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Fan-Beschimpfungen in Leipzig Max Eberl hat selbst für den Hass gesorgt – und ihn trotzdem nicht verdient

Max Eberl
Max Eberl musste sich am Wochenende wüste Beschimpfungen anhören
© Jan Woitas / DPA
Max Eberl wurde beim ersten Spiel gegen seinen Ex-Klub Borussia Mönchengladbach zur Zielscheibe von Hass und Hämen. Ein Stück weit hat er das selbst zu verantworten, doch die Beleidigungen waren an Respektlosigkeit nicht zu überbieten.

Dass das erste Spiel gegen seinen Ex-Verein Borussia Mönchengladbach ungemütlich werden würde, war Eberl vermutlich schon klar, als die Tinte unter seinem Vertrag bei RB Leipzig noch nicht ganz trocken war. Doch dass ihm ein solcher Hass entgegenschlägt, überraschte offenbar auch ihn. Eberl hat sich in den Jahren als Gladbach-Funktionär eine Fallhöhe geschaffen, die er jetzt selbst zu spüren bekommt. Ihm aber vorzuwerfen, er habe seine Burn Out-Erkrankung nur vorgespielt, um schneller aus seinem Vertrag am Niederrhein herauszukommen, zeigt nur eines: Einige Gladbacher haben beim Thema psychische Erkrankungen noch immer nicht dazu gelernt.

Fan-Beschimpfungen gegen Max Eberl: Einige Gladbacher haben offenbar immer noch nicht dazu gelernt

Aber der Reihe nach: Mehr als 20 Jahre war Eberl in Diensten der Fohlen. Als Spieler, Jugendkoordinator und zuletzt als Sportdirektor. Und die Borussia liebte ihn. Auf dem Feld vielleicht fußballerisch limitiert, zeigte er, was den Fans eines Traditionsvereins noch viel wichtiger ist als schöne Tricksereien und ein Spiel für die Galerie: Kampf, Wille, Einsatz – Eberl war kein Ballkünstler, er war ein Vorbild. 

Als er 2008 Sportdirektor wurde, taumelte die einst so erfolgreiche Borussia durch die Bundesliga. Mit Eberl schlug der Verein ein neues Kapitel auf. Spätestens mit dem Klassenerhalt 2011 begann eine Erfolgsgeschichte. Die Fohlen galoppierten wieder, Eberl sanierte den maroden Verein mit Erlösen aus schlauen Spielertransfers. Plötzlich war die Borussia wieder eine Nummer – national wie international. Gladbach und Eberl – es war eine schon fast kitschige Liebe.

Über Jahre wetterte Eberl gegen das Konstrukt von RB Leipzig

Doch er wurde von den Fans nicht nur für seine Arbeit geschätzt, sondern auch für seine Einstellung gegenüber finanzstarken Konkurrenten – insbesondere seinem neuen Arbeitgeber RB Leipzig. Dass "Geschiebe von Spielern" zwischen den Schwestervereinen in Leipzig und Salzburg kritisierte er 2016 öffentlich. Red Bull habe genau genommen zwei Mannschaften und müsse nicht aufs Geld achten, so der Vorwurf. Eberl spielte die Traditions-Karte, wie viele vor und nach ihm auch: Wir die Underdogs, die sich alles hart erarbeiten müssen. Sie, die seelenlosen Werbekonstrukte, die das Geld mit vollen Händen aus dem Fenster werfen können. 

Eine Folklore so wahr, wie verfänglich. Zeitweise hatte man das Gefühl, Eberl wird in Gladbach alt werden. Es sind genau diese Fußball-romantischen Geschichten, die die Fans so lieben. Doch die Beziehung endete dann doch: Schnell, schmerzhaft, ohne das jemand etwas dafür konnte. Eberl war zu erschöpft, um weiterzumachen. Im Januar 2022 verkündete er seinen Abschied unter Tränen. "Ich habe keine Kraft mehr", sagte Eberl damals. Es war ein Satz so ehrlich, so offen, dass niemand ihm einen sprichwörtlichen Strick daraus drehen konnte. Mönchengladbach war ein Tal der Tränen, irgendwo zwischen Betroffenheit und Dankbarkeit. Eberl hatte alles für den Verein gegeben, seine Gesundheit aufs Spiel gesetzt, sich selbst aufgeopfert – bis zur totalen Erschöpfung.

Wechsel nach Leipzig: Hochverrat an der Fußball-Kultur

Monatelang tauchte Eberl ab. Bis erste Schlagzeilen, einschlugen wie eine Bombe: Eberl geht zu RB Leipzig. Ausgerechnet zu RB! Ausgerechnet zu diesem Brauseklub! Ausgerechnet zum Todfeind aller Fußball-Traditionalisten in Deutschland! Ein Hochverrat an der Fußball-Kultur.  

Die Wut der Fans ist durchaus verständlich. So hat Eberl doch selbst über all die Jahre in Gladbach die Klaviatur der Folklore so wunderbar bedient. Er selbst hat die Grube gegraben, in die er nun fällt. Es ist die Geschichte einer nicht erwiderten Liebe, die die Gladbacher so quält. Und wie es in der Liebe nunmal so ist: für wen man am meisten empfindet, der verletzt auch am schwersten.

Doch was am Wochenende in Leipzig passiert ist, hat nichts mehr mit Enttäuschung oder Liebeskummer zu tun. Einige Fans machen offensichtlich den Fehler, Eberls Wechsel und seine Krankheit in einen Topf zu werfen. 

Eberl Plakat
Anhänger von Borussia Mönchengladbach warfen Eberl vor, sich seine Erschöpfungserkrankung ausgedacht zu haben
© Jan Woitas / DPA

Wer jemals mit Menschen Kontakt hatte, die unter einer ähnlichen Krankheit wie Eberl gelitten haben, weiß, dass sie durch eine Therapie gut behandelbar ist. Wer meint, nach acht Monaten sei man in keinem Fall in der Lage, wieder ins Berufsleben einzusteigen, sollte sich schleunigst genauer über psychische Erkrankungen informieren. 

Ja, ein Wechsel zu einem Marketingkonstrukt wie RB Leipzig mag nicht die feine englische Art sein, vor allem nicht wenn man solange dagegen gewettert hat. Doch Max Eberl nun den Vorwurf zu machen, er habe sich zu schnell von seiner Krankheit erholt oder habe sie sich sogar ausgedacht, um einen Vorwand zu haben, nach Leipzig zu gehen, ist dermaßen respektlos, dass einem die Worte fehlen. 

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