Deutsche Presse feiert Nationalelf "Dreierkette, Viererkette, Fahrradkette - völlig egal!"

Wie gelang es Deutschland, den Italien-Fluch zu besiegen? Die deutschen Medien sehen die Ursache für den Triumph vor allem in den taktischen Umstellungen Löws. Nicht alle sind jedoch restlos überzeugt.

Der Sieg im Elfmeterschießen gegen Angstgegner Italien versetzt auch die deutschen Medien in Euphorie. Neben der aufopferungsvoll kämpfenden Mannschaft wird vor allem einer gefeiert: Bundestrainer Joachim Löw. Der hatte seine Mannschaft für das Spiel taktisch neu formiert - und damit offenbar alles richtig gemacht.

"Der Bundestrainer wagt viel - und gewinnt", schreibt Michael Horeni auf "FAZ.net". Allerdings will er Löw in seinen taktischen Spielchen nicht restlos folgen: "Was hatte sich Löw dabei gedacht, mit Draxler den besten Spieler des Achtelfinals auf die Bank zu setzen und erstmals das Defensivsystem umzubauen? Die Erinnerungen an sein Vabanque-Spiel vor vier Jahren beim 1:2 gegen Italien waren da: ein Trainer, der ein gut funktionierendes System ändert und sich stärker als zuvor am Gegner orientiert. Ein Wiederholungszwang, der Löw dazu trieb, der Fußballwelt zu beweisen, dass er doch eine überraschende Lösung gegen ein Topteam finden kann, die am Ende zum Erfolg führt?" Immerhin gesteht Horeni dem Bundestrainer zu, sein Plan sei bis zum italienischen Ausgleich aufgegangen.

Deutschland-Italien war ein taktisch geprägtes Duell

Mehr gefallen an der Umstellung auf die Dreierkette fanden  Lukas Rilke und Marcus Krämer auf "Spiegel-Online": "Nach Bekanntgabe der deutschen Startelf war die Skepsis groß. Wieder eine Änderung! Wieder ein bewährtes Konstrukt geändert! Alles wie 2012? Nein, Löw passte seine Formation klug an. Die Dreierkette nahm die italienische Offensive nahezu vollständig aus dem Spiel." Weil auch der italienische Trainer ein großer Taktiker sei, habe sich ein taktisch geprägtes Duell mit wenigen Höhepunkten entwickelt, bei der Geduld wichtig gewesen sei.

Löws taktische Umstellungen hebt auch Christian Spiller in seiner Analyse auf "Zeit.de" hervor: "Joachim Löw sorgte bei einigen Experten für Stirnrunzeln. (...) Löw hatte nämlich für Italien seine Mannschaft extra umgestellt. Er hatte sich mal wieder nach dem Gegner gerichtet, das wurde ihm vorgeworfen, wie 2012, da sei das ja schon einmal schiefgegangen, ebenfalls gegen Italien. (...) Löws Plan ging auf. Er spielte mit einer Dreierkette, eine etwas vorsichtigere Variante. Die Deutschen bestimmten das Spiel, kickten aber weit weniger risikoreich, als man es von ihnen gewohnt ist. Dafür aber ließen sie den Italienern, die in der Offensive auch eher piano unterwegs waren, kaum eine Chance."

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Die Mannschaft besser als der Trainer

"Löws Matchplan sah lange aus wie genau der richtige. Eine Ochsen-Abwehr gegen die luft- und zweikampfstarken italienischen Stürmer, das Zentrum verdichten, abwartend spielen: Italienisch spielen gegen die Italiener. Doch dann verletzte sich Sami Khedira, und der erste Plan war dahin", kommentiert Sebastian Fischer auf "süddeutsche.de". Letztlich sei aber Löws Mannschaft besser gewesen als der bestmögliche Plan ihres Trainers. 

Doch wen interessiert all das Taktik-BlaBla angesichts eines derart dramatischen Eltmeterschießens? Diese Haltung bringt die "Bild"-Zeitung perfekt auf den Punkt: "Dreierkette, Viererkette, Fahrradkette - völlig egal! Denn nach dem Italien-Kracher fehlen uns noch zwei Siege zum ersten EM-Sieg seit 1996."

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