Wenn sie in die Pedale traten, fieberte die Welt mit. Die Duelle zwischen Jan Ullrich und Lance Armstrong bei der Tour de France sind legendär. Auf der Straße gönnten sie sich nichts, trieben einander bis an die Schmerzgrenze und darüber hinaus. Abseits der Strecke, wenn die Trikots ausgezogen waren und die Räder still standen, waren die Radprofis einander Freunde. So gute Freunde, dass der eine dem anderen zur Hilfe eilte, als die Sucht ihn in die Knie zwang. Wie es war, den Freund in dessen dunkelster Stunde zu sehen, hat Lance Armstrong nun in einer Dokumentation offenbart.
1997 schrieb Jan Ullrich Geschichte. Der Rostocker brachte das Gelbe Trikot sicher über die Ziellinie, holte den Gesamtsieg bei der Tour de France. Anlässlich des 25. Jubiläums zeigt die ARD jetzt die mehrteilige Dokumentation "Being Jan Ullrich". Sie zeigt den ehemaligen Radprofi in der Stunde seines größten Erfolgs, aber auch seinen Absturz. Nachdem Ullrich seine aktive Karriere beendet hatte, verlor er sich in der Sucht, sorgte immer wieder für Schlagzeilen. "Ich war auf dem Weg von Marco Pantani. Fast tot", erzählte Ulrich erst im vergangenen Herbst in einem Podcast im Gespräch mit Lance Armstrong. Pantani war 2004 an einer Überdosis Kokain gestorben. Bereits damals erzählte Ullrich, dass es auch seine Freunde gewesen seien, die ihn gerettet hätten. "Gute Freunde, so wie du, haben mich zurück ins Leben gebracht", sagte er.
Armstrong über Jan Ullrich: "Wir kennen alle ein paar verrückte Freunde"
Wie dramatisch die Lage des ehemaligen Erfolgssportler war, wird auch in der neuen Dokumentation deutlich. Dort kommen viele Wegbegleiter Ullrichs zu Wort. Neben Ex-Trainer und ehemaligen Teamkollegen auch Sponsoren, Betreuer, Journalisten und natürlich Freunde. So auch Lance Armstrong. "Er machte mir Angst, kein anderer. Dieser Mann ließ mich früh aufstehen. Er hat mein Leben verändert", blickt er auf die große Rivalität der beiden zurück. Aber er erinnert sich auch an andere Zeiten – Zeiten fernab von Glanz und Gloria.
Vor gut vier Jahren habe er Ullrich in einer Entzugsklinik besucht. "Er wusste nicht, dass ich komme, ich wusste nicht, wohin ich reise", berichtet der US-Amerikaner. "Wir kennen alle ein paar verrückte Freunde. Aber in so einem Zustand hatte ich noch keinen gesehen." Ullrich habe gleichermaßen "stark" wie "unheimlich" auf ihn gewirkt. Er habe dort etwas gesehen, was er noch nie zuvor gesehen hatte. Der Tiefpunkt war das aber nicht, der folgte zwei Jahre später. Damals war Ullrich nach Randalen in einem Flieger in einer mexikanische Klinik gelandet. Armstrong flog hin und fand den Freund in einem jämmerlichen Zustand vor. "Er war ans Bett gefesselt, ohne Bewusstsein", so Armstrong. Es sei das Allerschlimmste gewesen. Ullrich habe, so Armstrong, noch einen weiten Weg vor sich.
Die fünfteilige Dokumentation "Being Jan Ullrich" ist in der ARD-Mediathek abrufbar.