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WM 2018 in Russland Nicht nur Özil/Gündogan: Welche Probleme die Nationalelf im Gepäck hat

Ilkay Gündogan Nationalelf
Hartes Stück Arbeit: Erschöpfte deutsche Nationalspieler klatschen sich nach dem Spiel gegen Saudi-Arabien ab
© Martin Rose / Getty Images
Es wird ernst: Die deutsche Nationalelf reist am Dienstag in ihr WM-Quartier nach Moskau. Doch die Testspiele haben gezeigt, dass sie eine Reihe von Problemen im Gepäck mitschleppt. Eine Analyse.

Die deutsche Nationalelf und ihr gesamter Tross treffen am Dienstag in Watutinki ein, ein kleiner Trabantenort im Südwesten von Moskau. Dort beziehen sie das Mannschaftshotel im Stile eines Plattenbaus mitten im Wald. Am Sonntag steht das erste Spiel gegen Mexiko an (ab 17.00 Uhr im stern-Liveticker), den wohl schwersten Gruppengegner. Bundestrainer Löw bleiben also noch fünf Tage, um der Mannschaft den letzten Feinschliff zu verpassen.

Die beiden letzten Testspiele gegen Österreich und Saudi-Arabien haben gezeigt: Es gibt noch einiges zu tun für Löw. Derartige Partien sind zwar nur bedingt ein Gradmesser für die Form der Mannschaft, weil sie während der intensiven Vorbereitung stattfanden. Da ist es normal, dass die Mannschaft in Sachen Fitness und Konzentration nicht voll auf der Höhe ist.

Dennoch haben die Partien die Schwachstellen offengelegt, die der Mannschaft zu schaffen machen könnten.

1. Die Souveränität eines Titelverteidigers fehlt (noch)

Gegen Saudi-Arabien wurde es deutlich: Die Nationalelf wollte gegen einen unterklassigen Gegner glänzen - und verrannte sich dabei. Sie rettete einen schmeichelhaften 2:1-Sieg gegen am Ende mutiger spielende Saudis über die Zeit. Sie ließ die Souveränität eines Weltmeister vermissen. Mit jedem Angriff (besonders in der ersten Halbzeit) sollte unmittelbar eine Torchance erzwungen werden, statt das Spiel zwischendurch kühl zu kontrollieren und den Ball zirkulieren zu lassen - und auf den richtigen Moment zu lauern. Mannschaftskapitän Manuel Neuer brachte es auf den Punkt: "Ich denke, dass wir einen guten Zwischenzustand haben und gut reingekommen sind. Dann hat uns die Coolness und Cleverness gefehlt. Man muss nicht immer sofort versuchen, ein Tor zu erzielen." Auch oder vielleicht sogar gerade ein Weltmeister muss nicht immer glänzen und jeden Gegner über 90 Minuten zermalmen. Die Spieler müssen ihre Frustrationstoleranz steigern, denn schließlich wird jeder Gegner gegen Deutschland besonders motiviert sein.

2. Die Defensive funktioniert nicht reibungslos

Die Defensive der Deutschen war bei der WM in Brasilien das Prunkstück, weil die komplette Mannschaft nahezu alles richtig machte und Mittelfeld und Angriff nach hinten arbeiteten. Gegen Österrreich und Saudi-Arabien war genau das nicht der Fall. Die Viererkette wurde häufig von ihren Vorderleuten in Stich gelassen. Mats Hummels kritisierte seine Mitspieler während der Partien immer wieder lautstark. Hier fehlt die Harmonie zwischen den Mannschaftsteilen. Ein wesentlicher Faktor für die defensive Anfälligkeit war die hohe Fehlerquote im Spielaufbau: Joachim Löw analysierte das in einem Interview mit dem "kicker": "Gegen Österreich war das nicht gut. Da hatten wir viele unnötige Ballverluste, dadurch mussten wir lange Wege gehen, die zu großen Kraftverlusten in diesem Spiel führten."

WM 2018 in Russland: Nicht nur Özil/Gündogan: Welche Probleme die Nationalelf im Gepäck hat

3. Fehlende Durchschlagskraft

Die deutsche Elf ist in der Offensive hervorragend bestückt und besitzt ein enormes Kreativpotential. Allerdings war sie in den Testspielen nicht in der Lage, ihre Fähigkeiten voll auszuspielen. Sie nutzte ihre Chancen nicht oder agierte phasenweise ideenlos. Die Frage bleibt auch, ob Timo Werner als Stürmer Nummer eins zündet und sich das Zusammenspiel mit Reus, Özil, Draxler und Müller verbessert. Das wunderschön herausgespielte 1:0 gegen Saudi-Arabien hat angedeutet, was alles möglich ist.

Wie fit sind Manuel Neuer und Jérôme Boateng?

4. Die angeschlagene Achse

Das Gerüst der Mannschaft besteht aus den Weltmeistern von 2014: Manuel Neuer, Jérôme Boateng, Mats Hummels, Sami Khedira, Toni Kroos, Mesut Özil und Thomas Müller. Das Problem: Neuer fehlen wegen seines Fußbruchs neun Monate Spielpraxis, Boateng ist nach seiner jüngsten Muskelverletzung nicht hundertprozentig fit und Özil hat mit Rückenproblemen zu kämpfen und sucht nach seiner Form. Die Frage bleibt, ob die Achse genauso stark ist wie vor vier Jahren.

5. Das Erdogan-Problem

Das fünfte Problem betrifft die hitzige Debatte um Özil und Gündogan, die sich gemeinsam mit dem türkischen Präsidenten Erdogan in London ablichten ließen. Der DFB versuchte, die Debatte abzuwürgen, doch das funktioniert nicht. Es gab laute Pfiffe gegen Özil und Gündogan während der Testspiele. Tiefpunkt war der Jubel einiger Fans, als Gündogan im Spiel gegen Österreich gefoult wurde. In den sozialen Medien hält die Kritik weiter an. Löw hat zugegeben, dass besonders Gündogan die Kritik sehr nahe gegangen ist. Wie die Debatte weiter verläuft, ist offen. Es wäre der Nationalelf zu wünschen, dass sie bald abflaut, denn sie kann durchaus negative Folgen für die Leistungsfähigkeit der Mannschaft haben. (Alles zum Thema in diesem Artikel der "11Freunde").

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