Schier unendlich wirkende Weinberge, Traube für Traube reift im Abendlicht, im Hintergrund fließt die Mosel in den Sonnenuntergang - das liebevoll gestaltete Etikett der Weinflaschen bemüht die Winzer-Romantik. Fein säuberlich reihen sich Chardonnay, Pinot Noir, Grauburgunder und Merlot aneinander. Alle kosten zwischen 1,49€ und 4,99€. Zwei Regale weiter warten Chips und Flips auf ihre potenziellen Käufer. Discounter-Alltag.
Die Deutschen lieben Wein, im Schnitt trinkt jeder über 20 Liter davon im Jahr. Viel dafür bezahlen wollen aber nur wenige: 2,40€ geben wir durchschnittlich für eine Flasche aus. Doch wie ist es möglich, dass Weine überhaupt zu solchen Preisen angeboten werden? Und was sagt der Preis über die Qualität aus? Das Verbrauchermagazin Markt vom "WDR" hat sich in einem Betrieb umgeschaut, der Discounter beliefert. Zimmermann-Graeff & Müller (kurz ZGM) ist eine seit 1886 bestehende Weinkellerei mit Sitz in Rheinland-Pfalz. Nach eigenen Angaben sind sie "eines der stärksten Exportunternehmen der deutschen Weinwirtschaft", beliefern 27 Länder mit ihrem Wein.
Wein: Massen-Mische statt edler Tropfen
In den Produktionshallen türmen sich riesengroße Stahlfässer. In einem Tank gären bis zu 120.000 Liter Wein. Schnell muss es gehen. Täglich werden bei ZGM etwa eine halbe Million Flaschen abgefüllt. Diese Menge lässt erahnen, dass das Unternehmen den Wein nicht selbst anbaut. Tatsächlich liefern 1.000 Winzer ihre Ware an die Kellerei. Wer denkt, dass jeder Winzer den Inhalt für eine Weinsorte stellt, liegt falsch. Dem "WDR" erklärt ein Kellermeister, dass die Lieferungen von verschiedenen Winzern gemischt werden, "und dann kann es sein, dass bis zu zwanzig verschiedene Weine in einem Wein drin sind." Das ist für den Verbraucher aber im Discounter nicht zu erkennen. Das Etikett verrät nur die Weinsorte, zum Beispiel Grauburgunder. Von welchen oder wie vielen Winzern und Weinbergen der Wein stammt, bleibt ungewiss.

Aber heißt das gleichzeitig auch, dass die Billig-Weine qualitativ nicht mithalten können? Masse statt Klasse? Laut ZGM werden bei der Weinproduktion "konstant hohe EU-Qualitätsnormen erfüllt." Auf hartnäckige Nachfrage lässt sich der Geschäftsführer zu einer ehrlichen Antwort hinreißen: "Wir müssen immer das Preis-Leistungs-Verhältnis im Auge behalten. Wir machen mit Sicherheit keine Spitzenweine hier", räumt er ein. Viel mehr handele es sich um gute Massenware.
Zwei Cent bleiben für die Kellerei
Mit guter Massenware lässt sich anscheinend auch gutes Geld verdienen. 2016 lag der Jahresumsatz der Großkellerei, die aktuell 289 Mitarbeiter beschäftigt, bei 162 Millionen Euro. Fraglich ist, wie sich diese Summe bei solch niedrigen Endverkaufspreisen erzielen lässt. Nachdem die ZGM das nicht kommentieren will, hat der "WDR" eigene Schätzungen angestellt, ausgehend vom Durchschnittspreis für Discounter-Wein, 2,40€ pro Flasche. Demnach bleiben nach Abzug von Kosten für den Wein-Einkauf, für Verarbeitung, Verpackung und Logistik, nach Abzug der Steuer und der Händlerprovision noch exakt zwei Cent pro Flasche für die Kellerei. Zu der genauen Kosten- und Gewinnverteilung möchte man sich bei ZGM nicht äußern.
Was feststeht: Wer seinen Wein im Discounter erbeutet, kann sich von der Illusion des Winzers mit Strohhut, der entspannt Rebe für Rebe erntet, getrost verabschieden. Tatsächlich kaufen Kunden Massenware, von der nur der Hersteller weiß, ob der Flascheninhalt aus zwei oder zwanzig verschiedenen Weinen gewonnen wurde.
