Angeführt von Schotten-Schreck Thomas Müller hat Fußball-Weltmeister Deutschland praktisch das EM-Ticket gelöst. Das DFB-Team gewann am Montagabend im Hampden Park von Glasgow ein kurioses Länderspiel verdient mit 3:2 (2:2) und festigte mit 19 Punkten die Tabellenführung in Gruppe D. Mit seinen Qualifikationstreffern sieben und acht war Müller (18./34.) wie schon bei seinem Doppelpack beim 2:1-Hinspielsieg gegen Schottland erneut der Matchwinner. Auch am Siegtor von Ilkay Gündogan (54.) war der herausragende Bayern-Profi als Vorlagengeber beteiligt.
"Es ist schön, wenn die Bälle gut fallen und ich die richtigen Entscheidungen treffe. Die letzten Spiele habe ich gut getroffen, aber das kann man nicht immer planen", sagte Müller und bekam von Joachim Löw ein Extra-Lob: "Thomas hat einen Lauf und steht da, wo ein Stürmer stehen muss. Er hat ein Näschen für solche Situationen."
"Schwieriges Spiel"
Der Bundestrainer sprach aber auch von einem "schwierigen Spiel". Denn die nie aufsteckenden, aber nicht EM-reifen Schotten konnten vor 52.000 Zuschauern durch ein Eigentor von Weltmeister Mats Hummels (28.) und einem wuchtigen 16-Meter-Schuss von James McArthur (43.) zweimal ausgleichen. Am vorletzten Spieltag reicht der deutschen Mannschaft am 8. Oktober in Dublin gegen den Tabellendritten Irland schon ein Unentschieden zur endgültigen Qualifikation. "Die Mannschaft ist gut. Wir werden das natürlich schaffen", betonte Löw.
Die DFB-Elf in der Einzelkritik
Machte eine unglückliche Figur bei beiden Schotten-Toren. Morrison stand zwar vor ihm - aber seine Maßstäbe sind andere.
Der Länderspiel-Frischling zahlte kräftig Lehrgeld. Verursachte Freistoß und Ecke vor den Gegentoren. Stand oft falsch.
Über weite Strecken in seinem Kerngeschäft wenig gefordert. Bei den Gegentoren hatte er keine Aktie. Sicherte dann den Sieg ab.
Energisch gegen Fletscher, aber einige Unkonzentriertheiten. Unglücklich beim ersten Eigentor im DFB-Trikot.
Der Kölner ist nach vorn eine Bereicherung. Wird immer mehr eingebunden. In der Defensive auf seiner Seite kaum Probleme.
Wie gegen Polen ohne große Aktionen, mehr Mitläufer als Antreiber. Brachte keine entscheidende Idee nach vorn.
Eher der unauffällige Ballverteiler, großer Aktionsradius. Vermied das letzte Risiko, machte aber auch kaum Fehler.
Wieder einmal der Mann des Abends: Markierte seine Quali-Tore Nummer sieben und acht. Und auch am Siegtreffer beteiligt.
Nicht so auffällig wie gegen Polen. Aber klasse der Doppelpass mit Müller und sein 3:2. Einige exzellente Szenen.
Der Zauberer spielte sehr mannschaftsdienlich. Doch die linke Seite wird nicht mehr seine Wunschposition. Ihm fehlte der Biss.
Traf wieder zweimal - aber aus Abseitsposition. Bewegte sich viel, immer anspielbereit. Die Tor-Belohnung fehlt dieses Mal.
Durfte noch fünf Minuten mitmachen, um vielleicht den beruhigenden Konter zu setzen.
Kam für Özil. Taktische Einwechslung in der Nachspielzeit.
Einfach sei es in Schottland aber nicht gewesen. "Schottland hat nichts für ein gutes, offensives Spiel getan hat. Wir haben das Spiel dominiert und aus dem Spiel heraus keine Chance zugelassen", ergänzte Löw und Nationaltorhüter Manuel Neuer meinte: "Wir hatten vorne nicht viele Räume und haben bei den Standards Fehler gemacht. Deshalb konnten die Schotten zweimal ausgleichen. Die beiden Gegentore ärgern uns. Trotzdem haben wir ein gutes Spiel gemacht." Man müsse den Schwung mitnehmen, sagte Neuer, der in seinem 60. Länderspiel nicht den besten Tag erwischte.
Erster Sieg in Schottland seit 1993
Ohnehin wurde es für den Weltmeister beim ersten Sieg in Schottland seit dem 24. März 1993 eine mühsame Angelegenheit. Gegen das dichte Abwehrbollwerk der ultradefensiven Schotten - phasenweise verschanzte sich die Mannschaft von Gordon Strachan mit neun Spielern um den eigenen Strafraum - fehlte es der DFB-Auswahl oftmals an Ideen. Trotz des hohen Ballbesitzanteils kam die deutsche Mannschaft viel zu selten zu klaren Chancen.
Zunächst lief für den dreimaligen Europameister aber alles nach Wunsch. Mit der ersten Torchance ging die deutsche Mannschaft auch gleich in Führung. Ein harmloser Schuss von Müller wurde von Russell Martin in der 18. Minute unhaltbar für Keeper David Marshall abgefälscht. Ein Treffer, der der Löw-Mannschaft eigentlich in die Karten spielen sollte.
Can verursachte Freistoß
Doch es kam anders: Ein von Emre Can verursachter Freistoß führte zum völlig überraschenden Ausgleich. Den Freistoß von Maloney klatschte Neuer unglücklich auf den Dortmunder Verteidiger Hummels ab, von dem der Ball direkt ins Tor prallte. Es war das erste deutsche Eigentor seit dem 3. Juni 2011 gegen Österreich, als Arne Friedrich ein ähnliches Malheur unterlief.
Der Treffer ließ den Lärmpegel in Glasgow gehörig steigen. Aber nur für sechs Minuten, ehe Müller mal wieder als Spielverderber agierte. Einen Schuss von Can aus halbrechter Position wehrte Marshall genau zum Bayern-Star ab, der zur erneuten Führung einnickte. Für Müller war es der sechste Doppelpack im DFB-Dress und die Länderspiel-Treffer Nummer 29 und 30. Der Münchner war der überragende Mann auf dem Platz, riss immer wieder Lücken auf und strahlte die größte Torgefahr aus.
Auch Neuer unglücklich
Wer aber nun gedacht hatte, alles laufe fortan in geregelten Bahnen, sah sich getäuscht. Can, der in seinem zweiten Länderspiel als Rechtsverteidiger häufig überfordert war, verursachte einen unnötigen Eckstoß und leitete damit den erneuten Ausgleich ein. Beim Schuss von McArthur machte aber auch Neuer eine unglückliche Figur, als er sich von dem vor ihm stehenden James Morrison irritieren ließ (43.). Dabei hatte Gündogan das Abseits aufgehoben.
Der Dortmunder war die einzige Änderung von Löw im Vergleich zum Polen-Spiel, für Gündogan musste der Leverkusener Karim Bellarabi weichen. Der Mittelfeldspieler präsentierte sich diesmal allerdings nicht so stark wie nach seiner Einwechslung gegen Polen, als er von Löw explizit gelobt worden war. Exzellent war aber sein Treffer zur erneuten Führung. Nach einem feinen Doppelpass mit dem überragenden Müller erzielte er sein viertes Länderspieltor (54.).
Kaum Impulse von Schweini
Dennoch lief es in der Mittelefeldzentrale diesmal nicht so rund. Auch Bastian Schweinsteiger, der neben Toni Kroos das Spiel organisieren sollte, konnte abgesehen von einem wuchtigen Distanzschuss (62.) kaum Impulse setzen. Dem Neuzugang von Manchester United ist noch anzumerken, dass er sein Optimum noch nicht erreicht hat. Dagegen war Mario Götze - gegen Polen schon mit zwei Toren umjubelter Held - auch diesmal wieder ein Gefahrenherd. Ein Treffer blieb dem WM-Helden aber versagt.
So war es am Ende ein mühsamer Arbeitssieg der deutschen Mannschaft, die aber dank der optimalen Ausbeute von sechs Punkten aus den beiden Spielen kaum noch Zweifel an der EM-Teilnahme gelassen hat.