Da dachten wir, der Schachsport könnte keinen größeren Hype mehr erleben als kurz nach der Veröffentlichung der Netflix-Serie "The Queen's Gambit" – aber da haben wir uns offenbar getäuscht. Denn was derzeit in der Schachszene vor sich geht, ist spannender als jeder Krimi.
Und inzwischen hängen selbst Schach-Neulinge vor den Nachrichten, um mehr über den aktuellen Skandal zu erfahren – der mit einer ungewöhnlichen Szene zwischen dem derzeit besten Spieler der Welt, Magnus Carlsen, 31, und einem talentierten Newcomer, Hans Niemann, 19, begann: Carlsen gab bei einem renommierten Schachturnier nach einer Niederlage gegen Niemann auf und verließ die Veranstaltung. Es folgte lediglich ein kryptischer Tweet.
Aufruhr in der Schach-Welt
Schon bald war klar: Carlsen hatte den aufstrebenden Amerikaner Niemann des Mogelns bezichtigt, ohne es laut zu sagen. Das übernahm Hikaru Nakamura, Weltmeister im Blitzschach, für ihn – und Hans Niemann selbst gab zu, in der Vergangenheit – mit 12 und mit 16 Jahren – im Onlineschach tatsächlich betrogen zu haben, dies aber zu bereuen und seither ehrlich zu spielen.
Online betrügen ist einfach möglich, wie dies allerdings bei einem Vor-Ort-Schachspiel funktionieren soll, darüber wurde schnell wild spekuliert. Einige Boulevardmedien dachten gar an ferngesteuerte Analperlen ... Hans Niemann jedoch bestritt jede Schummelei vehement und bot gar an, nackt oder in einem abgeschirmten Raum anzutreten.
Trotz dieser Beteuerungen gab es beim nächsten Zusammentreffen zwischen dem jungen Amerikaner und dem versierten Norweger erneut einen Eklat. Auch beim Online-Turnier Mitte September zog sich Carlsen nach nur einem Zug seines Kontrahenten aus dem Spiel zurück und behauptete hinterher auf Twitter, er wisse, dass Niemann häufiger betrogen habe, als er zugebe.
Dem Weltverband Fide reicht es nun
Nun scheint es dem Schachverband Fide zu bunt zu werden. Bisher konnte nicht bewiesen werden, dass Niemann wirklich betrog und außer Vorwürfen steht wenig Konkretes im Raum. Für die Karriere des jungen Spielers ist das fatal, in der Szene sorgt der Zwist für massive Unruhe.
"Nach den jüngsten Entwicklungen in der Carlsen-Niemann-Kontroverse hat die Fairplay-Kommission (FPL) der Fide beschlossen, von Amts wegen zu handeln und ein Untersuchungsgremium (IP) einzurichten", heißt es. Es wird also nicht nur gegen den 19-Jährigen, sondern explizit auch gegen Magnus Carlsen ermittelt.
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Ein dreiköpfiges Gremium soll den ungewöhnlichen Fall nun untersuchen. "Gibt es genügend Fakten, die einen Betrugsvorwurf rechtfertigen? Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass das der Fall ist, würden wir entsprechend Anklage bei der Ethik- und Disziplinarkommission der Fide erheben. Wir würden aber auch prüfen, ob eine falsche Beschuldigung vorliegt."
Quelle: "Spiegel"