Rafael van der Vaart Abgezockter Profi trifft abgezockte Fans

Von Tim Schulze
Beim Heimspiel gegen Bayer Leverkusen haben die Anhänger des Hamburger SV ihre Emotionen professionell eingesetzt. Erst pfiffen sie ihren abwanderungswilligen Spielmacher Rafael van der Vaart aus, um ihm dann klar zu machen: Wir lassen Dich nicht ziehen.

Geht doch. Rafael van der Vaart war im Spiel des Hamburger SV gegen Bayer Leverkusen der beste Mann auf dem Platz. Er schoss das Siegtor mit einem sicher verwandelten Elfmeter und jubelte danach, indem er sich die Hand an das Ohr hielt. Die Geste sollte den Hamburger Fans in heimischen Stadion sagen: Na, ist von euch etwas zu hören? Feiert ihr meinen Treffer so wie bei jedem anderen auch? Und in der Tat: Die Anhänger der Hanseaten brachen in einen Torjubel aus, vielleicht nicht ganz so lautstark wie üblich, aber immerhin. So etwas nennt man professionell. Zu Beginn des Spiels hatte es Pfiffe gegeben. Dann machten die Fans dem abwanderungswilligen Spanien-Liebhaber klar: Wir wollen dich noch ein Jahr in Hamburg sehen. Führe uns auf einen Champions-League-Platz!

Nicht nur Clubs und Profis passen sich an die Gegebenheiten der Unterhaltungs- und Geldmaschine Fußball an, sondern auch die Fans. So sah das HSV-Torwart Frank Rost: "Man muss dem Publikum wirklich ein Lob aussprechen. Rafael hatte gehofft, dass die Fans pfeifen und er dann wirklich noch abgeben wird. Aber die Fans haben ein klares Votum abgegeben, dass sie ihn hier sehen wollen."

Sachlich kalkulierende Fans

Im von Emotionen bestimmten Fußball-Geschäft haben die Anhänger der Hanseaten, wenn man so will, ihre Gefühle ganz nüchtern eingesetzt - so wie es Fußball-Profis tun, wenn sie nach einem Torerfolg theatralisch das Club-Emblem küssen. Das sind Show-Rituale, die zum Geschäft gehören. Auch Fans verstehen davon mittlerweile etwas. Deshalb reagierten die HSV-Anhänger wie ein rational kalkulierender Manager. Sie sind nicht auf die Strategie van der Vaarts und seiner Berater hereingefallen, die darauf aus war, die Anhänger mit Provokationen gegen ihn aufzubringen. Den HSV-Verantwortlichen wäre irgendwann nichts anderes übrig geblieben, als ihn ziehen zu lassen. Der öffentliche Druck wäre zu groß geworden.

So ziehen Anhänger und Club-Verantwortliche an einem Strang. Die Chancen auf einen Wechsel des Spielmachers zum spanischen Club FC Valencia sind gesunken. Vor dem Spiel hatten HSV-Boss Bernd Hoffmann und Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer noch einmal erklärt, dass ihr bester Spieler unverkäuflich sei. "So kurz vor Ende finden wir keinen gleichwertigen Ersatz. Das müssen Valencia, Rafael und sein Berater einsehen." Van der Vaart ist ebenfalls nicht mehr von einen Absprung in die Primera Division überzeugt: "So wie es aussieht, muss ich wohl bleiben. Der HSV ist ein Superverein." Hinzu kommt: Van der Vaart hat zwar alle Register eines abgezockten Profis gezogen, um seinen Wechsel zu erzwingen. Aber auf dem Platz zeigte er vollen Einsatz. Dass er nicht alles auf dem Rasen gibt, will er sich nicht ankreiden lassen.

Ein bisschen wird das Thema noch köcheln

Ein bisschen wird das Thema in der Hansestadt noch köcheln. Beisersdorfer hat bereits eine saftige Geldstrafe für van der Vaarts Provokation mit dem Valencia-Trikot angekündigt, der Spielmacher will das nicht akzeptieren. Aber spätestens mit dem Rückspiel in der Uefa-Cup-Qualifikation gegen Honved Budapest in zehn Tagen, wenn van der Vaart mit auf dem Platz stehen wird und sich nicht wegen einer ominösen Verletzung abmeldet, werden die Wogen an der Elbe geglättet sein. Vielleicht.

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