Kaum haben die Bundesligaclubs Corona-Tests aufgenommen, um möglichst bald die Saison mit Geisterspielen fortzusetzen, sind erste Spieler und Betreuer positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden. Bei einem Spieler des Zweitligisten VfB Stuttgart gab es am Sonntag einen "unklaren Befund", er wurde vorsorglich in häusliche Quarantäne geschickt. Beim 1.FC Köln aber wurden ein Betreuer und zwei Spieler eindeutig positiv auf das Coronavirus getestet - auch sie sind in häuslicher Quarantäne. Dass der Trainingsbetrieb dennoch fortgesetzt werden soll, hatte FC-Profi Birger Verstraete in Interviews mit belgischen Medien scharf und eindeutig kritisiert. Das hat seinem Arbeitgeber offensichtlich nicht gefallen. Der FC bestellte Verstraete laut einem Bericht des "Express" um 11 Uhr zum Rapport ins Geißbockheim. Danach ruderte der defensive Mittelfeldspieler zurück.
Verstraete entschuldigte sich für sein Vorgehen. Konsequenzen hat sein Verhalten offenbar nicht, der FC teilte mit, der Profi werde "weiter beim 1. FC Köln trainieren und spielen". Nach den positiven Tests habe er in einem Interview über seine persönlichen Sorgen vor einer Ansteckung seiner zur Risikogruppe gehörenden Freundin berichtet. "Dabei habe ich mich an einigen Stellen falsch ausgedrückt, so dass in der Übersetzung ein missverständlicher Eindruck entstanden ist, der mir leid tut. Statt aus der Emotion heraus ein Interview zu geben, hätte ich den Kontakt zu unserem Arzt suchen und mir meine Fragen erklären lassen müssen", sagte der 26-jährige Belgier am Sonntag laut einer Mitteilung des Fußball-Bundesligisten.
1.FC Köln: Alles im Einklang mit DFL-Konzept
Es habe nicht in seiner Absicht gelegen, den zuständigen Behörden oder dem 1. FC Köln Vorwürfe zu machen, beteuerte Verstraete. Nachdem zwei Spieler und ein Betreuer positiv auf das Coronavirus getestet worden waren, hatte der Mittelfeldspieler dem TV-Sender "VTM" gesagt, es sei "ein bisschen bizarr", dass nicht die ganze Mannschaft vorerst unter Quarantäne gestellt werde: "Der Physiotherapeut ist der Mann, der mich und andere Spieler wochenlang behandelt hat", beschrieb Verstraete auch der Zeitung "Het Laatste Nieuws", dass er engen Kontakt zu zwei der positiv Getesteten gehabt habe. "Mit einem der beiden fraglichen Spieler habe ich am Donnerstag im Fitnessstudio ein Duo gebildet."
Die Kölner wiesen am Sonntag jegliches Fehlverhalten zurück. Dass Spieler auch im Falle eines positiven Corona-Tests weiter zusammen trainieren würden, sei falsch. "Im Einklang mit dem medizinischen Konzept der Deutschen Fußball Liga DFL werden beim FC ausschließlich Spieler trainieren und spielen, die durch zwei aufeinanderfolgende negative Tests den Nachweis haben, dass sie mit dem neuartigen Corona-Virus nicht infiziert sind", hieß es in der Mitteilung. Aus diesem Grund werden alle Spieler "vor der geplanten Wiederaufnahme des Trainings am Montag rechtzeitig erneut getestet".
Bundesliga: "Wenn die Spieler abstimmen würden ..."
Auch eine Interpretation von Verstraetes Aussagen in die Richtung, dass bei den Rheinländern vorgeschriebene Hygienemaßnahmen nicht eingehalten wurden, sei "nicht haltbar." Die drei Betroffenen bei den Kölnern waren in Abstimmung mit dem zuständigen Gesundheitsamt in Quarantäne geschickt worden. Der Rest des Teams soll das Training vorbehaltlich der zweiten Testreihe wie bisher in Kleingruppen fortsetzen.
Für den Fall der Fortsetzung der Saison plane der FC zudem ein "quarantäne-ähnliches Trainingslager" zu beziehen. "Dies gilt, sobald die Politik eine positive Entscheidung für eine Fortsetzung des Spielbetriebs fällt - frühestens also im Laufe der kommenden Woche", teilte der Club am Sonntagabend mit. "Diese Form einer freiwilligen Quarantäne erweitert das bisherige Infektionsschutz- und Hygienekonzept und soll das Risiko einer Ansteckung mit dem neuartigen Corona-Virus weiter verringern."

Letzteres könnte im Sinne Verstraetes sein. Seine Kritik ging aber über die Situation beim FC hinaus. "Ich habe gerade den Kopf nicht frei für den Fußball", sagte er in dem ausführlichen Skype-Interview mit VTM. Und er kritisierte eindeutig die Absicht der Bundesliga, den Spielbetrieb fortzusetzen. "Es liegt nicht an mir zu entscheiden, ob die Bundesliga beendet wird, aber wenn jeder Spieler anonym entscheiden könnte - ohne Einfluss des Clubs - bin ich sehr gespannt, wie diese Abstimmung ausgehen würde", so der Belgier. "Jeder sagt doch das Gleiche. Die Gesundheit der Familie steht an erster Stelle. Fußball ist nicht das Wichtigste. Ich denke, das muss ausgesprochen werden." Doch das Training gehe weiter, der Club sage, "es ist nicht so schlimm".
Verstraete: "Erst Gesundheit, dann Fußball"
Verstraete sorgt sich laut dem ausführlichen Interview nicht in erster Linie um sich und seine Kollegen. "Schauen Sie, für uns Spieler ist es wohl kein Problem, aber wir kommen nach Hause zu unseren Frauen und Freundinnen. Meine Freundin ist eine Herzpatientin, einige Jungs haben Kinder zu Hause. Für mich ist das viel wichtiger. Ich möchte, dass alle gesund sind, bevor wir wieder Fußball spielen", so der 26-Jährige. Und weiter: "Wenn der Verein entscheidet, dass wir so weitermachen wie bisher, dann könnte es Signale aus allen Bundesliga-Mannschaften geben, dass dies unverantwortlich ist. Erst Gesundheit. Dann Fußball."
In dieser vom 1.FC Köln offenbar nicht gewollten Argumentation bekommt der Profi Rückendeckung aus der Politik. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach zollte dem Belgier Respekt und kritisierte Politik und Deutsche Fußball-Liga (DFL): "Konzept der Quarantäne plus Training funktioniert nicht und auch die Spieler haben Angst. Vereine setzen ihre Gesundheit aufs Spiel und sie bekommen einen Maulkorb. Unverantwortlich von Politik und DFL." Zu einer Konsequenz sahen sich Verein und Spieler dann doch genötigt. Laut "Express"-Informationen wird Verstraete seine Freundin erst einmal nicht anstecken können. Sie werde nach Belgien fahren und dort erst einmal bleiben, so Verstraete.
Update: Die Mitteilung des 1.FC Köln, vor einer möglichen Fortsetzung der Bundesliga-Saison in ein "quarantäne-ähnliches Trainingslager" ziehen zu wollen, wurde nach Fertigstellung des Berichtes veröffentlicht. Die Information wurde daher ergänzt.
Quellen: Nachrichtenagentur DPA, Mitteilung 1.FC Köln, "Express", "Het Laatste Nieuws" (inklusive Skype-Interview mit "VTM"), Twitter-Account Karl Lauterbach