Eigentlich hat die Fußball-WM in Katar bisher nur Ärger gemacht. Schon die Vergabe in den Wüstenstaat sorgte für große Augen - das Emirat ist alles andere als eine Fußballhochburg, hat sich noch nie für eine WM qualifiziert. Welches Interessenspiel daher zu der Entscheidung geführt hat, sei hier mal dahingestellt. Der Skandal um die der Sklaverei gleichenden Arbeitsbedingungen auf den Baustellen der Stadien sorgte für Aufregung. Kopfschütteln löste auch der Plan aus, die zehn WM-Spielstätten in der prallen Wüstenhitze allesamt auf angenehme Temperaturen runterzukühlen - ein Unding in Zeiten des Klimawandels. Schließlich fiel dem allgewaltigen Fifa-Boss Sepp Blatter auf, dass gekühlte Stadien allein ja nicht reichen - was ist mit den Trainingsplätzen, den Fans, dem Rahmenprogramm? Der Gedanke an eine Winter-WM war geboren.
Heute preschte nun Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke vor und verkündete, dass die Katar-WM irgendwann zwischen Mitte November und Mitte Januar gespielt werde, nur um wenig später zurückgepfiffen zu werden. Vorerst. Viel Holz für eine Veranstaltung, die erst in acht Jahren über die Bühne gehen soll.
Seit auch Fifa-Chef Blatter einmal die katarische Wüstenhitze gespürt hat, ist der Gedanke an eine Winter-WM in der Welt - und hält sich hartnäckig. Für sich allein betrachtet ist es nur vernünftig, das Weltturnier in den Wintermonaten auszutragen: Klimasünden wie eisgekühlte Stadien wären vom Tisch. Und bei Temperaturen um die 25 Grad lässt es sich nicht nur bestens Fußball spielen, auch Fans und Veranstalter hätten wenig Probleme. Ansonsten aber würde eine Winter-WM vor allem eins bedeuten: Chaos.
Blick in Terminplan macht schwindelig
Schon ein schneller Blick in den Rahmenterminkalender der laufenden Saison macht schwindelig. Was da alles verschoben werden müsste! November und Dezember gehören zu den Monaten mit den meisten Spielen überhaupt. Zwischen dem 15. November und Weihnachten hat die Bundesliga in diesem Jahr volle fünf Spieltage absolviert, ebenso die 2. Liga, in der ja ebenfalls Nationalspieler einiger WM-Nationen aktiv sind. Hinzu kommt das komplette Achtelfinale des DFB-Pokalwettbewerbs. Und das sind nur die relevanten Spiele in Deutschland.
In den anderen europäischen Ligen herrscht natürlich genauso Hochbetrieb. Die englische Premier League beispielsweise kennt zudem eine Winterpause wie sie die Bundesliga hat, in der Form nicht, und spielt über die Feiertage durch. Der Spieltag am "Boxing Day", dem zweiten Weihnachtstag, hat sogar einen besonderen Stellenwert und genießt bei den Fans Kultstatus. Von den internationalen Wettbewerben war noch gar nicht die Rede: Sowohl in der Champions wie in der Europa League entscheidet sich die Gruppenphase in zwei vollen Spieltagen. Besonders schön: Auch die von der Fifa so geliebte Klub-WM steht Mitte Dezember im Terminkalender. In diesem Fall stünde sich der Weltverband sogar selber im Weg.
Wettbewerbsverzerrung und Kalenderträume
Bei all dem ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass die besten Nationalteams der Welt natürlich nicht aus dem laufenden Saisonbetrieb in eine WM starten können. Für die Vorbereitung müsste wohl ein weiterer Monat eingeplant werden, in dem alle Spiele verschoben werden müssten. Und auch nach dem Turnier kann es nicht sofort weitergehen, haben sich die Spieler doch erst einmal Urlaub verdient. Es sei denn, die Fifa würde den Vereinen zumuten, in Teilen der Saison ohne ihre Nationalspieler auszukommen. Da hätten Vereine wie Bayern München und Borussia Dortmund schon fast Probleme, ein komplettes Team auf den Platz zu stellen. In jedem Fall wäre es wahlweise eine spürbare Wettbewerbsverzerrung oder ein unverhältnismäßiges Auseinanderreißen der Saison. Beides ist unzumutbar.
Eigentlich passt das alles auch nicht zum ordnungsliebenden Sepp Blatter, der ganz im Gegenteil schon seit geraumer Zeit von einer kompletten Gleichschaltung des internationalen Fußballs träumt. Danach würden Club-Saison und Nationalmannschaftstermine voneinander getrennt. Die Bundesliga und alle anderen Ligen würden zwischen dem Frühjahr und Ende Oktober ihre Meister ermitteln. Erst danach wären die Nationalteams dran - mit einer WM oder EM als Höhepunkt. Diese Turniere würden diesen Überlegungen zufolge etwa im Februar/März stattfinden. Das klingt schon sehr nach Winter-WM. Wer weiß, vielleicht wird die Katar-WM ja zum willkommenen Anlass für Blatter und die Fifa, den Fußballkalender komplett auf den Kopf zu stellen?