Khalida Popal erhält in diesen Tagen unzählige verzweifelte Anrufe und Sprachnachrichten. Nach zwei Jahrzehnten haben die Taliban die Kontrolle über ihr Land zurückerobert. Die 34-Jährige kann die Geschwindigkeit des Zusammenbruchs der afghanischen Regierung kaum fassen.
2007 war sie es, die Afghanistans erste Frauen-Nationalmannschaft gründete. Sie setzte sich dafür ein, dass die Rolle der Mädchen und Frauen in ihrem Land gestärkt werden. "Wir waren so stolz darauf, das Trikot zu tragen", erinnert sich Popal in einem Interview mit der Associated Press. "Es war das schönste und beste Gefühl überhaupt."
Khalida Popal: "Ihr Leben ist in Gefahr."
Doch in diesen Tagen kann Popal den Spielerinnen nur raten, aus ihren Häusern zu fliehen, vor den Nachbarn zu flüchten, die sie als Pionierspielerinnen kennen, und zu versuchen, ihre Geschichte auszulöschen – insbesondere ihren Aktivismus gegen die Taliban.
"Ich habe sie ermutigt, ihre Social-Media-Kanäle abzuschalten, Fotos zu löschen, zu fliehen und sich zu verstecken", sagt Popal. "Das bricht mir das Herz, denn all die Jahre haben wir daran gearbeitet, die Sichtbarkeit von Frauen zu erhöhen, und jetzt sage ich meinen Frauen in Afghanistan, sie sollen den Mund halten und verschwinden. Ihr Leben ist in Gefahr."
Khalida Popal weiß was es heißt, in Angst zu leben. 1996 war sie nach der Eroberung Kabuls durch die Taliban mit ihrer Familie geflohen, lebte in einem Flüchtlingslager in Pakistan. 2001, als die Herrschaft der Taliban endete, kehrte sie zurück. Unter dem Schutz der internationalen Gemeinschaft war Popal optimistisch, dass die Rechte der Frauen gefördert werden würden. "Meine Generation hatte die Hoffnung, das Land aufzubauen und die Situation für die nächste Generation von Frauen und Männern im Land zu verbessern", sagt sie. "Also begann ich mit anderen jungen Frauen, den Fußball als Instrument zur Stärkung von Frauen und Mädchen zu nutzen.
Khalida Popal floh 2016 nach Dänemark
Popal ermutigte ihre Mannschaftskameradinnen, ihre Plattformen zu nutzen, um ihre Meinung zu äußern, da die Taliban durch eskalierende Angriffe Gebiete zurückeroberten. "Ich habe so viele Morddrohungen und Herausforderungen erhalten, weil ich im nationalen Fernsehen zitiert wurde", sagte sie. "Ich habe die Taliban als unseren Feind bezeichnet."
Als Kabul in die Hände der Taliban fiel – die Machtergreifung in Bildern

2011 hörte Popal auf zu spielen, um sich als Direktorin des afghanischen Fußballverbands auf die Koordinierung der Mannschaft zu konzentrieren. Doch die Drohungen gingen weiter und sie war schließlich gezwungen, aus Afghanistan zu fliehen und 2016 in Dänemark Asyl zu beantragen. "Mein Leben war in großer Gefahr", sagt sie.
Doch sie ließ die Fußballerinnen nicht im Stich und half aus ihrem Exil heraus dabei, körperliche und sexuelle Misshandlungen, Todesdrohungen und Vergewaltigungen aufzudecken, in die auch die afghanische Verbandsführung verwickelt war.

Die meisten Spielerinnen haben ihre Häuser verlassen
Mit dem Truppen-Abzug der USA sei nun jegliche Hoffnung verloren gegangen. "Die Frauen in Afghanistan haben an die Versprechen geglaubt, aber sie sind gegangen, weil es keine nationalen Interessen mehr gibt. Warum dann all diese Versprechen?" fragt Popal. "Das sagen meine Mädchen, die weinen und Sprachnachrichten schicken. Warum habt ihr nicht gesagt, dass ihr einfach so gehen würdet? Dann hätten wir uns wenigstens selber schützen können." Die Spielerinnen seien am Boden zerstört. "Sie weinen. Sie weinen nur... sie sind traurig. Sie sind einfach nur verzweifelt. Sie haben so viele Fragen. Was mit ihnen geschieht, ist nicht fair."
Die meisten von ihnen hätten ihre Häuser verlassen, um sich bei Verwandten zu verstecken, weil ihre Nachbarn wissen, dass sie Spieler sind. "Sie sitzen da, sie haben Angst. Die Taliban sind überall. Sie gehen umher und verbreiten Angst", so Popal. Angesichts der aktuellen Lage ist es schwer vorstellbar, dass die afghanische Frauennationalmannschaft jemals wieder spielt. "Die Frauen haben die Hoffnung verloren", so Popal.
Quelle: Associated Press