Österreich - Deutschland So wird aus Wien kein Córdoba

Von Nico Stankewitz
Löw setzt gegen Österreich (ab 20.30 Uhr im stern.de-Liveticker) auf fast das selbe Team wie gegen Kroatien, lediglich Friedrich spielt für Jansen rechts hinten. Fußballerisch hat Deutschland gegen einen sicher aufopferungsvoll kämpfenden Underdog alle Trümpfe in der Hand - aber Vorsicht vor den Standards. Eine stern.de-Analyse.

Nach dem überzeugenden Auftakt gegen Polen lieferte die Nationalelf im Spiel gegen Kroatien eine ganz schwache Partie ab. Gegen Österreich, die schwächste Mannschaft der Gruppe B (Weltranglistenplatz 92), muss Deutschland an die konzentrierte Vorstellung aus dem ersten Spiel anknüpfen.

Gegen Österreich ist die psychologische Situation für die deutsche Mannschaft kompliziert, denn die Gastgeber sind großer Außenseiter und werden durch die Begeisterung im Land und den latenten Minderwertigkeitskomplex gegenüber den "Piefkes" zusätzlich angestachelt. Fußballerisch hat die österreichische Mannschaft allerdings erhebliche Defizite aufzuweisen, bei aller Begeisterung gibt es erhebliche Qualitätsunterschiede zur deutschen Elf.

Österreich: Naiver Turbo-Fußball

Die Mannschaft von Pepi Hickersberger spielt ein 4-4-2 mit offensiv besetzten Außenpositionen im Mittelfeld, also exakt das gleiche System wie die Löw-Elf. Taktische "Überraschungen" wie quirlige, ständig rotierende offensive Mittelfeldspieler sind hier bei allen Möglichkeiten, die Österreich noch hat, nicht zur erwarten.

Der entscheidende Schwachpunkt könnte im zentralen Mittelfeld liegen, wo Aufhauser/Leitgeb weder über das Defensivverhalten, noch über das spielerische Format der Routiniers Ballack und Frings verfügen.

Der technisch starke Regisseur Ivanschitz rechts und der dynamische Neu-Frankfurter Korkmaz links besetzen die Außenpositionen und werden auch dort ordentliche Defensivarbeit erforderlich machen. So wird Löw sicherlich auf die Variante mit Podolski im Mittelfeld verzichten, zumal auch die deutsche Ausgangsposition zu einer etwas defensiveren Grundhaltung einlädt - der DFB-Mannschaft reicht ja ein Unentschieden, um die nächste Runde zu erreichen.

Ein großes Manko der österreichischen Mannschaft ist das fast bedingungslose Nach-Vorne-Spielen, das mit vielen Ballverlusten verbunden ist. Da eröffnen sich gegnerischen Mannschaften Konterchancen, die für schnelle und robuste Stürmer wie Podolski, Klose oder Gomez wie geschaffen scheinen.

Dafür werden die Spieler allerdings von der ersten Minute einen höheren Aufmerksamkeitslevel als gegen Kroatien benötigen. Durch die vielen gegnerischen Ballverluste braucht man Spieler mit gutem Passspiel und der Fähigkeit, schnell von Defensive auf Offensive "umschalten" zu können, was etwa für Borowski auf einer der Außenbahnen sprechen würde.

Abwehr-Umbau vergrößert Schwierigkeiten

Durch die Sperre des zukünftigen Bremers Prödl ist Österreich zum Umbau seiner Abwehrformation gezwungen und wird wohl Pogatetz in die Innenverteidigung neben Stranzl ziehen und auf der linken Außenbahn einen neuen Spieler einbauen. Hickersberger muss damit auf seinen stärksten Kopfballspieler verzichten, der auch torgefährlich ist - er erzielte im März zwei Kopfballtreffer gegen die hoch gelobten Holländer bei der österreichischen 3:4-Niederlage.

Entscheidend wird hier sein, dass sich die deutschen Stürmer nicht nur selber besser gegen diese nicht erstklassige Innenverteidigung durchsetzen, sondern dass sie vor allem auch mit besseren Pässen in Szene gesetzt werden.

Es war nicht nur der Verdienst der guten kroatischen Defensiv-Arbeit, sondern auch ein Resultat der deutschen Schwäche, dass die Mannschaftsteile voneinander getrennt wurden und Deutschland auf verschiedenen Spielebenen isoliert wurde. Österreichs Abwehr wackelte aber schon gegen Polen immer wieder bedenklich, durch die Gelbsperre von Prödl wird sich dieser Mannschaftsteil noch deutlicher zu einem Problem entwickeln.

WM-Abwehr gegen torlose Stürmer

Bundestrainer Löw muss Marcell Jansen links hinten ersetzen, der aber nach seiner desaströsen Leistung gegen Kroatien ohnehin kein Thema für die Abwehr gewesen wäre. Für ihn wird Phillip Lahm die Seite wechseln, während rechts Friedrich in die Mannschaft rückt - damit ist die WM-Abwehr von 2006 wieder zusammen.

Torjäger Linz und Regionalliga-Stürmer Harnik sind beweglich und viel unterwegs, einzig die Treffsicherheit fehlte den torlosen Angreifern bisher.

Wichtig wird sein, dass hier die Abstimmung zwischen Mertesacker und Metzelder wieder besser klappt, denn beide Stürmer starten immer wieder in Lücken hinein und lauern auf Steilpässe, was in den ersten zwei Spielen zu vielen Torchancen führte. Zudem kann Hickersberger auf starke Standardsituationen bauen, Ivanschitz tritt angeschnittene, scharfe Ecken und Freistöße, die an David Beckham oder Sebastian Deisler erinnern, die deutsche Defensive wirkte bei solchen Bällen zuletzt nicht immer sattelfest.

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