Steueraffäre im Schiedsrichterwesen Eine Gilde unter Verdacht

Von Klaus Bellstedt
Erst die Manipulationsaffäre um Robert Hoyzer, dann der Sexskandal Kempter/Amerell und nun die Ermittlungen gegen mehrere DFB-Schiedsrichter: Das Image einer ganzen Gilde steht auf dem Spiel.

Das deutsche Schiedsrichterwesen gerät wieder in die Schlagzeilen. Am Montag wurde die Geschäftsstelle des Deutschen Fußball-Bundes von Steuerfahndern durchsucht. Nach Angaben des DFB stehen mehrere Schiedsrichter unter Verdacht, ihre Einnahmen aus Freundschaftsspielen nicht ordnungsgemäß versteuert zu haben. Aber das ist wohl längst noch nicht alles: Laut "Kölner Express" sollen gleich mehrere Bundesliga-Referees zu Einsätzen doppelt abgerechnet oder die vom DFB gestellte Dienstkleidung im großen Stil als Werbungskosten verbucht haben.

Ins Visier der Staatsanwaltschaft ist im Zuge der Ermittlungen auch ein alter Bekannter geraten: Michael Kempter. Der frühere Fifa-Schiedsrichter, der zuletzt wegen des Sex-Skandals mit seinem früheren Förderer Manfred Amerell in der Öffentlichkeit stand, gehört zu jenen Schiedsrichtern, gegen die konkret ermittelt wird. Sein Anwalt, Christoph Schickardt gab das am Dienstag auf Anfrage auch zu: "Michael Kempter ist einer der Betroffenen des Verfahrens, das kann ich bestätigen." Berichte der "Süddeutschen Zeitung" über eine angebliche Durchsuchung der Privaträume Kempters am Montag in Sauldorf dementierte der Anwalt aber: "Eine Hausdurchsuchung bei Herrn Kempter gab es nicht."

Amerell lässt nicht locker

Zu solchen "Zwangsmaßnahmen" bestehe kein Anlass, "weil wir mit völlig offenen Karten spielen und den Behörden alles transparent darlegen". Zu den konkreten Vorwürfen gegen seinen Mandanten wollte sich Schickhardt nicht äußern. Kempter hatte bereits 2009 eine Vorstrafe kassiert, ebenfalls wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit seiner Schiedsrichtertätigkeit. Damals musste er 23.750 Euro Strafe bezahlen, 190 Tagessätze zu je 129,00 Euro.

Im Laufe des Zivilprozesses zwischen Amerell und Kempter hatte der frühere Schiedsrichter-Obmann die Vorstrafe des jungen Schiedsrichters wiederholt öffentlich gemacht und häufig wechselnde Angaben Kempters beklagt. Amerell überprüfte diese auf ihre Plausibilität und wollte Ungereimtheiten erkannt haben - auch finanzieller Natur. Der Gerichtsstreit gilt jetzt als Hauptauslöser der Ermittlungen gegen Kempter - und weitere namhafte DFB-Schiedsrichter, unter ihnen mindestens drei Bundesliga-Unparteiische. Die Referees sind zum Teil auch in Zweitrundenpartien im DFB-Pokal an diesem Dienstag und Mittwoch angesetzt. Bei einigen habe es bereits Hausdurchsuchungen gegeben, hieß es.

"Ich lasse das Gerücht im Raum stehen"

Mit Felix Brych hat ein prominenter Schiedsrichter aus der Bundesliga mittlerweile zugegeben, von den Ermittlungen betroffen zu sein. "Ich kann nichts zum Stand der Ermittlungen sagen, da es sich um ein schwebendes Verfahren handelt", sagte der 36-jährige Jurist nach Informationen von "Spiegel Online". Weiter heißt es, dass bei Brych mehrere Steuerfahnder vorstellig geworden seien und Einsicht in Unterlagen genommen hätten.

Ein weiterer bekannter Bundesliga-Schiedsrichter antwortete der Nachrichtenagentur befragt nach den Ermittlungen: "Ich lasse das Gerücht im Raum stehen und werde dazu keine Aussagen machen."

"Es herrscht große Unruhe"

Sollten sich die akuten Verdachtsmomente der Steuerfahndung nach den Hausdurchsuchungen bestätigen, wird der Verband die Schiedsrichter nach eigenen Angaben übrigens nicht per Schutzsperre aus dem Verkehr ziehen. "Das ist kein Thema. Eine Schutzsperre kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn es sich um mögliche Verfehlungen im Rahmen der konkreten Schiedsrichtertätigkeit handelt, also zum Beispiel ein Manipulationsverdacht im Raum steht. Für ein eventuelles Fehlverhalten im privaten Bereich greift eine solche Maßnahme nicht", erklärte DFB-Mediendirektor Ralf Köttker.

Aktuell wolle man die weiteren Ermittlungen abwarten, sagte Schiedsrichter-Boss Herbert Fandel. "Es wäre jetzt zu früh, um Maßnahmen zu ergreifen, schließlich wissen wir nicht im Detail, was den Schiedsrichtern vorgeworfen wird", so Fandel im "Kölner Express". Der DFB hält sich also noch zurück. Aber die Stimmung im Verband ist gedrückt.

Laut Lutz Michael Fröhlich, Leiter der Abteilung Schiedsrichter, herrscht derzeit eine "große Unruhe" bei den deutschen Unparteiischen. Das kann man verstehen. Schließlich geht es um das Image eines sensiblen Bereichs im Profifußball. Spätestens seit den Vorkommnissen in der Manipulationsaffäre um den ehemaligen Referee Robert Hoyzer sowie dem Skandal Amerell/Kempter stellt der DFB höchste moralische Ansprüche an seine Schiedsrichter. Dass die Gilde nun wieder in Verruf geraten ist, dürfte den Herren aus der Otto-Fleck-Schneise 6 in Frankfurt am Main neue Sorgenfalten ins Gesicht treiben.

mit DPA/AFP

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