Hambüchen-Fehlgriff "Ich werde es noch allen zeigen"

Von Jens Fischer, Peking
Was für ein Drama. Ausgerechnet Fabian Hambüchen versagten im Mehrkampf-Finale der Turner die Nerven. Ein falscher Griff am Reck - und die deutschen Medaillenträume waren geplatzt. Jetzt will er es in den Einzelkämpfen erst recht wissen.

Es war exakt 11.45 Uhr, als das Drama seinen Lauf nahm. Fabian Hambüchen stürzte ab. Der deutsche Turn-König griff ausgerechnet an seinem Lieblingsgerät, dem Reck, bei einem vermeintlich leichten Übungsteil daneben. War es Nervosität? Hatte er seine feuchten Hände nicht ausreichend mit Magnesium versorgt? Oder war es die leichte Verletzung an der Hand, die er sich zuvor bei seiner Übung am Barren zugezogen hatte?

Wahrscheinlich von allem ein bisschen. Letztendlich waren es unter anderem diese 0,8 Punkte Abzug, die Hambüchen für seinen Patzer von den Kampfrichtern aufgebrummt bekam, die der deutschen Riege zur erträumten Bronze-Medaille gefehlt haben. Vorwürfe gab es von den Mannschaftskollegen nach dem emotional extrem aufgeladenen Wettkampf im National Indoor Stadion von Peking keine: "Das hätte wirklich jedem passieren können. Ihm jetzt irgendetwas vorzuwerfen, das wäre wirklich total daneben", darin waren sich Phillip Boy, Thomas Andergassen und Marcel Nguyen einig.

Die Amis nerven

Dennoch: Bitterer hätte der Vormittag nicht laufen können, denn die Chancen auf eine olympische Medaille waren so gut wie selten zuvor. Dass ausgerechnet die Amerikaner, in den vergangenen Jahren nicht oft an der Spitze zu finden, den Deutschen hinter den unschlagbaren Chinesen und den starken Japanern den dritten Platz wegschnappten, spricht Bände. "Da sieht man, was mit Emotionen und einem ausgeprägten Selbstbewusstsein möglich ist", versuchte Boy die Leistung der Amerikaner zu erklären. "Allerdings hat uns die Show der Amerikaner schon richtig genervt und auch in der Konzentration gestört." Immer wieder hatten sich die US-Boys zwischen den einzelnen Übungen angefeuert und aufgeputscht. Auch ein psychologischer Trick, der die Konkurrenten irritieren und einschüchtern sollte. Er hat funktioniert. Leider, aus deutscher Sicht.

Hambüchen selbst wurde wieder einmal zum Protagonisten eines Turnwettkampfs, den die Welt so lange nicht mehr gesehen hatte. Vor 15 000 euphorisierten Zuschauern, die ihre Turn-Idole rund um den sagenhaften Yang Wei frenetisch anfeuerten, lief für den sich in Topform befindenden Hambüchen bis zum vierten Gerät alles nach Plan. Hoch motiviert, sicher auch bei den schwierigsten Elementen und gewohnt selbstbewusst präsentierte er seine Übungen – bis es am Reck, dem Königsgerät, passierte. Ein falscher Griff, den er zwar noch zu korrigieren versuchte, dann war es passiert. Hambüchen musste absteigen, alle Träume waren geplatzt.

Hambüchen trotzig

"Für mich ist der Fehler bereits abgehakt. Ich schaue nach vorne, für mich zählt ab sofort nur noch der Einzelmehrkampf – dieser Fehler wird sicher nicht in meinem Kopf hängenbleiben", erklärte er später im kämpferischen Tonfall den Journalisten. Auf die Frage, weshalb der Fehler ausgerechnet bei einem so leichten Übungsteil passiert sei, merkte man Hambüchen aber an, wie angefressen er doch war. "Was heißt hier leichter Übungsteil? Der ist verdammt schwer, und so ein Fehler kann immer mal passieren. Ich bin auch nur ein Mensch." Er wusste genau: Bei einer sauber durchgeturnten Übung, wäre mehr drin gewesen. In ihm brodelte es, Tausende Male hatte er den "Adler mit ganzer Drehung" ohne Probleme durchgezogen.

Nur hier und heute nicht. Bei Olympia, dem Wettbewerb, auf den er vier Jahre lang hingearbeitet hatte. Hambüchen war sauer und gab allen noch schnell eine Kampfansage mit auf den Weg: "Ich werde es noch allen zeigen."

"Überirdisch. Die sind hier unschlagbar"

Von der Leistung der groß auftrumpfenden Chinesen hatte der 20-Jährige eine klare Meinung: "Die sind krank. Was die heute hier gezeigt haben, war überirdisch. Da hat jeder der Jungs Höchstschwierigkeiten geturnt, die sind in meinen Augen hier unschlagbar." Vielleicht doch. Denn ohne den Patzer wäre die Reck-Darbietung Hambüchens auch heute schon absolute Weltklasse gewesen. Das macht Hoffnung – denn Einzel-Gold am Reck ist für den tragischen Helden des Mannschaftsmehrkampfs weiter möglich.

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