DFB-Team "Jeder muss besser werden"

Von Klaus Bellstedt
Den Blick für die Realität haben sie beim DFB glücklicherweise noch nicht verloren. Zwei Tage nach der Blamage gegen die Türkei legte Assistenzcoach Jogi Löw den Finger in die Wunde und nahm die Spieler in die Pflicht.

Franz Beckenbauer hatte schon immer ein feines Gespür für Strömungen und Stimmungen im Lande. Nach der desolaten Vorstellung der deutschen Nationalmannschaft beim 1:2 im Testspiel gegen die Türkei vom letzten Wochenende sprach der kaiserliche WM-Chef eine ernstzunehmende Warnung in Richtung Jürgen Klinsmann aus: "Da braut sich etwas zusammen. Der Coach muss sich jetzt helfen lassen und mit den Bundesliga-Trainern sprechen." Die hatten zuletzt heftige Kritik am Trainerstab des DFB geübt.

Klinsmann ziehe sein Programm durch, ohne Wünsche nach Regenerationsphasen für besonders stark belastete Spieler zu berücksichtigen, so lautete einer der Vorwürfe aus der Gilde der Übungsleiter. Was sie konkret meinten, war klar: Der Fitnesstest mit den amerikanischen Fitmachern in Hamburg vor der Türkei-Reise mitten in den englischen Wochen der Spitzenvereine war ihnen besonders übel aufgestoßen. Die Gründe für die peinliche Niederlage am Bosporus lagen fortan auf der Hand. Beckenbauer war es vorbehalten, sie als Erster zu artikulieren: "Ich habe eine gewisse Gemütlichkeit gesehen, Spritzigkeit war nicht da."

"Spieler müssen Grenzen überschreiten"

Nach zwei Tagen interner Aufarbeitung fanden schließlich auch die unmittelbar Beteiligten ihre Stimme wieder. "Wir waren in den ersten 45 Minuten praktisch nicht vorhanden. Das war emotional schon sehr schwach, weder Biss noch Leidenschaft waren vorhanden", urteilte Assistenztrainer Joachim Löw am Montag in Hamburg. Den Blick für die Realität haben sie beim DFB also noch nicht verloren. Den Vorwurf, dass die Pleite möglicherweise im engen Zusammenhang mit der körperlichen Verfassung der Spieler zusammenhängen könnte, ließ Löw indes nicht gelten. "Es ist klar, dass die Spieler mal schwere Beine haben, aber dann müssen sie auch mal über diese Grenze hinweggehen."

Einmal in Rage verteidigte Löw die hohe Belastung in den Trainingseinheiten der Nationalelf und knöpfte sich stattdessen die Spieler vor: "Wer Champion werden will, muss mehr investieren. Wir verlangen eine klare Leistungssteigerung. Jeder Einzelne muss 15 - 20 Prozent mehr tun, wenn wir an unserem Ziel festhalten wollen", sagte der frühere Trainer des VfB Stuttgart und ergänzte: "Jeden Tag machen wir den Jungs klar, wo sie stehen und geben ihnen die entsprechenden Lösungsvorschläge. Fazit: Jeder muss besser werden"!

Verändertes DFB-Team gegen China

In seinem gut halbstündigen Appell verteidigte Löw vehement den eingeschlagenen Kurs und erstickte jedwede Kritik - vor allem auch die am viel diskutierten Fitnesstest - bereits im Keim. "Der Cheftrainer Jürgen Klinsmann hat den Fitnesstest selbst mitgemacht, der ist seit zehn Jahren Hobbysportler, der joggt ab und zu mal und fährt ein bisschen Fahrrad, 160 Puls. Insgesamt waren das sieben Läufe über eine Gesamtdistanz von 3,5 Kilometern. Da ist ja wohl für jeden Profi verkraftbar", sagte der Assistenztrainer. Nationalstürmer Miroslav Klose, dessen Rückkehr bei der Partie gegen China am Mittwoch in Hamburg nach einer Magen-Grippe weiter fraglich ist, trat seinem Coach zur Seite: "Ich habe zwar den Fitnesstest nicht absolviert, aber ich muss sagen, dass das Training der amerikanischen Experten wirkt. Ich spüre manchmal Muskelgruppen, die ich vorher nicht kannte."

Im Training bleibt also vorerst alles beim Alten. Für die Aufstellung gegen die Volksrepublik China dürfte das allerdings nicht gelten. Joachim Löw kündigte an, dass Jürgen Klinsmann auf die enttäuschende Leistung der Nationalmannschaft beim 1:2 in der Türkei mit personellen Änderungen reagieren wird. "Es gibt sicher die eine oder andere Veränderung." Erfahrene Akteure wie Torsten Frings oder Bernd Schneider dürften davon sicher nicht betroffen sein, dafür müssen die beiden Mittelfeldspieler aber noch einmal zu einem Extra-Rapport antreten, verriet Löw: "Sie müssen klare Anweisungen geben und Zeichen setzen. Sie müssen die jungen Spieler führen und ihnen Hilfestellung geben. Sie dürfen sich nicht in ihr Schicksal ergeben." Der Ton in der Nationalmannschaft wird rauer...

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