Es ist jetzt ja die große Zeit der Bilanzen. Alle ziehen Bilanzen. Scholz und Habeck und Merz sowieso und immer. Kleinster gemeinsamer Nenner: Furchtbares Jahr mit Putin und Krieg und Zeitenwende und Inflation und hohen Preisen und vermutlich auf ewig Corona. Ein Jahr zum Vergessen. Und zum Abschluss eine merkwürdige WM in der Wüste. Im Winter.
Am Sonntag nun geht die merkwürdige WM in Katar zu Ende. Mit einem sehr würdigen Finale. Argentinien gegen Frankreich, den beiden besten Mannschaften des Turnieres.
Und weil die Zeit der Bilanzen ist, sei gestanden: Ich habe diese WM genossen. Nicht Katar. Irrsinn aus allen bekannten Gründen. Unabhängig vom Austragungsort könnte ich mich an eine WM im Winter sehr wohl gewöhnen. Sie nahm spielend vier dunkle Wochen dieses dunklen Jahres von der Uhr. Der November ist der schlimmste Monat. Das Präfix No sagt alles. NO-vember. Eben. Man sollte ihn ersatzlos streichen oder wenigstens in den Sommer verlegen.
Aber in diesem November des Zeitenwende-Jahres lief abends um acht Fußball. Verlässlich. Jeden Abend und früher. Ein Geschenk nicht nur für die vielen Coronösen und anderweitig Infizierten, die sich, auf die Pritsche gefällt, die Zeit vertreiben mussten. Dies war überwiegend guter, zuweilen hinreißender Fußball. Nicht der ausgelaugte und ausgemergelte WM-Fußball der Sommer-Weltmeisterschaften, wenn viele Profis nach langer Saison mürbe über den Rasen krauchen oder gar nicht erst spielen können. Diesmal standen alle Mannschaften voll im Saft, mit Ausnahme der deutschen, deren bisschen Saft in Binden-Debatten versickerte. Außer den Deutschen hat die Deutschen niemand vermisst.
Die Fußball-WM im Winter lieferte Fußball pur für Fußball-Puristen
Weshalb, noch so ein Vorteil, hierzulande das tumbe "Schlaand"-Gegröle ausfiel und überhaupt: keine Fanmeilen, keine Geschminkten, keine blöden Fähnchen an Autos und auch keine Korsos nach Siegen. Gab ja auch nur einen nutzlosen. Also nichts von diesem aufgesetzten WM-Stuss für jene, die turnusmäßig alle zwei Jahre pünktlich zu den großen Turnieren schlüpfen, unangemessen laut zirpen und sodann, "Wie geht noch mal Abseits?" murmelnd, zikadengleich verschwinden bis zum nächsten Event. Diesmal? Nichts. Winterliche Stille und Fußball pur für Fußball-Puristen. Wahrer Advent. Angenehm entkernt aufs Wesentliche. Wunderbare Marokkaner, wunderliche Brasilianer, wilde Engländer, abgezockte Kroaten, noch abgezocktere Franzosen und über allem: Messi.
Auf der anderen Halbkugel ist ja normalerweise immer Winter, wenn die Weltmeisterschaft läuft. Diesmal froren wir, und in Cordoba sang ein Chor aus 200.000 Stimmen nur zwei Silben: "Mes-si". Um den Obelisken in Buenos Aires tanzten sie in Shirts und kurzen Hosen, und sie alle vergaßen oder verdrängten zumindest für ein paar Wochen Hyper-Inflation und Rezession. Hoffentlich singen und tanzen sie Sonntag noch einmal.
US-Reporter Wahl starb laut seiner Frau bei WM-Spiel an Aneurysma

Der während seiner WM-Berichterstattung in Katar plötzlich zusammengebrochene bekannte US-Fußballreporter Grant Wahl ist seiner Witwe zufolge an einem Aneurysma gestorben. Eine in New York vorgenommene Autopsie habe ergeben, dass der 49-jährige Sportjournalist am Riss eines "langsam wachsenden, unentdeckten aufsteigenden Aneurysmas der Aorta" gestorben sei, teilte Wahls Witwe Celine Gounder am Mittwoch im Onlinemedium Substack mit.
Wahl war vergangenen Freitag während des WM-Viertelfinalspiels zwischen Argentinien und den Niederlanden auf der Pressetribüne im Stadion Lusail in Doha zusammengebrochen. Sein Leichnam war am Montag nach New York überführt worden, wo auch die Autopsie erfolgte. "Keine Wiederbelebungsmaßnahmen hätten ihn retten können", erklärte Gounder, eine renommierte Epidemiologin. Sein Tod habe weder im Zusammenhang mit dem Coronavirus noch mit dem Impfstatus gestanden. Sie wies damit in Onlinemedien kursierende Spekulationen zur Todesursache zurück.
Bei einem Aorta-Aneurysma, Ausbuchtungen der Blutgefäße der Hauptschlagader, droht im schlimmsten Fall deren Riss. "Der Druck in der Brust, den er kurz vor seinem Tod verspürte, könnte das erste Symptome gewesen sein", erklärte Gounder nun.
Dann ist Weihnachten. Und danach Wintersport. Menschen stürzen sich von Bergen hinab und springen von Schanzen oder laufen auf Skiern durch Wälder und schießen zwischendurch auf kleine schwarze Scheiben. Andere wiederum, vornehmlich mit Kugelbauch unter bunten Hemden, werfen mit Pfeilchen in Superspreader-Bierhallen auf größere Scheiben. Solch drollige Dinge tun Menschen im Winter, und viele, sehr viele schauen ihnen bei diesen Verrichtungen zu. Jeder nach seiner Fasson. Mein bester Freund antwortete auf die Frage nach seinem Lieblingssport im Winter einmal "Hallenfußball". Dafür ewiger Dank.
Am Sonntag geht die erste Winter-WM mit einem nominell großartigen Finale zu Ende. Ich hätte nichts gegen weitere im NO-vember und Dezember. Irgendwo. Außer in Katar und anderen Schweinestaaten.
Das wäre mal eine echte Zeitenwende.