Der Europameister Khoren Gevor fordert Weltmeister Felix Sturm. Am Samstag Abend kommt es in der neuen Arena am Nürburgring zum großen Box-Spektakel im Mittelgewicht (22.30 Uhr live/ZDF). Besondere Brisanz verspricht der Kampf, weil beide Kämpfer Kollegen im Hamburger Universum-Boxstall sind. Felix Sturm setzt dabei seinen WBA-Weltmeistergürtel aufs Spiel und weist eine Bilanz von 32 Siegen in 35 Profikämpfen auf. Aber auch Khoren Gevor, der in der WBA- und WBO-Weltrangliste jeweils den zweiten Platz belegt, beeindruckt mit seiner Kampfstatistik und verließ den Ring in 33 Duellen 30 mal als Sieger. Das Aufeinandertreffen verspricht also reichlich Spannung und hochklassige Box-Unterhaltung.
stern.de hat Trainerlegende Fritz Sdunek zum Interview getroffen.
Herr Sdunek, welche Chancen hat Ihr Schützling Khoren Gevor gegen Felix Sturm?
Felix Sturm ist natürlich der absolute Favorit. Er hat mit tollen Kämpfen gezeigt, dass er ein technisch sehr guter Boxer ist. Ich habe Felix schon als Kind in Leverkusen kennen gelernt und habe auch schon mit ihm gearbeitet. Er hat sich als Profi enorm verbessert und verfügt über ein gesundes Selbstbewusstsein. Aber das hat Khoren Gevor auch. Im Boxen ist immer wieder alles möglich. Der Favorit ist Felix, aber wir sehen unsere Außenseiterchance, weil Khoren einen starken Willen hat und sehr kampfstark ist.
Welche Schwächen können Sie bei Felix Sturm ausmachen?
Felix hat wenige Schwächen. Außerdem werde ich die jetzt nicht nennen. Das muss unser Geheimnis bleiben.
Sie sind seit einer Ewigkeit dabei und haben Erfahrungen wie kaum ein anderer gesammelt. Was werden die entscheidenden Faktoren sein, die letztendlich den Sieger ausmachen?
Entscheidend ist, ob die Boxer mit ihrer Psyche das umsetzen können, was wir ihnen beigebracht haben. Im Wettkampf entscheidet sich dann, wer mental der Stärkere ist.
Ihnen eilt der Ruf voraus, ein sehr persönliches Verhältnis zu ihren Boxern zu pflegen. Ist das eines Ihrer Erfolgsgeheimnisse?
Ich denke, das Vertrauensverhältnis zwischen Sportler und Trainer muss einfach stimmen. Der Boxer muss die nötige Bereitschaft haben, alles umzusetzen, was der Trainer sagt, oder dies zumindest versuchen. Das entscheidet über Erfolg oder Misserfolg.
Wie nah stehen Sie sich mit Khoren Gevor?
Wir reden sehr viel und verbringen wegen unserer Wettkampfreisen sehr viel Zeit miteinander. Wir essen häufig miteinander und nach Erfolgen wird auch mal mit einem Glas Cognac angestoßen. Wir unterhalten uns auch viel über private Dinge. Ich halte das für sehr wichtig und denke, dass man so etwas als Trainer machen muss, um das nötige Vertrauensverhältnis zu den Sportlern aufzubauen. Auch Gespräche mit der Familie gehören da natürlich dazu.
Michael Timm, den Trainer von Felix Sturm, kennen Sie sehr genau und haben ihn einst selber trainiert. Sie müssten sich in und auswendig kennen. Ist das ein Vorteil oder vielleicht sogar ein Risiko?
Ich sehe da keine Vor- oder Nachteile für beide Seiten. Wir kennen uns beide in und auswendig. Ich habe Timm bei den Amateuren in die Spitze geführt und zum Europameister gemacht. Ich habe ihn als Assistenztrainer in Schwerin und auch in Hamburg als Trainer bei den Profis aufgebaut. Er verkörpert auch meine Philosophie des Boxens. Natürlich haben sich unsere Wege ein bisschen getrennt, weil wir uns mittlerweile schon einige Male als Konkurrenten am Ring gegenüber standen. Trotzdem haben wir immer noch ein sehr, sehr gutes Verhältnis. Wir machen allerdings unseren Job als Trainer und müssen uns auf unsere Leute konzentrieren
Können Sie Ihre Philosophie des Boxens beschreiben?
Die Grundphilosophie ist treffen ohne viel getroffen zu werden. Bevor man in den Ring geht muss man eine gute Ausdauer und gute konditionelle Werte besitzen. Wenn die Physis bei den Boxern vorhanden ist, dann kann man auch die entsprechende Technik und Taktik umsetzen. Wenn das nicht gegeben ist, geht gar nichts.
Viele Boxer schicken schon vor dem Kampf Provokationen und Beleidigungen in Richtung ihres Kontrahenten. Was steckt eigentlich hinter diesen verbalen Scharmützeln? Demonstration der eigenen Stärke? Verunsicherung des Gegners?
Das ist ein Psychokrieg, der besonders aus Amerika und England zu uns rüber gekommen ist. Damit will man den Gegner verunsichern und Psychoterror betreiben. Meiner Meinung nach ist das Kasperletheater. Hinter vielen großen Sprüchen sitzt nichts dahinter.
Darum verzichtet Khoren Gevor darauf?
Es ist nicht sein Ding. Er ist ein bescheidener, fleißiger Junge und sehr charakterstark. In Finnland hat Khoren mit einem bescheidenen Auftreten die Europameisterschaft gewonnen, womit keiner gerechnet hat. Man muss vorher keine großen Sprüche machen.
Kohren Gevor hat gesagt, er wolle die Scharte der Niederlage aus seinem ersten WM-Kampf gegen Artur Abraham unbedingt ausmerzen. Denken auch Sie schon an eine mögliche Revanche im Falle eines Sieges gegen Felix Sturm?
Man muss sich immer auf die nächste Aufgabe konzentrieren. Khoren hat gegen Abraham sechs Runden lang eine sehr gute Leistung geboten, hat dann aber taktisch versagt. Er hat nicht mehr das gemacht, was ich von ihm verlangt habe. Er braucht sich deswegen aber keine Vorwürfe zu machen. Er ist seitdem gereift, das hat er in Helsinki bewiesen.
Nach dem Sieg von Khoren Gevor sollen Sie in der Kabine "Oh, wie ist das schön" angestimmt haben. Wird es im Falle eines Sieges auch dieses Mal wieder ein Ständchen von Fritz Sdunek geben?
Wenn das gelingen sollte, auf alle Fälle. Dann werden wir singen und lustig sein.