Emissionshandel Mehr als 1600 Firmen warten auf Antragsformulare

Die Rechte zur Luftverschmutzung sind noch nicht zugeteilt, aber sie haben schon einen Preis. Rund acht Euro pro Tonne Kohlendioxid (CO2) werden fünf Monate vor dem Start des EU-Emissionshandels bereits geboten.

Noch warten die Firmen auf die Antragsformulare für die Zuteilung erster Verschmutzungsrechte. Die politischen Weichen in Berlin sind gestellt, aber erst nach Inkrafttreten des Zuteilungsgesetzes und Einigung über die dazugehörende Verordnung können Emissionsrechte beantragt werden. Anfang August wird damit gerechnet. Allerdings wird auch ohne Zertifikate längst in Termingeschäften mit Emissionsrechten gehandelt. "Die Spannung steigt und damit auch der Preis", sagt Benedikt von Butler von der Firma Evolution Markets in London.

1648 Firmen betroffen

In Deutschland müssen vom nächsten Jahr an 1.648 Firmen für das Recht, das klimaschädliche Kohlendioxid in die Luft zu blasen, Zertifikate vorweisen. Betroffen sind nach Auskunft der beim Umweltbundesamt eingerichteten Deutschen Emissionshandels-Stelle (DEHSt) 2.350 Anlagen, die mit ihrer Leistung über der für den Handel festgelegten Grenze von 20 Megawatt liegen. Dazu gehören Industrieanlagen und Kraftwerke unterschiedlicher Betreiber wie Energieversorgungsunternehmen, Chemiefirmen, Kommunen und Hochschulen. Auch die Bundesbank in Frankfurt, die über ein eigenes Blockheizkraftwerk verfügt, ist betroffen.

Die Anlagen haben einen jährlichen CO2-Ausstoß von zusammen rund 505 Millionen Tonnen. Insgesamt beträgt der jährliche CO2-Ausstoß in Deutschland - einschließlich Verkehr und Heizungen - rund 863 Millionen Tonnen.

Das Recht zu Verschmutzen

Zum Start bekommen die Unternehmen die Zertifikate kostenlos auf der Basis der Emissionswerte aus den Jahren 2000-2002 minus einem so genannten Erfüllungsfaktor als eingebaute Reduzierung. Beispiel: Hat eine Firma jährlich 100.000 Tonnen des Treibhausgases ausgestoßen, bekommt sie diese Menge minus 2,91 Prozent als "Startkapital" zugeteilt. Sinkt der Ausstoß künftig, können die Rechte für die nicht benötigten Emissionen verkauft werden - an Firmen, die mehr CO2 ausstoßen als von ihren eigenen Zertifikaten gedeckt. Gehandelt werden kann in der gesamten EU. Ziel ist die Senkung des CO2- Ausstoßes zum Schutz des Klimas.

Das Ziel der Schadstoffreduzierung finden die meisten Unternehmen prinzipiell sinnvoll. Viele klagen aber ebenso wie die Energieversorgung Offenbach (EVO), die für mehrere Kraftwerke Emissionszertifikate braucht, über das umständliche Antragsverfahren. "Das ist ein Riesenaufwand", sagt EVO-Sprecher Harald Hofmann. Schon bieten private Berater Hilfe bei der Abwicklung des Verfahrens an, etwa die Firma Infraserv, die in Frankfurt den Industriepark Höchst mit Unternehmen aus der Chemie- und Pharmabranche betreibt.

Vermittler übernehmen Antragstellung

Während sich die Firmen noch mit dem Antragsverfahren herumplagen, gibt es den Emissionshandel bereits als Termingeschäft: Käufer und Verkäufer vereinbaren dabei, an einem Stichtag eine bestimmte Menge von CO2-Emissionen zu kaufen beziehungsweise zu verkaufen. Seit einem guten Jahr werden Verschmutzungsrechte innerhalb der EU gehandelt, das erste Geschäft wurde im April 2003 abgeschlossen. Als Beteiligte treten Händler, Industrieunternehmen und Spekulanten auf, die mit steigenden Preisen rechnen.

In den vergangenen drei Monaten habe sich das Volumen deutlich nach oben entwickelt, sagt von Butler. Der Juli sei der bisher aktivste Monat gewesen: In den ersten drei Wochen seien 450.000 Tonnen CO2-Emissionsrechte gehandelt worden. Vor allem Unternehmen aus den Niederlanden und Großbritannien seien dabei. Und auch einen Preis gibt es schon: Derzeit liegt er laut von Butler bei gut 8 Euro je Tonne CO2-Emissionsrecht.

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Sabine Ränsch, dpa

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