Lange Zeit bundesweit als "Klein-Palermo" verschrien, ist die Geburtsstadt von Theodor Fontane auch heute noch Schauplatz der Gerichtsverhandlungen gegen die berüchtigte "XY-Bande". Es ist einer der größten deutschen Prozesse um organisierte Kriminalität und Drogenhandel. Doch momentan steht das Spiel gegen die Bayern im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.
Pilgerfahrt nach Berlin
Bürgermeister Jens-Peter Glode freut sich über die Positiv-Schlagzeilen für seinen 32.000 Einwohner zählenden Ort. Wohl jeder zweite Neuruppiner macht sich zum Spiel auf den Weg ins 80 Kilometer entfernte Berlin, weit über 20.000 Karten sind bisher im Vorverkauf abgesetzt.
"Wir haben alles junge, hungrige Burschen, die noch etwas erreichen wollen", schwärmt Trainer Christian Schreier, der in den 80er Jahren als Profi beim VfL Bochum, Bayer Leverkusen und Fortuna Düsseldorf 331 Bundesligaspiele bestritt und 106 Tore erzielte. An eine Pokalsensation glaubt er dennoch nicht. "Das wird wohl nicht gehen. Momentan sind die Bayern sehr gut drauf." Schreier hofft, dass es kein Debakel gibt, im kleinen Kreis nennt er ein 1:5 als akzeptables Resultat. "Ein Tor - das wäre schon ein Traum. Die Jungs sollen rausgehen, die Atmosphäre genießen. Aber sie dürfen keine Angst haben", fordert er.
"Wir haben viel investiert"
Schreier und Dietmar Lenz, Vizepräsident des Oberligisten und brandenburgischen Pokalsiegers, gelten beim MSV als Väter des Erfolges. "Wir haben in den letzten Jahren viel investiert", sagt Lenz. Das Volksparkstadion, in dem der 1919 gegründete Verein im Schnitt vor 500 Zuschauern seine Heimspiele austrägt, erhielt eine neue Tribüne. Ein Sponsorenpool sichert den Saisonetat ab. Ihm gehören neben den Stadtwerken, bei denen Lenz als Geschäftsführer arbeitet, viele Unternehmen aus der Umgebung an. Die Höhe des Etats wird vom Vizepräsidenten wie ein Staatsgeheimnis gehütet, dürfte aber bei 350.000 Euro liegen.
Viele Spieler sind bei den Stadtwerke quasi als Halbprofis angestellt, zudem komplettieren Studenten und Zivildienstleistende das Amateur-Team, das nun die Bayern ärgern möchte. "Ich hoffe, ich kann meine Bilanz halten: Ich habe noch nie in einem Punkt- oder Pokalspiel mehr als zwei Gegentore kassiert", hofft Torwart Marian Unger.
Die Mannschaft umgekrempelt
Seit dem Oberliga-Aufstieg im Jahr 2001 hat sich der MSV, der zu DDR-Zeiten zuletzt unter dem Namen Elektronik Neuruppin in der Bezirksliga Potsdam spielte, Schritt für Schritt nach oben gearbeitet. Der Durchbruch gelang unter Trainer Schreier. Lenz hatte den einstigen Profi im Januar 2004 vom damaligen Liga-Kontrahenten FC Schönberg nach Neuruppin gelotst. Schreier krempelte die Mannschaft komplett um und holte ein Dutzend junger Spieler nach Neuruppin. Nach dem zweiten Platz in der Nordstaffel, der zur Relegation um den Aufstieg zur Regionalliga gegen den FC Carl Zeiss Jena berechtigte, gewannen die Schreier-Schützlinge im Mai durch einen 2:1-Erfolg gegen den SV Babelsberg 03 erstmals den Landespokal.
Der Umzug nach Berlin erfolgt aus Kapazitätsgründen, im 5500 Zuschauer fassenden Volksparkstadion hätte man mit einer Tribünen- Aufstockung kaum 12.000 Fans untergebracht. Zudem wären über 100.000 Euro für Sicherheitsmaßnahmen fällig geworden. Im Olympiastadion werden die Neuruppiner gutes Geld verdienen. "Schon bei 20.000 Zuschauern bleibt für uns was übrig", sagt Lenz. Er hofft, dass sogar 30.000 Neugierige zum Duell David gegen Goliath strömen. "Wenn das Wetter mitspielt, werden uns auch viele Hertha-Fans unterstützen. Schließlich haben wir dieselben Vereinsfarben: Blau-Weiß."