WM 2022 in Katar Ein Boykott ist der falsche Weg: Warum ein Hamburger Gastwirt alle WM-Spiele zeigt

Gastronom Andreas Lübcke
Gastronom Andreas Lübcke
© Andreas Lübcke
Viele Kneipen und Bars in Deutschland wollen auf TV-Übertragungen der umstrittenen Fußball-WM in Katar verzichten. Warum ein Hamburger Kneipenwirt trotzdem alle Spiele zeigt, hat er dem stern erklärt.

Das Old MacDonald ist eine gediegene Sportsbar im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel. Dunkles Holz und getäfelte Wände bestimmen das Bild, im Sommer kann man draußen sitzen. Seit 2005 versorgt die Kneipe ihre Gäste zuverlässig mit Bier, Burgern und Sportübertragungen auf Großbildleinwänden, hauptsächlich natürlich mit Fußball. Doch in diesen Tagen scheint vieles nicht mehr selbstverständlich, schon gar nicht Live-Übertragungen von Spielen der Fußball-WM.

Das gilt auch für Inhaber Andreas Lübcke. Vor der umstrittenen Weltmeisterschaft in Katar mussten er und sein Team entscheiden, ob sie die WM-Spiele zeigen, wie in den vergangenen Jahren auch, oder ob sie sich einem Boykott anschließen. Viele Bars und Kneipen habe sich für Letzteres entschieden und unterstützen die Initiative #BoycottQatar. Wie viele es am Ende tatsächlich mitmachen, wird sich zeigen.

Es gäbe gute Gründe für einen Boykott der Fußball-WM

"Wir haben es uns schwer gemacht und lange überlegt, ob wir die WM komplett bei uns zeigen sollen", erzählt Lübcke dem stern. Hunderte, vielleicht tausende Tote auf den WM-Baustellen (belastbare Zahlen existieren nicht) und die brutale Ausbeutung der Arbeiter, die Unterdrückung von Homosexuellen und Pressefreiheit, die Korruption bei der WM-Vergabe, das autoritäre Regierungssystem – es gäbe gute Gründe, sich für einen Boykott zu entscheiden. Aber wäre das besser? 

Das Turnier findet statt, unabhängig von Kneipen-Boykotten in Deutschland. "Aktiv verhindern" könne man die Austragung nicht, sagt Lübcke. Deshalb sei er zu der Auffassung gelangt, dass es besser sei, die Spiele zu übertragen und "ein Statement zu setzen, indem wir spenden". Wenn die Leute die WM schauen, sei gleichzeitig Aufmerksamkeit garantiert für die schlechte Menschenrechtslage in Katar. Das entspricht der Auffassung von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch. Der Druck auf Katar, die Arbeitsbedingungen von Migranten zu verbessern, kann nur durch Aufmerksamkeit aufrechterhalten werden, lautet die Auffassung.

"Unsere Forderung ist, dass die davon profitieren, die unter dem Bau der Stadien gelitten haben", sagt der Wirt. Deshalb werde Lübcke 100 Euro pro deutsches Tor, mindestes aber 1000 Euro an Amnesty International spenden: "Wir wollen diejenigen unterstützen, die den Opfern eine Stimme geben." Amnesty setzt sich wie andere Menschenrechtsorganisationen und der Deutsche Fußball-Bund dafür ein, dass Katar einen Entschädigungsfonds für die Hinterbliebenen der verstorbenen Bauarbeiter einrichtet. Bislang lehnen das Land und die Fifa ab. Es käme ja auch einem Schuldeingeständnis gleich.

Seine Gäste wollen die WM sehen

Seine Gäste wollen auf jeden Fall die Spiele sehen, berichtet der Wirt, auch wenn sie die WM genauso kritisch betrachteten. Grundsätzlich sei die Debatte um einen Boykott zu begrüßen: "Es ist richtig, die Frage der Moral und wie wir uns verhalten auf die Tagesordnung zusetzen."

Lübcke betont gleichzeitig, dass es ihm nicht um einen zusätzlichen Verdienst gehe. Durch das Weihnachtsgeschäft und Weihnachtsmärkte sei die Gastronomie gut ausgelastet. Er glaube nicht, dass "die Vorrunde der WM mit den vielen Gruppenspielen stark frequentiert sein wird". Und natürlich hänge viel vom Erfolg der deutschen Nationalmannschaft ab, ob die WM überhaupt auf größeres Interesse stoße.

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