Malala Yousafzai Mit 15 schossen ihr die Taliban in den Kopf. Sie fordert: Lasst die Frauen in Afghanistan nicht im Stich

Malala Yousafzai
"Afghanische Frauen und Mädchen verzweifeln an der Angst, nie wieder ein Klassenzimmer zu betreten oder ein Buch in der Hand halten zu dürfen."
© Oli Scarff / AFP
Nach dem Siegeszug der Taliban fürchten afghanische Frauen um ihre Freiheiten. Die Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai kritisierte den Rückzug der Alliierten und fordert die internationale Gemeinschaft auf, sich für Frauenrechte und Bildungschancen einzusetzen.

Wenige Tage nach der Machtübernahme der Taliban hat sich die Friedensnobelpreisträgerin, Malala Yousafzai, zur Lage der Frauen in Afghanistan geäußert. In den vergangenen zwanzig Jahren hätten Millionen Frauen und Mädchen Bildungsmöglichkeiten offen gestanden. Die Rückkehr der Taliban gefährde diese Möglichkeiten, schrieb sie in einem Beitrag für die New York Times. Bereits am Montag hatte sich Malala Yousafzai auf Twitter geäußert. "Ich bin zutiefst besorgt um Frauen, Minderheiten und Verfechter von Menschenrechten", schrieb die 24-Jährige und bat Politiker vor Ort und weltweit um sofortige humanitäre Hilfe zum Schutz von Flüchtlingen und Zivilisten.

Angesichts der aktuellen Lage in Afghanistan könne sie nicht anders, als an ihre Kindheit zurückzudenken, schrieb Yousafzai in dem Zeitungsbeitrag. 2007 hatten die Taliban Teile Pakistans übernommen – darunter den gut 70 Kilometer entfernten Heimatort ihrer Familie im pakistanischen Swat Tal. 2012 wurde die damals 15-Jährige Schülerin in ihrem Heimatdorf von Taliban Kämpfern niedergeschossen, weil sie sich zuvor dem Schulverbot widersetzt und sich für das Recht auf Bildung stark gemacht hatte. Nach dem Anschlag flüchtete die Familie nach Großbritannien. 2012 wurde Malala Yousafzai mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet und ist seit 2017 Friedensbotschafterin der UN.

"Die Angst der Frauen ist real"

Sie selbst sei dankbar für ihren Bildungsweg und die Möglichkeiten, die sich für sie eröffnen. "Nachdem ich im letzten Jahr meinen Abschluss gemacht und jetzt meine eigene Karriere verfolge, kann ich mir kaum vorstellen, das alles wieder zu verlieren – ein Leben zu leben, das von Männern mit Waffen bestimmt wird."

Frauen und Mädchen in Afghanistan verzweifelten jetzt wieder aus Angst, nie mehr einen Klassenraum von innen zu sehen oder ein Buch in den Händen zu halten. Auch wenn sich die Taliban derzeit offener zeigen, so sei die Geschichte, in der Frauenrechte gewaltsam unterdrückt wurden, ein Indiz dafür, dass "die Angst der Frauen real ist." Bereits jetzt häuften sich Berichte von Frauen und Studentinnen, die nicht mehr ins Büro und in die Universitäten gehen.

"Afghanen als Pfand für ideologische Stellvertreterkriege"

Ihre Kritik richtete die Bildungs- und Friedensaktivistin auch an die internationale Gemeinschaft. Nichts von dem, was in dem Land passiert, sei neu für Afghanen, die seit Generationen in Stellvertreterkriegen von globalen Supermächten gefangen seien. Kinder seien in diesen Kriegen geboren worden, Familien hätten jahrelang in Flüchtlingslagern gelebt und versuchten nun zu fliehen. "Die Kalaschnikows der Taliban sind eine schwere Last auf den Schultern der afghanischen Bevölkerung. Die Länder, die die Afghanen als Pfand für ihre ideologischen Kämpfe und Gier benutzt haben, haben sie nun zurückgelassen, um diese Last nun selbst zu tragen", kritisierte Yousafzai in ihrem Beitrag.

Gleichzeitig rief sie die internationale Gemeinschaft dazu auf, humanitäre Hilfe zu leisten. Sie selbst habe in den vergangenen Wochen mit Unterstützern von Bildungseinrichtungen in Afghanistan gesprochen. Dort sei die Not groß. Es brauche humanitäre Hilfe, um Familien vor dem Hunger zu bewahren und Kindern weiterhin Bildung zu ermöglichen. "Wir werden noch genug Zeit haben zu debattieren, was im Afghanistan-Krieg schiefgelaufen ist, aber in dieser kritischen Situation müssen wir auf die Stimmen afghanischer Frauen und Mädchen hören. Sie bitten um Schutz für Bildung, für Freiheit und die Zukunft, die sie sich erhofft haben. Wir können sie nicht im Stich lassen. Wir haben keine Zeit zu verlieren."

cl