Vorbericht Deutschland - Australien Die Stunde der Wahrheit ist da

Von Klaus Bellstedt, Durban
Jetzt gilt es: Für die deutsche Nationalmannschaft beginnt am Abend mit dem Spiel gegen Australien die Fußball-WM. Ein Sieg ist Pflicht. Ausreden gelten nicht.

Piotr Trochowski ist in der deutschen Nationalmannschaft der Mann für die Auswahl der Videos. Ende der Woche schob der Hamburger Mittelfeldspieler "Terminator 4" in den DVD-Rekorder und weihte damit den TV-Raum im Hotel Grande Velmore ein. Der Actionstreifen kam gut an im Team, eine willkommene Abwechselung nach all den schweißtreibenden Trainingseinheiten. Doch nach 115 Minuten war auch schon wieder Schluss mit "Trotsches Filmvorführung". DVDs wurden zwar auch weiterhin geschaut - jedoch übernahm nun wieder das Trainerteam das Kommando.

Zwei Videoschulungen im Hinblick auf die erste Partie am Sonntag gegen Australien (ab 20.30 Uhr im stern.de-Liveticker) standen für Podolski, Lahm und Co. auf dem Programm. Bei der ersten Sitzung war die gesamte Mannschaft anwesend. Die Spielweise der "Socceroos" wurde en detail vorgestellt. Zum zweiten Teil der Präsentation wurde nur noch die Defensivabteilung der deutschen Mannschaft geladen. Und das, obwohl sämtliche Fußball-"Experten" dieser Welt in Durban mit allem, aber nicht mit einem Sturmlauf der "Aussies" rechnen. Trotzdem: Gewissenhafte Vorbereitung muss sein. Die Spieler von Joachim Löw halten von "Expertenmeinungen" sowieso nicht viel. Kapitän Philipp Lahm hat viel Respekt vor dem Gegner: "Die Australier agieren viel mit hohen Bällen. Das ist gefährlich." Oh ha.

Komplimente für den Gegner

Lahms Warnung vor den Stärken der Australier kann getrost als höfliches Kompliment an die Männer aus "Down under" gewertet werden. So etwas gehört sich halt vor einem Spiel. Dabei weiß Lahm ganz genau, dass gegen diesen zwar körperlich sicher starken, aber spielerisch arg limitierten Gegner gewonnen werden muss. Natürlich ist gerade ein Auftaktspiel, wie Oliver Bierhoff sagt, "eine harte Sache für unsere Jungs", aber der Teammanager erwartet natürlich trotzdem einen Sieg: "Alle 23 Spieler sind gesund und fit. Wir müssen nun unsere Leistung auf den Punkt abrufen. Doch wir haben die Klasse, das gegen Australien zu tun."

Das geringe Durchschnittsalter (24,96 Jahre) ist für Bierhoff dabei kein Nachteil - im Gegenteil: "In der Mannschaft stehen viele Spieler, die schon in den Junioren-Auswahlen zusammen gespielt haben. Das ist sicher ein Vorteil. Man hat zuletzt gegen Bosnien gesehen, dass viele Spielzüge gegriffen haben." Mit welcher Startaufstellung will Bundestrainer Joachim Löw das Auftaktmatch in Durban bestreiten? Noch seien "zwei, drei Positionen offen", erklärte Löw-Assistent Hansi Flick am Donnerstag. Trochowski oder Müller, Klose oder Cacau, Badstuber oder Aogo: Drei aus sechs, diese Auslese muss das Trainerteam wohl noch am Spieltag selbst treffen.

Erwartet wird, dass Löw folgende Startelf auf das Spielfeld schickt: Manuel Neuer im Tor, in der Abwehrkette davor Kapitän Philipp Lahm, Per Mertesacker, Arne Friedrich und Holger Badstuber. Im defensiven Mittelfeld Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger, davor Piotr Trochowski, Mesut Özil und Lukas Podolski. Als einziger zentraler Stürmer erhält wohl Miroslav Klose von Löw das Vertrauen.

"Man merkt auch bei den Spielern, dass sie jetzt in den Wettkampf wollen", erklärte der Bundestrainer vor der "Stunde der Wahrheit", wie Teammanager Bierhoff die Partie am Sonntag gegen die defensivstarken Gegner einordnete. "Das viele Lob muss jetzt bewiesen werden", betonte der ehemalige DFB-Kapitän. Löw jedenfalls sieht sich und sein Team bestens gewappnet für das 50. Länderspiel unter seiner Leitung: "Alle Spieler sind fit und einsatzbereit. Wir haben uns eine gute Form erarbeitet", sagte Löw nach dem Abschlusstraining im 70.000 Zuschauer fassenden Moses Mabidha Stadium in Durban.

Vermeintlicher Schwachpunkt im deutschen Team

Und was machen die Australier? Natürlich sehen sie sich in der Außenseiterrolle. Und doch haben sie einen vermeintlichen Schwachpunkt im deutschen Team ausgemacht. Torhüter Mark Schwarzer wertet die Unerfahrenheit seines Pendants auf der anderen Seite, Manuel Neuer, als Vorteil für sein Team. Das kleine australische Störfeuer wurde auf Seiten der Deutschen allerdings postwendend ausgetreten. "Schwarzer ist zwar ein guter Torwart, aber ich glaube, dass 'Manu' besser ist als er", sagt beispielweise Bastian Schweinsteiger. Teammanager Bierhoff befindet gar, dass Neuer "gelassener" denn je sei. Die australischen Stürmer werden Neuer nicht um den Schlaf in der letzten Nacht vor dem deutschen WM-Eröffnungsspiel gebracht haben. Eher schon der Sound der nervtötenden Vuvuzelas, doch das lässt Bierhoff nicht als Ausrede gelten: "Wir können die Spieler ja nicht mit Funkgeräten ausstatten. Beide Mannschaften müssen mit den Vuvuzelas klarkommen, es gibt keinen Vor- oder Nachteil für ein Team."

Für die deutsche Nationalmannschaft ist bei der WM die Stunde der Wahrheit gekommen. Alles andere als ein Sieg gegen Australien wäre eine Enttäuschung. Schließlich soll ja auch der nächste DVD-Abend im Hotel Grande Velmore in gelöster Atmosphäre stattfinden. "Invictus" von Clint Eastwood wurde von der Mannschaft bereits auf dem Hinflug nach Südafrika geschaut. Gerüchten zufolge soll Video-Jockey Trochowski aber auch noch "The Untouchables" auf seiner Liste stehen haben. Das wär doch was!

P.S.: Wie wird sich das deutsche Team gegen Australien schlagen? Diskutieren Sie mit auf Fankurve 2010 der Facebook-Fußballfanseite von stern.de.

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