Nachdem wir uns im Zuge der Vorberichterstattung der Rugby-WM bereits den starken Insel-Staaten im Pazifik gewidmet haben, fangen wir nun an, die Favoriten auf den Titel nach und nach vorzustellen. Den Anfang machen heute die Wallabies aus Australien.
Rugby hat in Australien eine riesige Tradition. Bereits wenige Jahre, nachdem sich das Spiel ab 1823 in Großbritannien zu verbreiten begonnen hatte, fand es seinen Weg in die Kolonien und damit nach Australien. Erste Spiele, bei denen sich britische Soldaten und Matrosen der im Hafen liegenden Schiffe gegenüberstanden, sollen in Sydney bereits Ende der 1820er Jahre ausgetragen worden sein.
1839 erstes offizielles Match
Das erste offizielle Match fand am 25. Juli 1839 statt und danach begann der Sport seinen Siegeszug durch sämtliche Kolonien auf dem australischen Kontinent und er wurde hier schnell beliebter als in der britischen Heimat. Sydney blieb das Zentrum des Rugby, hier wurde bereits 1864 mit dem Sydney University Football Club der erste Verein gegründet und nur zehn Jahre später gab es bereits genug Teams für eine Liga.
1882 wurden die ersten Spiele zwischen den australischen Kolonien ausgetragen und ein Jahr später reiste die Southern Rugby Union aus New South Wales nach Neuseeland, um als erste Mannschaft der Welt Spiele in Übersee auszutragen. Ein Jahr später revanchierten sich die All Blacks, die alle neun Spiele gewannen, mit einem Gegenbesuch.
1903 zum ersten Mal gegen die All Blacks
Die erste offizielle Länderspielserie absolvierten die Wallabies gegen die British and Irish Lions 1899. Bis auf das Eröffnungsspiel gingen alle Partien für Australien verloren. Die erste Partie im traditionsreichen Duell mit Neuseeland fand am 15. August 1903 in Syndey statt und endete mit 22:3 für die All Blacks.
Nachdem die australische Nationalmannschaft noch im gleichen Jahr eine Tour durch Großbritannien und Nordamerika mit letztendlich 32 Siegen aus 38 Spielen begann, schien der Aufstieg des Rugby-Sports unaufhaltsam, doch bereits bald mussten einige Rückschläge hingenommen werden.
Durch die Gründung der New South Wales Football League 1903 wurden in der Rugby-Hochburg New South Wales kaum noch Rugby Union-, sondern fast ausschließlich Australian Rules Football-Spiele ausgetragen. Außerdem verlor die Rugby Union viele Spieler an die Rugby League, da dort das Profitum erlaubt war.
Erste Rückschläge
1908 konnte Australien zwar bei den Olympischen Spielen in London durch einen Sieg über eine Auswahl Cornwalls noch die Goldmedaille erringen, doch danach liefen fast alle Spieler zum Rugby League Code über. Der nächste Rückschlag für die Rugby League war der Ausbruch des Ersten Weltkriegs.
Die Regierung verdammte Rugby-Spiele für Erwachsene als unpatriotisch und beinahe 90 Prozent der Spieler zogen als Soldaten in den Krieg. Der Spielbetrieb der Rugby Union wurde komplett ausgesetzt und die Spieler liefen endgültig zur Rugby League über. Die New South Wales Waratahs blieben lange Zeit die einzig konkurrenzfähige Rugby Union-Mannschaft Australiens.
Erst langsam erholte sich der Sport wieder. In Queensland wurde erst 1928 wieder der Spielbetrieb aufgenommen. Aber die Erfolge stellten sich schnell wieder ein. 1929 wurde Neuseeland in drei Spielen beinahe sensationell bezwungen. Und das in den nun offiziellen Teamfarben grün-gold.
Im Bledisloe Cup jährlich gegen Neuseeland
Die nun jährlichen Spiele gegen Neuseeland sollten bald ihren eigenen Pokal erhalten und damit einen der traditionsreichsten Wettbewerbe des Rugysports gründen: Den Bledisloe Cup, der auch heute noch ausgetragen wird. Heute wird der Cup im Zuge des Tri-Nations Turniers ausgetragen, über den wir in einem späteren Artikel ausführlicher berichten werden.
Mit dem zweiten Weltkrieg folgte ein weiterer großer Einschnitt. Acht Jahre sollte es dauern, bis wieder ein Länderspiel zwischen den Wallabies und Neuseeland stattfand. 31:8 gewannen die All Blacks und es folgte eine lange Periode relativer Erfolglosigkeit für die Australier.
1957/58 spielte Australien gegen die sogenannten Home Nations England, Schottland, Wales und Irland und gewann als erstes Team der südlichen Hemisphäre kein einziges Spiel.
In den 80er Jahren geht es wieder bergauf
Erst in den 80er Jahren begann eine Periode großer Erfolge für die Wallabies. Es begann 1980 mit dem erst vierten Sieg im Bledisloe Cup. Vier Jahre später endete eine Tour durch die Home Nations diesmal mit dem totalen Triumph der Australier, sie gewannen erstmals alle vier Spiele und sicherten sich den ersten und bis heute einzigen Grand Slam.
Erstmals gehörte Australien zu den ganz großen Rugby-Nationen. Dauerrivale Neuseeland konnte einige Male besiegt werden. Bei der ersten Rugby Union-Weltmeisterschaft 1987 stieß das Team bis ins Halbfinale vor. Erst die Niederlage gegen Frankreich dämpfte die Europhorie etwas.
Vier Jahre später folgte dann 1991 bei der WM in England der ganz große Triumph und Australien sicherte sich seine ersten WM-Titel mit einem 12:6 im Finale über Gastgeber England.1995 ging sogleich das erste WM-Spiel gegen Gastgeber Südafrika verloren. Das Turnier stand unter keinem guten Stern und so kam für die Wallabies bereits im Viertelfinale gegen England das Aus.
Durchmarsch zum zweiten WM-Titel
1999 trat eine wiedererstarkte australische WM-Mannschaft in Europa an und marschierte durch das Turnier. Nachdem Australien in den Gruppenspielen nur 31 Punkte zugelassen hatte, wurde im Viertelfinale Wales mit 24:9, im Halbfinale Südafrika mit 27:21 und im Endspiel Frankreich deutlich mit 35:12 besiegt.
2000 konnte das Team erstmals die seit 1996 stattfindenden Tri Nations mit den beiden weiteren Teilnehmern Neuseeland und Südafrika gewinnen. 2003 wäre beinahe der dritte WM-Triumph gelungen, aber im Finale behielt England mit 20:17 nach Verlängerung die Oberhand.
2007 war erneut England die WM-Endstation für die Wallabies, diesmal aber bereits im Viertelfinale. Es folgten einige schwächere Jahre. 2008 ging das Team 8:53 in Johannesburg gegen Südafrika unter und kassierte damit die höchste Pleite seiner Geschichte.
2009 ist kein gutes Jahr
2009 gelang bei den Tri Nations nur ein Sieg gegen Südafrika, die restlichen fünf Spiele gegen die Springboks und die All Blacks gingen allesamt verloren. Nur sieben seiner 14 Testspiele konnte das Team in diesem Jahr gewinnen. Erstmals seit 27 Jahren verlor Australien gegen Schottland.
2010 lief es dann etwas besser. In Südafrika gelang ein seltener Auswärtssieg. Später im Jahr konnte ein zehn Spiele andauernde Niederlagenserie gegen die All Blacks beendet werden, aber es gab auch noch Niederlagen gegen England und Munster zum Ende ihrer Europa-Tour.
Bei der WM in Neuseeland gehört Australien aber auf jeden Fall zu den Mitfavoriten. Vielleicht gelingt den Wallabies ja als erstes Team der dritte WM-Triumph.
Henning Schulz