Bis 2050 könnte das, was wir heute unter extremer Armut verstehen, nahezu der Vergangenheit angehören. Wer als "extrem arm" gilt, hat weniger als 2,15 US-Dollar am Tag zur Verfügung. Das betrifft weltweit rund 700 Millionen Menschen, so die Weltbank, also etwa 8,5 Prozent der Bevölkerung. Nun könnte dieser Anteil in den kommenden Jahrzehnten auf etwa zwei Prozent absinken. Das zeigen Modelle des Center For Global Development, ein US-Think Tank mit Sitz in Washington D.C.
Auf dem afrikanischen Kontinent ist extreme Armut am weitesten verbreitet
In ihrem Report modellieren die Autoren mögliche Szenarien für die Weltwirtschaft bis zum Jahr 2050. Dazu ziehen die Forscher Variablen wie Einkommen, demografische Merkmale, Klima und Bildung heran und berechnen auf dieser Basis mögliche Modelle für die Zukunft. Der berechnete Ausgang muss nicht automatisch eintreffen, sondern ist von vielen Faktoren abhängig. "Wir wissen, dass die Welt im Jahr 2050 ganz anders aussehen wird, und der Klimawandel eine große Sorge für die Zukunft ist", so einer der Autoren Charles Kenny. "Aber wir können nicht zulassen, dass dies die Tatsache überschattet, dass bei anhaltendem Wirtschaftswachstum fast niemand mehr in der verzweifelten Armut leben muss, die für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung während des größten Teils der Geschichte das Los war. Obwohl diese Armut schon seit Jahrzehnten hätte ausgerottet werden können."
Wissenschaftliche Modellierungen unterliegen gewissen Schwankungen und sind nicht immer akkurat, gerade in Bezug auf die Klimakrise. Allerdings lassen die Autoren auch hier Variablen einfließen, die die Modelle möglichst genau machen sollen. Laut der Prognose könnte der Anteil der Menschen, die 2050 in extremer Armut leben, auf zwei Prozent absinken. Das würde sich vor allem auf dem afrikanischen Kontinent positiv auswirken, wo aktuell 29 Prozent der Menschen von weniger als 2,15 US-Dollar am Tag leben müssen. Dort könnten es bis 2050 etwa sieben Prozent sein, so die Autoren. Zudem prognostizieren die Forscher ein langsameres Wachstum für Länder mit hohen Einkommen, dafür ein doppelt so hohes Wachstum für Länder mit niedrigem oder mittlerem Einkommen.
Die Corona-Pandemie hat manche Erfolge zunichte gemacht
Eigentlich könnte die Gesellschaft schon weiter sein. Doch insbesondere die Corona-Pandemie hat die Bemühungen der Weltgemeinschaft um mehr als vier Jahre zurückgeworfen, zeigt ein Bericht der Vereinten Nationen (UN) von 2022. Nach zwei Jahrzehnten hat die Armut der arbeitenden Bevölkerung erstmals wieder zugenommen, auch leben wieder mehr Menschen in extremer Armut als vorher prognostiziert wurde.
Die zehn vergessenen Krisen in Zeiten von Corona

Im Mai fanden in Burundi relativ friedliche Wahlen statt, rund 50.000 geflüchtete Burundie kehrten zurück in ihre Heimat. Doch die fünftärmste Nation der Welt hat es schwer, Rückkehrer aufzunehmen: Es fehlt an Ressourcen, über 90 Prozent der Bevölkerung sind von der Landwirtschaft abhängig. Als dann auch noch 80.000 Menschen aus dem Nachbarland Kongo in das mit am dichtesten besiedelten Landes im subsaharischen Afrika flüchteten, wuchs die Konkurrenz um Land und Nahrung und die ärmsten und verwundbarsten Gruppen der Bevölkerung – die Frauen – wurden auf wenig ertragreiches Land gedrängt. Erdrutsche und Überschwemmungen zerstörten 2020 die Lebensgrundlagen der ärmsten Menschen in Burundi und verschlimmerten die Hungersnot: Im Dezember 2020 benötigten über 2,3 Millionen Burundier humanitäre Hilfe, das Land weist den höchsten Wert an chronischer Unterernährung in der Welt auf.
2015 hat sich die UN mit der Entwicklungsagenda 2030 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung vorgenommen. Darunter fällt auch die vollständige Beendigung der extremen Armut. Doch in ihrem neuesten Bericht muss die UN vor allem festhalten, dass sie auf der Stelle tritt, oder teils um Jahre zurückgeworfen wurde. Vor allem durch eine mangelnde Bekämpfung der Klimakrise, die Covid-Pandemie und weitere Konflikte wie dem Krieg in der Ukraine: "Jede dieser Krisen und ihre komplexen Wechselwirkungen wirken sich auf alle Ziele aus und führen zu Folgekrisen in den Bereichen Lebensmittel und Ernährung, Gesundheit, Bildung, Umwelt sowie Frieden und Sicherheit. Um die Welt auf den Weg der Nachhaltigkeit zu bringen, bedarf es abgestimmter Maßnahmen auf globaler Ebene.
Selbst wenn die Annahmen der Studienautoren zutreffen und die Wirtschaft in einkommensschwachen Ländern stark genug wächst, verfehlt die Weltgemeinschaft ihr Ziel um Jahrzehnte, die weltweite Armut zu beseitigen.
Quelle: Center For Global Development, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Development Initiatives, Vereinte Nationen