Die 33 Jahre alte Berlinerin verlängerte damit in Abwesenheit der verletzten Anni Friesinger die seit 2000 anhaltende Siegesserie deutscher Eisschnellläuferinnen. Sie blieb zwar ohne Streckensieg, befindet sich aber knapp vier Wochen vor Beginn der Winterspiele in Turin voll im Olympia-Fahrplan.
Überschattet wurden die Olympia-Generalprobe von peinlichen Pannen an den Eis-Anlagen. Nachdem die 5000 m am Samstag wegen zugefrorener Rohre nicht wie geplant ausgetragen werden konnten, kam es beim 100. Titelkampf der Herren zum Novum in der EM-Historie: Erstmals mussten die drei langen Strecken über 1500, 5000 und 10 000 m an einem Tag gelaufen werden. "Das ist ärgerlich für uns alle: Den Veranstalter, die Athleten und den Weltverband", erklärte ISU-Vizepräsident Gerd Zimmermann. "Wir stehen jetzt da wie die Dummköpfe, aber gegen diese technische Panne ist niemand gefeit", verteidigte sich Organisations- Chef Björn Ruud.
Pechstein bleibt cool
Claudia Pechstein zeigte sich von der lange währenden Ungewissheit über den Ablauf des Titelkampfes und die Verlegung des Zeitplans wenig beeindruckt: Am Sonntag kam sie in 1:58,04 Minuten über 1500 m auf Platz drei hinter ihren niederländischen Konkurrentinnen Ireen Wüst (1:57,16) und Renate Groenewold (1:57,77). Damit schmolz ihr Polster für die 5000 m auf reichlich drei Sekunden. Zäh wehrte sie jedoch die Attacken von Groenewold in der Entscheidung ab, kam in siegbedeutenden 7:08,02 Minuten auf den zweiten Rang und erzielte im Vierkampf 163,159 Punkte. Damit holte sie sich "Rückenwind" für Turin, wo sie auf ihrer Spezialstrecke zum vierten Mal hintereinander triumphieren möchte.
Tags zuvor hatte sie mit der persönlichen Bestzeit von 39,60 Sekunden über 500 m die Grundlage für ihren ersten internationalen Mehrkampf-Erfolg seit dem WM-Gewinn 2000 gelegt. Über 3000 m (4:08,47) fehlte ihr auf den letzten beiden Runden noch das Stehvermögen, um Groenewold (4:05,79) zu bezwingen. Die Niederländerin belegte im Endklassement mit 163,597 Zählern schließlich Rang zwei vor der 19-jährigen Junioren-Weltmeisterin Ireen Wüst (163,849).
Für Claudia Pechstein bleibt Hamar damit trotz aller Widrigkeiten ein Lieblingsort. "Seit meinem ersten Olympia-Sieg 1994 ist Hamar etwas ganz Besonderes für mich. Hamar ist wie der erste Kuss oder die erste Liebeserklärung, die ich bekommen habe", meinte sie. Anni Friesinger, die nach ihrer Wadenverletzung derzeit nur ein leichtes Aufbautraining bestreitet, hatte der Rivalin vor dem Fernseher sitzend alles Gute gewünscht. "Es ist grausam zuzugucken. Mein Herz blutet", sagte die fünfmalige Europameisterin der "Welt am Sonntag".
Enrico Fabris holt Gold
Die Vorjahrs-Zweite Daniela Anschütz-Thoms (Erfurt) war nach einem Infekt noch nicht wieder fit und kam nur auf Rang neun. Hingegen steigerte sich Lucille Opitz aus Berlin und kam wie vor zwei Jahren auf Platz sieben. Damit haben sich die deutschen Damen drei Startplätze für die WM Mitte März in Calgary gesichert.
Angesichts der technischen Probleme und damit erzwungenen Dreifach-Belastung gestaltete sich die Herren-Konkurrenz zu einem echten Härtetest bis in den späten Abend. Dabei erzielte der deutsche Meister Tobias Schneider (Berlin) als Zwölfter sein bisher bestes EM- Resultat und sicherte dem deutschen Verband den einzigen Startplatz bei der Mehrkampf-WM. Enrico Fabris erkämpfte beim 100. Titelkampf als erster Italiener eine EM-Goldmedaille. Unter den Augen ihres Königs Harald belegten die Norweger Eskil Ervik und Havard Bökko die Ränge zwei und drei.
Frank Thomas/DPA