Fußballspieler sprechen oft von Demut, die sie empfänden - wenn man sich mit René Adler unterhält, ist diese Demut tatsächlich spürbar. Der Torwart des Hamburger SV weiß inzwischen zu schätzen, was es bedeutet, in der Bundesliga und in der Nationalmannschaft zu spielen. In den neuen Ausgabe des stern spricht Adler offen wie nie zuvor über die Zeit, die hinter ihm liegt. Fast zwei Jahre plagte er sich mit Verletzungen und durchschritt dabei auch psychisch ein tiefes Tal - ehe er dann wieder mit Spitzenleistungen auf sich aufmerksam machte und abermals den Sprung ins Nationalteam schaffte.
Hinter Adler liegt ein harter Weg, der zugleich eine sportliche Durststrecke war. Adler berichtet im stern darüber, wie es war, ein persönliches Tal der Tränen zu durchlaufen. "Damals habe ich mich so sehr gequält, dass mir Fußball keinen Spaß mehr gemacht hat", sagt er. "Es hat mich so viel mentale Energie gekostet, gegen diese Schmerzen im Körper anzukämpfen und trotzdem noch gute Leistungen zu bringen."
Offen schildert der Weltklassetorhüter seine Gefühle, als ihm klar wurde, wie schnell es im Sport bergab gehen kann. Als sein damaliger Verein Bayer Leverkusen in der Champions League antrat und Adler nicht mitspielen konnte, "war brutal zu spüren, dass man austauschbar ist", so Adler. "Man weiß um diese Tatsache. Aber es ist dann doch ein ekliges Gefühl, wenn man es erlebt. Mein Leben hatte ich zu dieser Zeit ja ausschließlich auf der Säule Fußball errichtet." Also Schluss machen mit dem Profisport? "Mit dem Fußball aufzuhören, das wäre für mich damals genauso schlimm gewesen, wie wenn einer aus meiner Familie gestorben wäre." Es ist erst "ein paar Monate" her, dass er noch so dachte.
In der langen Zeit seiner Verletzungen sei sein "Selbstwertgefühl komplett weg" gewesen, erzählt Adler. In ihm enstanden Berührungsängste mit dem zentralen Ort seiner Arbeit. "Ich habe mich schon in der Nähe des Stadions, wo ich mich sonst am besten fühlte, total unwohl gefühlt. Bekam auf einmal Beklemmungen. Ich war froh, wenn ich wieder zu Hause war, hatte keine Lust, mit Leuten zu reden."
Angst nach dem Tod Robert Enkes
Trainiert hat Adler, der in Leipzig aufwuchs und mit 15 Jahren nach Leverkusen kam, in all den Monaten fast immer - er wollte nicht wahr haben, dass ein Fußballprofi auch mal Pause machen müsse. "Ich habe außer der sechswöchigen Pause tagein, tagaus trainiert, wie ein Bekloppter. Ich bin in meine alten Muster zurückgefallen. Ostdenken nenn ich das immer: Wenn du Rückenprobleme hast, dann musst du mehr Krafttraining machen, weil deine Rückenmuskeln zu schwach sind. Immer Vollgas, so denken viele Ostsportler."
Adler verstand sich gut mit seinem Kollegen Robert Enke. Der frühere Keeper von Hannover 96 litt an Depressionen und brachte sich vor drei Jahren um - Adler war plötzlich die Nummer eins in Deutschland. "Wir haben gefühlt, dass wir ähnlich sind. Deshalb hat es mir ja Angst gemacht, dass ich einen ähnlichen Weg einschlagen könnte. Wir sind beide sehr sensibel und hatten keinen Bock, noch mehr Druck gegeneinander zu machen. Der Druck bei der Nationalmannschaft ist auch so groß genug."
Erheblicher Druck
Er selbst, sagt Adler, habe aufpassen müssen, "dass ich nicht in eine Depression verfalle. Ich hatte mir viel zu viel Druck gemacht, der Körper sucht sich dann ein Ventil, bei mir waren das die vielen Verletzungen."
Hätte Adler sich 2010 nicht verletzt, wäre er bei der Weltmeisterschaft in Südafrika Deutschlands Nummer eins gewesen. Der Traum, als Stammtorhüter die Nationalelf zu vertreten, so Adler im stern, lebt weiter. "Er ist noch da, aber etwas verschüttet."