Natürlich, England gegen Deutschland ist immer ein Klassiker - zumal im neuen Wembley-Stadion. Aber dieses Mal? Die Vorfreude auf das Duell zwischen den beiden Erzrivalen war doch arg getrübt. Zu groß die Verletztenmisere - auf beiden Seiten. Wayne Rooney bei den Engländern und Deutschlands Kapitän Michael Ballack führten die prominenten Ausfalllisten der Mannschaften an.
Immerhin, ein paar Stars sollten die über 90.000 Fans in nagelneuen englischen Nationalstadion dann doch noch zu Gesicht bekommen: Der vom umstrittenen Nationalcoach McLaren zurückgeholte David Beckham zum Beispiel. Nicht zu vergessen die beiden Chelsea-Kumpel John Terry und Frank Lampard, oder auch Sturmführer Michael Owen. Deutschland hielt mit den WM-Helden Lehmann, Metzelder, Lahm, Schneider, Mertesacker und Friedrich dagegen. Darüber hinaus wurde Joachim Löw dazu gezwungen, Spielern aus der zweiten, ja sogar dritten Reihe zu vertrauen.
Pander zum Zungeschnalzen
Und die machten ihre Sache richtig gut. Nach nervösem Beginn steigerte sich die deutsche Nationalmannschaft kontinuierlich und zeigte sich auch nach dem frühen Rückstand durch Frank Lampard unbeeindruckt von Gegner und Kulisse. Kevin Kuranyis Ausgleichstreffer war auch deshalb so wichtig, weil spätestens danach jeder aus dieser jungen, unerfahren und zusammen gewürfelten deutschen Elf kapiert hatte, dass an diesem Abend etwas gehen könnte in Wembley.
Angetrieben von einem überragenden Philipp Lahm (völlig überraschend von Löw auf der ungewohnten 6-er Position aufgeboten) überzeugte der zweite deutsche Anzug als Kollektiv. Aus dem heraus stach nicht nur wegen seines überragenden 2:1-Führungstreffers neben Lahm der Schalker Christian Pander. Mit welcher Coolness der Nationalmannschafts-Debütant aus über 30 Metern mit seinem linken Zauberfuß einfach mal abzog und traf, das war zum Zungeschnalzen, eine Augenweide für jeden Fußballfreund.
Rosige Aussichten für Löw
Nach dem Wechsel geriet die deutsche Elf, die in dieser Zusammensetzung wohl nie wieder so spielen wird, böse unter Druck. Das war zu erwarten. Dass junge Akteure wie Simon Rolfes, Roberto Hilbert oder auch Gonzalo Castro diesem Druck aber auch standhalten würden, damit war nicht unbedingt zu rechnen. Natürlich stand der deutschen Defensive um das Innenverteidiger-Duo Mertesacker/Metzelder sowie Torhüter Jens Lehmann ein ums andere Mal das Glück zur Seite. Aber Glück kann man auch erzwingen, und so war dieser 2:1-Prestigeerfolg der deutschen Nationalmannschaft in Englands neuem Heiligtum irgendwie auch verdient.
Für Bundestrainer Joachim Löw, dessen Nationalmannschaftsbilanz (10 Siege, 1 Unentschieden, 1 Niederlage) sich weiter beeindruckend liest, stellt sich die Situation vor dem wichtigen EM-Qualifikationsspiel in Cardiff gegen Wales Anfang September komfortabel dar. Die Partie in Wembley hat bewiesen, dass die Perspektivspieler ihren Part beherrschen. Der Ausfall eines Michael Ballack fiel auch deswegen nicht so schwer, weil Löw Leute in der Hinterhand hat, die in diese Rolle schlüpfen können. Das große Problem vieler Bundesliga-Spitzenteams, auf jeder Position wirklich doppelt besetzt zu sein, hat die deutsche Nationalmannschaft derzeit nicht. Rosige Aussichten für eine EM-Saison.