zaubern, der die breite Zustimmung von Bundesliga, Fans und DFB-Kollegen findet. Zudem muss er um seine Wiederwahl am 23. Oktober in Osnabrück bangen.
Die verärgerte Basis hat mit der Nennung des Gegenkandidaten Theo Zwanziger den Wahlkampf am Donnerstag endgültig eröffnet. DFB- Schatzmeister Zwanziger soll schon bei der geheimen Versammlung der Regional-Präsidenten dabei gewesen sein. "Ich bin Stürme gewohnt. Ich habe mir keinen Vorwurf zu machen. Wenn das in der Präsidiumssitzung angesprochen wird, kann ich den Leuten in die Augen schauen und meine Gründe darlegen, warum ich so und nicht anders gehandelt habe", reagierte Mayer-Vorfelder auf die Entwicklung.
"Das Amt des Bundestrainers ist eine Auszeichnung"
Der Machtkampf beim DFB habe keinerlei Einfluss auf seine Entscheidung gehabt, den Posten des Bundestrainers nicht anzutreten, betonte indes Hitzfeld in einem dpa-Gespräch. "Das hat überhaupt keine Rolle gespielt. Der Präsident hat sich hervorragend verhalten", sagte der 55-Jährige. In einer gemeinsamen Erklärung des Fußball- Lehrers mit dem DFB hob er zudem hervor: "Das Amt des Bundestrainers ist eine Auszeichnung, die Weltmeisterschaft im eigenen Land ein Traum. Aber ich bin derzeit nicht in der Verfassung, die nötig ist, der deutschen Nationalmannschaft bis zur WM 2006 weiter zu helfen - so, wie ich das unbedingt für nötig halte."
In einem gewissen Widerspruch dazu steht seine Aussage, er habe in einem "guten Gespräch" mit Mayer-Vorfelder "Einigkeit in allen wesentlichen Punkten erzielt". Hitzfeld hatte nach Beendigung seiner Tätigkeit bei Bayern München erklärt, er wolle für ein Jahr eine Auszeit nehmen. Dennoch hatte er sich als Völler-Nachfolger selbst ins Gespräch gebracht und sich in Verhandlungen mit Mayer-Vorfelder begeben. "Ich bedauere die Entscheidung von Ottmar Hitzfeld, aber ich habe sie zu respektieren", sagte der DFB-Chef.
"Jetzt haben wir ein Problem"
Hitzfelds Nein entzündet die Diskussionen um Namen und Lösungen für die Führung des bei der EM frühzeitig gescheiterten Nationalteams neu. "Jetzt haben wir ein Problem", erklärte Hitzfelds Nachfolger beim FC Bayern, Felix Magath. Gegenwärtig sind alle deutschen Spitzentrainer wie Magath, Jupp Heynckes (Schalke 04) oder Matthias Sammer (VfB Stuttgart) unter Vertrag.
Im Verlauf der bisherigen Suche war Griechenlands Nationaltrainer Otto Rehhagel als Kandidat durch eine eigene Absage ausgefallen. Der ebenfalls als Völler-Nachfolger gehandelte Christoph Daum (Fenerbahce Istanbul) ist in der DFB-Spitze wegen seiner Kokain-Affäre nicht vermittelbar. Ausländische Trainer sind nach Ansicht von DFB- Vizepräsident Engelbert Nelle "nicht durchsetzbar". Solche mit Deutsch-Kenntnissen wie der Niederländer Guus Hiddink oder der Däne Morten Olsen aber wollte Mayer-Vorfelder nicht ausschließen.
Von entscheidender Bedeutung ist nun die für Montagabend in Frankfurt/Main angesetzte Präsidiumssitzung, bei der das weitere Vorgehen der Verbands-Führung vereinbart werden soll. Nach diesem Treffen wird auch mehr Klarheit darüber herrschen, ob sich der wegen seiner Eigenmächtigkeiten heftig gescholtene Mayer-Vorfelder als DFB- Präsident im Amt halten kann. Vizepräsident Nelle hatte eine "grässliche Stimmung" in den Landesverbänden und als "Wurzel und Ausgangspunkt des Übels" den Präsidenten ausgemacht.