So ruhig hatte man den frisch frisierten Jürgen Klinsmann lange nicht mehr an der Seitenlinie erlebt. Von wegen Rumpelstilzchen: Ganz entspannt gab er über 90 Minuten seine Anweisungen, hier und da mal eine schüchterne Handbewegung in Richtung seiner Spieler, verschieben, pressen, die Räume eng machen - Klinsmanns Nerven durften sich auf dem Weg zum letztlich sicheren 3:0-Erfolg gegen den AC Florenz endlich einmal eine Auszeit nehmen.
Lange genug hat es gedauert, aber nun war der Moment gekommen, dass Klinsmanns Mannschaft aus dem spätsommerlichen Tiefschlaf erwachte. Dabei half an diesem Champions-League-Abend auch das Glück des schnellen Tores. Es waren gerade einmal fünf Minuten gespielt, als man im weiten Rund der Allianz Arena nur noch eines sah: Ungläubiges Staunen. Bärenstark hatten die Bayern gegen den Gegner aus der Toskana begonnen. Eine Torchance nach der anderen wurde herausgespielt, die schnellen Tore von Miroslav Klose und Bastian Schweinsteiger fielen folgerichtig.
Hitzfeld lässt grüßen
Eines wurde aber auch klar: Die Bayern sind trotz der klaren Leistungssteigerung immer noch nicht da, wo Klinsmann sie gerne hätte. Dafür hatten die spielstarken Florentiner während der gesamten Partie viel zu viele Möglichkeiten, die sie leichtfertig vergaben. Klinsmann zeigte sich nach dem Sieg dennoch zufrieden: "Wir hatten eindeutig die klareren Chancen. Deswegen hatte ich auch nie Angst, dass es heute schief gehen könnte." Dennoch: Stabil und gefestigt wirkte der krisengeschüttelte deutsche Meister auch gegen Florenz nicht. Aber mittlerweile scheint er auf einem guten Weg dahin.
Dass die Bayern mit zuletzt zwei Siegen in der Bundesliga und in der Champions League wieder in der Erfolgsspur zurück gefunden haben, ist auch einem Mann zu verdanken, dessen taktische Ausrichtung in München in den letzten Monaten gerne einmal als unmodern und antiquiert gebrandmarkt wurde: Ottmar Hitzfeld. Da genügte ein Blick auf die Mannschaftsaufstellung vor dem Florenz-Spiel. Da stand schwarz auf weiß ein astreines 4-4-2-System, also genau die Taktik, mit der Hitzfeld in München jahrelang Titel sammelte. Und auch die Spielernamen waren fast identisch: Bis auf den gegen Florenz in einigen Situationen überragenden Kahn-Nachfolger Michael Rensing und Massimo Oddo stand da die alte Hitzfeld-Truppe auf dem Platz.
Der neue Mann: Klinsfeld
Klinsmann plus Hitzfeld gleich Klinsfeld - so scheint die Formel der jüngsten Bayern-Erfolge zu lauten. Klinsmann hat offensichtlich Schluss gemacht mit seinen taktischen Verrenkungen und Zwangsrotationen und hat sich auch dem Willen seiner Spieler unterworfen. Nach vorne im Rückwärtsgang - so heißt die neue Marschrichtung der Bayern. Mit zwei Sechsern im Mittelfeld, neuen Leadern wie Demichelis, Lahm und Klose sowie beruhigenden Querpässen statt unabdingbarem Tempofußball spielen die Klinsmann-Bayern jetzt wieder Hitzfeld-Fußball. Klinsmanns "Taktik-Revolution" hat spätestens zum dritten Spieltag der Champions League ausgespielt.
Stattdessen ist die altbewährte Bayern-Routine eingekehrt. "Man hat gesehen, dass die Mannschaft jetzt zusammenwächst. Langsam beginnen die Automatismen zu greifen, deshalb sind wir auch sehr zufrieden", erklärte ein zu diesem Zeitpunkt noch entspannter Uli Hoeneß den auf ihn einstürmenden Journalisten. In der Tat scheint Klinsmann seine Stammformation gefunden zu haben. Er vertraut den elf Spielern, die gegen Florenz begonnen haben. Eine Maßnahme allerdings, die auch aus der Not geboren ist. Denn von der Bank kommt immer noch herzlich wenig, sowohl Lukas Podolski als auch Tim Borowski enttäuschten nach ihrer Einwechslung. Und das Talent Toni Kroos saß erneut nur auf der Tribüne.
Viele Fehler in der Abwehr
Trotz des Bayern-Sieges bleiben Fragezeichen, die besonders die Defensive betreffen. Wären die Florentiner und ganz speziell die stark spielenden Adrian Mutu und Alberto Gilardino bei ihren vielen Chancen konsequenter gewesen, hätte die Partie durchaus auch anders enden können. Das erkannte auch Mark van Bommel: "Wir hatten sehr viel Glück. Ohne den überragenden Rensing wäre es heute sehr eng geworden." Viel Arbeit also noch für Klinsmann, um die Baustelle Abwehr zu festigen. Auch bei diesem Problem könnte ihm Hitzfeld helfen. Unter dessen Regie standen die Bayern zumeist bombensicher.
Zu später Stunde sorgte dann doch noch Uli Hoeneß dafür, dass der Abend nicht zu schön wurde. Nachdem bereits am vergangenen Samstag ein Journalist Opfer seines Zorns wurde, ließ er in der "Mixed Zone" seinen Gefühlen auch diesmal freien Lauf. Angesprochen auf Michael Ballacks Medien-Schelte gegen Bundestrainer Joachim Löw, verließ er wild fluchend die Interview-Zone. Hoeneß sauer, Gespräch beendet. Zum Glück für die anwesenden Fragensteller hatten Hoeneß' Bayern nicht auch noch das Spiel verloren.