Ganz Neuseeland fiebert dem Finale der Rugby-WM im eigenen Land entgegen. Dabei trifft der Gastgeber auf die Franzosen, die sie bereits in der Vorrunde besiegen konnten. Trotz einiger namhafter Ausfälle gehen die All Blacks als klarer Favorit in die Partie am Sonntag. Das zweite WM-Gold nach 1987 - ebenfalls vor heimischer Kulisse - scheint zum Greifen nahe.
All Blacks vs. Les Bleus
Denn die Statistik spricht ganz klar für Neuseeland. Allerdings konnten die Franzosen den All Blacks schon des Öfteren ein Bein stellen. Bisher bestritten beide Mannschaften insgesamt 50 Partien gegeneinander, von denen Neuseeland 37 für sich entscheiden konnte. Die Franzosen kommen bei einem Unentschieden auf zwölf Erfolge. Beim Vorrundenduell vor vier Wochen zwischen den beiden Kontrahenten behielten die All Blacks mit 37:17 die Überhand und dominierten die Partie deutlich. Auch die beiden letzten Duelle vor der WM gingen an Neuseeland.
Hinzu kommt die beeindruckende Heimbilanz der All Blacks. Im Eden Park von Auckland, in dem am Sonntag das Finale stattfindet (10:00 MEZ), sind sie seit 27 Länderspielen ungeschlagen und feierten dabei 26 Siege. Die letzte Niederlage datiert aus dem Juli 1994 - Neuseeland verlor ausgerechnet gegen Finalgegner Frankreich.
Die Franzosen konnten die Gastgeber schon mehrmals bei Weltmeisterschaften überraschend ausschalten. Im Halbfinale der WM 1999 in England gewannen die Franzosen trotz eines 10:24-Rückstandes noch mit 43:31 und auch bei der letzten WM 2007 schalteten sie die favorisierten Neuseeländer im Viertelfinale mit 20:18 aus.
Neuseeland ohne Worte
Neuseelands Coach Graham Henry kann am Sonntag wieder auf die gleiche XV setzen wie beim Halbfinalsieg gegen Australien, nachdem er in den Spielen zuvor aufgrund schwerer Verletzungen mehrmals seine Startformation hatte ändern müssen. So fallen Superstar Dan Carter, dessen Ersatzmann Colin Slade und Mils Muliaina aus. Vor dem Finale ist die einzige Änderung bei den All Blacks ein Wechsel auf der Ersatzbank: Flanker Adam Thompson ersetzt Victor Vito. Henry ist zuversichtlich, dass seine Spieler durch einen Sieg seine erfolgreiche Karriere als Nationaltrainer krönen können.
Dabei setzt Graham Henry auf eine etwas unorthodoxe Spielvorbereitung, wie er am Freitag auf einer Pressekonferenz mitteilte. Der Trainer wird seinen Spielern vor der Partie am Sonntag in der Kabine keine Worte mehr mit auf den Weg geben: "Ich rede nicht. Ernsthaft. Sonntag Nacht, bevor sie aufs Feld laufen, ist ihre Zeit. Es muss ihre Zeit sein. Sie müssen ihre Gedanken ordnen und sich auf ihre Arbeit fokussieren. Reden zu dieser Zeit ist Zeitverschwendung, eine Ablenkung. Heute und morgen rede ich mit ihnen, aber ich denke nicht, das man vor einem Spiel mit seinem Team reden sollte", berichtet rugbyworldcup.com.
Nach sechs souveränen Siegen aus sechs Spielen sind die neusseeländischen Fans euphorisch und erwarten von ihrer Mannschaft den Sieg. Dazu tragen auch die bisher eher schwachen Leistungen ihres Gegners bei. Doch der verletzte Fly-Half Dan Carter warnt vor den Franzosen: "Wir müssen auch das Unerwartete erwarten. Die Franzosen sind eine gefährliche Mannschaft." Für Neuseeland ist es das erste Finale seit 1995, das sie gegen Gstgeber Südafrika knapp mit 12:15 verloren.
Auch Frankreich unverändert
Frankreich steht am Sonntag zum dritten Mal nach 1987 und 1999 in einem WM-Finale. Doch wie die Franzosen dorthin gekommen sind, wissen sie wohl selbst nicht genau. Als erstes Team in der WM-Geschichte qualifizierte sich Frankreich mit zwei Vorrunden-Niederlagen für das Endspiel. Lediglich beim 19:12 im Viertelfinale gegen England deutete die Auswahl von Trainer Marc Lièvremont das durchaus vorhandene Potenzial an. Beim 9:8 im Halbfinale über Wales profitierten die Franzosen von mehreren verschossenen Kicks der Waliser aus aussichtsreicher Position.
Wie Henry setzt auch Lièvremont auf die gleiche Startformation. Ein Schlüssel für die Franzosen wird ihr taktisches Kicking sein - wie schon beim Viertelfinalsieg gegen England. Scrum-Half Dimitri Yachvili und Fly-Half Morgan Parra kommt dabei die Rolle zu, durch weite Kicks den Druck von der Defensive zu nehmen und gleichzeitig ihre Straftritte in Punkte umzumünzen. Zusammen liegen beide bei einer guten Erfolgsquote von 85 Prozent.
Nach ausführlicher Videoanalyse liegt ein weiteres Hauptaugenmerk der Franzosen auf den Scrums. Die Stärke der Neuseeländer beim Gedränge ist deren Kraft und Geschwindigkeit. Das Problem für die Franzosen wird es sein, es mit diesem Tempo aufzunehmen: "Es ist alles eine Frage der Geschwindigkeit", so der französische Teamberater Joel Jutge auf rugbyworldcup.com. Laut Flanker Julien Bonnaire haben Les Bleus nichts zu verlieren und eine Chance auf den Titel: "Wir brauchen ein perfektes Spiel."
Will history repeats itself?
Bereits das erste Finale einer Rugby-WM bestritten Neuseeland und Frankreich. 1987 gewannen die All Blacks ebenfalls zu Hause gegen die Franzosen mit 29:9. Darauf folgte neun Monate später ein Babyboom. Die Neuseeländer hoffen, dass sich Geschichte wiederholen wird.